Szene aus Drachenreiter
Filmplakat von Drachenreiter

Drachenreiter

100 min | Animation | FSK 0
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Szene 1 aus Drachenreiter
Szene 2 aus Drachenreiter
Drachen und andere Fabelwesen sind beinahe ausgestorben, nur an wenigen Orten auf der Erde finden die Kreaturen noch Zuflucht. Genau so ein Ort ist der Dschungel, in dem sich der junge Silberdrachen Lung (gesprochen von Julien Bam) verstecken muss, weil ihn die ältere Generation nicht für einen richtigen Drachen hält. Als der Zufluchtsort in Gefahr gerät, macht sich Lung gemeinsam mit dem Koboldmädchen Schwefelfell (Dagi Bee) auf die Suche nach dem sagenumwobenen Saum des Himmels, wo angeblich die letzten überlebenden Drachen hausen sollen. Unterwegs treffen die beiden auf den Waisenjungen Ben (Mike Singer), der sich als Drachenreiter ausgibt. Lung und Ben verstehen sich auf Anhieb, was Schwefelfell gar nicht passt. Sie versucht, den Jungen loszuwerden. Als sie bemerken, dass ihnen das drachenfressende Monster Nesselbrand (Rick Kavanian) auf den Fersen ist, muss das außergewöhnliche Trio aber lernen, zusammen statt gegeneinander zu arbeiten...
  • RegieTomer Eshed
  • ProduktionBelgien
  • Dauer100 Minuten
  • GenreAnimation
  • AltersfreigabeFSK 0

Filmkritik

Die Zeiten, als Menschen und Drachen einträchtig Seite an Seite lebten, sind lange vorbei. Irgendwann packte die Menschheit die Gier. Als sie die Erde zu unterwerfen begannen, blieb den Drachen nur noch der Rückzug. Ganz verschwunden sind die vermeintlichen Fabelwesen jedoch nicht. In einem geheimen Tal tief in den Wäldern haben sich die letzten ihrer Art versteckt und fristen dort ein beschaulich-kümmerliches Dasein. Die erschlafften Alten haben sich mit der Situation schon längst abgefunden. Die Drachenjugend aber langweilt sich höllisch und träumt von tollkühnen Abenteuern. Unter ihnen ist auch der liebenswerte Lung, der wegen seiner Tollpatschigkeit unter den Halbstarken als Außenseiter gilt. Als die menschliche Zivilisation in Gestalt eines riesigen Tagebaus auch das abgeschiedene Drachental zu zerstören droht, sieht Lung seine Stunde gekommen. Er will endlich zeigen, was in ihm steckt. Gemeinsam mit seiner Kumpanin, der frechen Koboldin Schwefelfell, verlässt er heimlich das Tal und macht sich auf die Suche nach dem „Saum des Himmels“, einem paradiesischen Zufluchtsort für Drachen, von dem die alten Legenden erzählen.

Ihre Nemesis ist ihnen auf den Fersen

Zunächst aber gerät das ungleiche Gespann in den Trubel einer großen Menschenstadt, wo ihnen der junge Dieb Ben über den Weg läuft. Um der Polizei zu entkommen, gibt sich der dreiste Teenager als „Drachenreiter“ aus – als Held eines populären Fantasyfilms. Und obwohl sich Schwefelfell mit allen Klauen dagegen sträubt, schließt er sich ihnen an. Die Reibereien untereinander sind jedoch nicht das größte Problem des Trios. Nesselbrand, ein von einem genialen Erfinder geschaffenes drachenfressendes Monster, ist ihnen dicht auf den Fersen. Und so erleben die drei ein gefährliches Abenteuer, das sie an die entlegensten Orte der Welt führt – und bei dem sie sich als Freunde beweisen müssen.

In den vergangenen Jahren sind Drachen auf der Beliebtheitsskala von Kindern noch einmal ein ganzes Stück nach oben geklettert. Einen erheblichen Anteil daran haben der Animationsfilm „Drachenzähmen leicht gemacht“ und seine beiden Fortsetzungen. Angesichts des Hypes um die Fabelwesen verwundert es nicht, dass jetzt auch der Fantasy-Roman „Drachenreiter“ (1997) von Cornelia Funke fürs Kino animiert wurde, zumal bereits mehrere Bücher der Kinder- und Jugendbuchautorin als Vorlagen für erfolgreiche Filme gedient haben, etwa für „Hände weg von Mississippi“ (2007).

Die Last der Vorgängerfilme

Regisseur Tomer Eshed und der Drehbuchautor Johnny Smith verhehlen gar nicht erst, dass sie mit „Drachenreiter“ auf der Erfolgswelle der „Drachenzähmen“-Filme mitschwimmen. Wenn Ben in der Großstadt in ein Drachenreiterkostüm schlüpft, um am Rande einer großen Kinopremierenfeier in der Menschenmasse unterzutauchen, dann spielen sie unverkennbar auf die beliebte Trilogie an. Die augenzwinkernde Hommage verhindert allerdings nicht, dass man „Drachenreiter“ nahezu zwangsläufig an den Vorgängern misst – auch wenn die Filmemacher fleißig andere bekannte Fantasy- und Animationsfilmhits zitieren, von „Die unendliche Geschichte“ über „Indiana Jones“ bis zu „Ice Age“. Und obwohl viele der Filmfiguren durchaus liebevoll angelegt sind und der Film die Ausgangssituation von „Drachenzähmen“ gewissermaßen umkehrt, stellt sich bald das schale Gefühl ein, fast alles irgendwann schon einmal gesehen zu haben.

Nicht zuletzt leidet „Drachenreiter“ auch daran, dass er im ständigen Bemühen um Tempo keine Tiefe gewinnt. Obwohl zu Beginn die Zerstörung des Lebensraums der Drachen durch riesige Tagebaubagger effektvoll visualisiert wird, findet die Öko-Thematik überraschenderweise keinerlei Fortführung. Auch als Coming-of-Age-Geschichte um Solidarität, Toleranz und Freundschaft entfaltet der Film kaum Kraft. Und wenn Ben sich als Waisenkind entpuppt, das unter dem frühen Verlust der Eltern leidet, scheint das bloß seinen Hang zur Egozentrik und vor allem seine Laufbahn als Dieb entschuldigen zu sollen: Ein Krimineller als Held eines Kinderfilms – das geht nun wirklich nicht.

Nach allen Seiten absichern

Überhaupt wirkt vieles so, als hätten sich Eshed und Smith nach allen Seiten absichern wollen. So lassen sie – mutmaßlich für den erwachsenen Teil des Publikums – den monströsen Nesselband in einem Dating-Portal nach einer Partnerin suchen. Gesteigert wird die derb-alberne Komik noch durch den gierigen Zwerg Kiesbart, der zum penetrant prolligen Sidekick des Bösewichts aufgeblasen wird.

Dass die skurrilen Figuren durch exaltierte Sprecherstimmen synchronisiert werden, erfüllt die Genre-Konventionen ebenso pflichtgemäß wie der unerbittliche Musikteppich. Kurzum: Mehr Mut und Experimentierfreude bei der Inszenierung hätte „Drachenreiter“ zweifelsohne gutgetan. Immerhin: Die Computeranimation ist hochwertig und hält reichlich Schauwerte bereit. Kinder, die neu ins Drachenuniversum einsteigen, dürfte der Film durchaus gut unterhalten. Sollte sich bei den Eltern Müdigkeit einstellen, muss sie das ja nicht unbedingt stören.

Erschienen auf filmdienst.deDrachenreiterVon: Jörn Hetebrügge (23.2.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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