Szene aus Eternals
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Eternals

157 min | Abenteuer, Science Fiction, Action | FSK 12
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Marvel Studios‘ “Eternals” heißt ein aufregendes neues Superheldenteam im Marvel Cinematic Universe willkommen. Die epische Geschichte, die sich über Tausende von Jahren erstreckt, erzählt von einer Gruppe unsterblicher Helden, die nun gezwungen sind aus dem Verborgenen hervorzutreten, um sich gemeinsam gegen die ältesten Feinde der Menschheit zu stellen: Die Deviants. Zu dem herausragenden Ensemble gehören Richard Madden als allmächtiger Ikaris, Gemma Chan als menschheitsliebende Sersi, Kumail Nanjiani als von kosmischer Macht erfüllter Kingo, Lauren Ridloff als superschnelle Makkari, Brian Tyree Henry als intelligenter Erfinder Phastos, Salma Hayek als weise und spirituelle Anführerin Ajak, Lia McHugh als ewig junge Sprite der jedoch eine alte Seele innewohnt, Don Lee als mächtiger Gilgamesch, Barry Keoghan als distanzierter Einzelgänger Druig und Angelina Jolie als unerschrockene Kriegerin Thena. Kit Harington ist in der Rolle des Dane Whitman zu sehen. Regie führte Chloé Zhao.

Filmkritik

Wenn es gottähnliche Wesen gibt, die dazu berufen sind, die Menschen zu beschützen – wo waren sie, als Superschurke Thanos die Erdenbewohner eliminierte? In einem Film, in dem die Schöpfer des Marvel Cinematic Universe nach den „Avengers“ und den „Guardians of the Galaxy“ ein noch mächtigeres Heldenteam aus dem Hut zaubern, das nun in die Erzählwelt nach „Avengers Endgame“ eingefügt werden soll, steht diese Frage natürlich im Raum. Früh in „Eternals“ darf sie eine der wenigen menschlichen Figuren, Dane Whitman (Kit Harington), gegenüber seiner Liebsten, der „Eternal“ Sersi (Gemma Chan), aufs Tapet bringen. Und bekommt die Antwort, dass es eine strikte Nichteinmischungsregel gibt: Die Eternals müssen sich bei menschlichen Konflikten heraushalten, in die nicht ihre unmittelbaren Widersacher verwickelt sind, die monströsen Deviants. Aus menschlicher Perspektive keine sehr befriedigende Antwort – und dieses Interventionsverbot wird im Lauf des Films auch von den Eternals selbst in Frage gestellt werden und den Aufhänger für den moralischen Konflikt liefern, um den der von „Oscar“-Preisträgerin Chloé Zhao inszenierte und mitgeschriebene Film kreist.

Alternativer Schöpfungsmythos: Götter unter uns

Zeitsprung zurück: „Am Anfang war…“, „so beginnt es geradezu biblisch. In einem Prolog erfährt man von den „Celestials“, den Schöpfern der Welten, die vor rund 7000 Jahren die Eternals als Wächter auf die Erde sandten, um die Menschheit vor den Deviants zu schützen, finsteren, raubtierartigen Bestien, die ganz aus Sehnen und Tentakeln zu bestehen scheinen. Diese Aufgabe erfüllten die alterslosen, von kosmischen Energien erfüllten Wesen jahrhundertelang treu, stießen außerdem technologische Entwicklungen wie die Erfindung des Pflugs an und gingen dabei in die Legenden ihrer Schützlinge ein – wo zum Beispiel aus der Eternal Thena (Angelina Jolie) die olympische Athene und aus deren Freund Gilgamesch (Don Lee) der Held des gleichnamigen altbabylonischen Epos wurde.

Als die letzten Deviants besiegt sind, können sich die Eternals zur Ruhe setzen und verteilt über den Globus unerkannt unter den Menschen leben – bis im London der Gegenwart eines Nachts eines der ausgerottet geglaubten Monster aus der Themse steigt und Sersi und Dane angreift. Mit Schützenhilfe zweier weiterer Eternals, der ewig im Körper eines Teenagers steckenden, trickreichen Sprite (Lia McHugh) und Sersis einstigem Geliebten Ikaris (Richard Madden) lässt sich die Bestie zwar abwehren. Trotzdem wird es Zeit, auch die restlichen Eternals wieder zu versammeln: Gefahr braut sich zusammen. Und das nicht nur, weil mehr als ein Deviant wieder auf der Erde wütet, wie sich bald herausstellt. Den „Eternals“ steht eine Offenbarung bevor, die ihr Selbst- und Weltbild aus den Angeln heben wird.

Ein vertikaler Ausbau des MCU in die Untiefen der Menschheitsgeschichte

Jack Kirby, Schöpfer von Popkultur-Mythen und glühender Liebhaber der alten Mythologien, schuf Marvels „Eternals“ 1976; dabei bediente er sich fröhlich am Götter- und Heldensagenschatz verschiedener Kulturen, spielt aber auch mit der „Ancient Aliens“-Theorie, die seit 1968 kursiert, als Erich von Däniken in seinen „Erinnerungen an die Zukunft“ über den Einfluss außerirdischer Besucher auf die frühen Zivilisationen spekulierte. Daran, die „Eternals“ erzählerisch ans übrige Marvel-Universum anzukoppeln, zeigte Kirby selbst wenig Interesse; das übernahmen spätere Autoren, nicht zuletzt 2006 Neil Gaiman, der die vergleichsweise wenig populären Eternals zusammen mit Comickünstler John Romita Jr. zurück auf den Radar der Marvel-Fans holte.

Chloé Zhao und ihre Co-Autoren greifen nun auf keine konkrete Story-Vorlage zurück, sondern amalgamieren Elemente unterschiedlicher „Eternal“-Comics. Ihre Story fügt sich in die MCU-Continuity ein, zeigt aber weniger Interesse daran, die Fühler horizontal zu den anderen Filmen und Serien auszustrecken, sondern schwelgt darin, das MCU vertikal zu erweitern, in die Untiefen der Menschheitsgeschichte. Der Prolog bleibt nicht der einzige historische Exkurs, der die Backstory der Eternals beleuchtet, wobei es von der mesopotamischen Küste im Jahr 5000 vor Christus unter anderem übers alte Babylon mit seinem Ishtar-Tor und die Azteken-Metropole Tenochtitlan, die im 16. Jahrhundert von Konquistadoren geschleift wird, bis zum Atompilz über Hiroshima 1945 geht: Durch die 157 Minuten Film weht ein Jahrtausende durchstreifender epischer Atem, wobei die Rückblenden nicht nur eine Steilvorlage dazu abliefern, mit Monumentalfilm-Schauwerten zu prunken, sondern dazu dienen, das Verhältnis der Eternals zu den Menschen und zu ihrer eigenen Rolle als deren Schützer zu entwickeln. Denn dieses Verhältnis fängt irgendwann an, schwierig und kontrovers zu werden. Weswegen die Eternals in der Erzählgegenwart längst keine geschlossene Gruppe mehr sind.

Die Aufgabe, ein Helden-Ensemble aus zehn Charakteren (von denen anders als bei den Avengers keine:r zuvor einen Solo-Film hatte) einzuführen, bleibt notwendigerweise die Quadratur des Kreises – allen Figuren ein markantes Profil zu geben, ist schlicht unmöglich. Worauf die Drehbuchautoren reagieren, in dem sie das gar nicht erst versuchen, sondern Prioritäten setzen: Sersi gibt das emotionale Zentrum ab; Ikaris, mit dem sie auch nach der Trennung immer noch schwelende Gefühle verbinden, ist ihre wichtigste Reibungsfläche, und um sie herum fungieren die anderen, betont divers angelegten Eternals – inklusive einer taubstummen und eines homosexuellen Charakters – als Nebenfiguren, die teils für „comic relief“ sorgen (vor allem der von Kumail Nanjiani gespielte Kingo, der seinen Eternals-Ruhestand genutzt hat, um als Ein-Mann-Bollywooddynastie Filmgeschichte zu schreiben), teils mit inneren Achillesfersen versehen werden, die dafür sorgen, dass das Team Schwächen bekommt, woraus sich dann Spannungspotenzial gewinnen lässt. So leidet etwa Thena an der Eternals-Krankheit Mahd Wy’ry, einer Art Wahn durch zu viele akkumulierte Erinnerungen, und Sprite hadert mit ihrer Unfähigkeit, erwachsen zu werden.

Wie viel Chloé Zhao passt in einen Marvel-Film?

Dass die Produzenten sich entschieden haben, die Regie Chloé Zhao anzuvertrauen, dürfte „Eternals“ auch für Arthouse-Fans interessant machen: Zhao hat zuvor mit „Songs My Brother Taught Me“, „The Rider“ und dem „Oscar“-gekrönten „Nomadland“ einen poetischen Realismus kultiviert, der den Fantasy-Blockbustern diametral entgegensteht. Wer hofft, dass die Regisseurin nun so etwas wie den ersten Autoren-MCU-Film abliefert, wird von „Eternals“ enttäuscht sein: Auch hier bleibt die Studio-Signatur die prägende. Der Film folgt brav dem konventionellen Superhelden-Teambuilding-Muster, das seit dem ersten „Avengers“-Film wieder und wieder variiert wurde, fackelt ein großes CGI-Actionspektakel ab (wobei sich Zhao inszenatorisch sehr gut schlägt) und bricht das heroische Pathos immer wieder mit (nicht ganz so inspirierten) Humoreinlagen.

Trotzdem hat der Film eine eigene Note: Auch ohne ihren Stamm-Kameramann Joshua James Richards schleust Zhao etwas von ihrer Raum-Poetik in den Film, von den Momenten, in denen Landschaften innehalten lassen und den Blick öffnen. Die Sensibilität, mit der Zhao in ihren anderen Filmen in den rauen Lebensumständen von Außenseiter-Existenzen Schönheit und Würde aufspürt, findet hier ein Echo im Blick der Eternals auf eine Erde, die trotz aller Defizite ihrer menschlichen Bewohner wert ist, geliebt und geschützt zu werden.

Erschienen auf filmdienst.deEternalsVon: Felicitas Kleiner (26.12.2022)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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