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12 Tangos - Adios Buenos Aires

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Der Tango: Keine andere Musik spiegelt das Leid, die Resignation, aber auch die Lebensfreude der Menschen in Argentinien wieder. In dieser Dokumentation geht es um drei Schicksale in Buenos Aires. Der 71-jährige Berufstänzer Roberto Tonet erleidet einen Herzinfarkt und gibt nach seiner Genesung der 20-jährigen Marcela Maiola Tanzunterricht. Diese will nach Europa auswandern. Die Mutter Yolanda will zukünftig in Spanien arbeiten, um den Kredit für das Haus abzubezahlen. In zwölf Tangos stellt der Regisseur die schweren Schicksale von drei Menschen und das Bild Argentiniens dar. (aga) i-mode

Das 21. Jahrhundert begann für Argentinien nicht gerade vielversprechend. 2002 musste das Land den Staatsbankrott erklären; betroffen davon waren nicht zuletzt Millionen kleiner Leute, deren Ersparnisse von heute auf morgen für immer verloren war. Einer von ihnen ist der heute über 70-jährige Roberto, ein professioneller Tangotänzer, der sich in seinen Glanzzeiten mit Tourneen durch die ganze Welt eine ordentliche Rente angespart hatte; geblieben ist ihm jetzt nur noch die Erinnerung an die diversen Reisen und Erfolge – und seine Liebe zum Tango, dem argentinischen Nationaltanz, den Roberto trotz seines Alters besser beherrscht als mancher Junge. Das meint zumindest seine Partnerin Marcella, die erst in den Zwanzigern ist. Sie bereitet sich ihrerseits, von Roberto angespornt, darauf vor, ihr Glück künftig im Ausland zu suchen, denn im wirtschaftlich nach wie vor maroden Argentinien sieht sie keine Zukunft für sich. Roberto und Marcella sind die wohl markantesten Protagonisten in Arne Birkenstocks Dokumentarfilm „12 Tangos – Adios Buenos Aires“. Der Film will, wie eine Voice Over zu Beginn klar macht, die schillernde Geschichte der Stadt erzählen, und zwar in „12 Tangos“. Unterbrochen durch Tanz- und Musikszenen im „Central“, einem Treffpunkt passionierter Tangoliebhaber und -liebhaberinnen, werden die Schicksale verschiedener Menschen und Familien beleuchtet und nebenbei auch ein Blick auf die Geschichte der argentinischen Hauptstadt eröffnet. Diese war in den 1930er-Jahren Zufluchtsort zahlloser Immigranten aus Europa, die in Südamerika eine neue Heimat fanden. Ihr ambivalentes Lebensgefühl sei es, das sich in dem von ihnen kreierten Tango ausdrücke – ein Gemisch aus Schmerz und Heimweh, Leidenschaft, Lebensfreude und Morbidität. Ihre Kinder und Enkel haben von ihnen die Liebe zum Tango geerbt und nutzen ihn nach wie vor als Ausdrucksmittel wie auch als „Exportgut“. In dem Land, das ihren Vorfahren Hoffnung und neue Lebensperspektiven bot, sehen viele von ihnen angesichts der ökonomischen Krise und des Mangels an Arbeitsplätzen jedoch keine Chancen mehr für sich selbst, und so werden die europäischen Wurzeln der Familien und alte Papiere zum neuen Hoffnungsanker, zur Eintrittskarte nach Europa, wo man sich bessere Arbeitsmöglichkeiten verspricht. Marcella verschlägt es nach Frankreich, wo sie Angehörige hat. Die Mutter von Fabiana, einem Teenager, macht sich dagegen nach Spanien auf, schweren Herzens, denn ihre Kinder bleiben in Argentinien zurück. Um das kleine Haus weiter halten zu können, ist die Arbeit im Ausland unvermeidbar; Fabiana erzählt, wie sehr sie sich davor fürchtet, fortan ohne ihre Mutter auskommen und die Verantwortung für die jüngeren Geschwister tragen zu müssen. Arne Birkenstock hat Fabianas Sorgen und Ängste und die vieler anderer Argentinier in langen Interviews festgehalten, während er sie in alltäglichen Situationen begleitet – ihre Berichte über ihre Herkunft und ihre Familie, über ihr privates Leben, aber auch ihr Erleben von Ereignissen wie dem Staatsbankrott und den anschließenden Aufständen und Unruhen. Die Geschichten dieser Leute und die Art und Weise, wie sie sich der Kamera öffnen und von ihrem Leben und ihren Problemen erzählen, sind die Stärke dieser Dokumentation, ebenso wie der Reiz der Musik und der Tanzszenen, die die Vielfalt und Wandlungsfähigkeit des Tangos dokumentieren und immer wieder Akzente setzen, ohne nur als bunte Folklore eine schöne Oberfläche abzugeben. Etwas schwächer ist allerdings die Gliederung des Films, die ohne erkennbares Prinzip von Protagonist zu Protagonist wechselt; die Zeit, die einzelnen Figuren gewidmet wird, fällt dabei recht unterschiedlich aus. Die Gliederung in zwölf Tangos erscheint eher willkürlich, sodass der Eindruck einer gewissen Sprunghaftigkeit entsteht. Nichts desto trotz fasziniert der Film als facettenreicher Einblick in die Lebens- und Tanzkultur des Geburtslandes des Tangos.

Veröffentlicht auf filmdienst.de12 Tangos - Adios Buenos AiresVon: Felicitas Kleiner (10.12.2025)
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