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Bon Voyage - Bis hierher und noch weiter

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Die 80-jährige Marie hat ihr Leben stets selbstbestimmt gestaltet – und daran ändert auch ihre schwere Krankheit nichts! Den Termin für die Sterbehilfe in der Schweiz hat sie bereits vereinbart – jetzt muss sie es nur noch ihrer Familie beibringen. Doch im letzten Moment verlässt sie der Mut, und sie rettet sich in die Notlüge von einer angeblichen Erbschaft, die in der Schweiz auf sie wartet. Ihr Sohn Bruno, den ständig Geldsorgen plagen, will sofort aufbrechen. Auch Brunos Tochter Anna, die mitten im Chaos der Pubertät steckt, kommt mit. Als Fahrer rekrutiert Marie kurzerhand Rudy, den hilfsbereiten jungen Mann vom Pflegedienst. Sie entstauben das alte Wohnmobil, und die vier machen sich – samt Rudys zahmer Ratte – auf den Weg. Marie tut auf der Fahrt vieles, was sie lange nicht mehr getan hat: Sie badet im Meer, tanzt zu Schlagermusik und sitzt spätabends am Lagerfeuer. Sie genießt die Reise – und ganz nebenbei findet die Familie wieder zueinander. Doch irgendwann nähert sich die kleine Truppe ihrem Reiseziel, und Marie steht vor einer Entscheidung …
Eine Familie, die sich lange wenig zu sagen hatte, macht sich in einem 40 Jahre alten Wohnmobil auf die Reise quer durch Frankreich – und noch weiter. Regisseurin Enya Baroux inszeniert in BON VOYAGE eine dramatische Komödie, die mit Sensibilität tiefgründige Themen wie familiäre Beziehungen und das Recht, sein Lebensende selbst zu bestimmen, anspricht und das mit spritzigen Dialogen, kuriosen Figuren und viel Situationskomik verbindet.
  • Veröffentlichung01.01.2026
  • Enya Baroux
  • Frankreich (2025)
  • 97 Minuten
  • DramaKomödie
  • FSK 12
  • 6.7/10 (408) Stimmen

Die 80-jährige Französin Marie (Hélène Vincent) hat eine schwere Entscheidung gefällt. Eine Krebserkrankung ist zurückgekehrt und hat sich in ihrem Körper ausgebreitet. Sie will sich keiner zweiten Chemotherapie unterziehen, aber auch nicht unnötig leiden. Deshalb hat sie sich für einen begleiteten Suizid in der Schweiz angemeldet, wo dies legal möglich ist. Dafür benötigt sie jedoch die Einwilligung eines Angehörigen. Ihr Sohn Bruno (David Ayala) soll die Dokumente unterschreiben, erscheint dann aber nicht. Stattdessen bringt Marie den Pfleger Rudy (Pierre Lottin) von der Seniorenhilfe dazu, die Unterschrift zu leisten. Jetzt muss sie ihren Entschluss nur noch Bruno und ihrer Enkelin Anna (Juliette Gasquet) mitteilen.

Eine Reise Richtung Schweiz

Doch dann verlässt Marie der Mut. Stattdessen erzählt sie den beiden von einer Erbschaft, die in der Schweiz auf sie wartet. Bruno, der auf hohen Schulden sitzt, will möglichst schnell losfahren. Da er aber keinen Führerschein mehr hat, wird Rudy als Fahrer organisiert. Mit einem alten Wohnmobil brechen die vier auf. Für Aufregung sorgt dabei Lennon, Rudys zahme Hausratte, die er auf seiner Schulter herumklettern lässt. Im klapprigen Camper spielt Anna den französischen Ohrwurm „Voyage, Voyage“ der Sängerin Desireless, der fortan den Roadtrip begleitet.

Doch dann entpuppt sich der Film von Enya Baroux weniger als dramatischer Sterbehilfe-Film denn als Auseinandersetzung mit familiären Konflikten, bei denen Rudy öfters als Brückenbauer herhalten muss. Der Altenpfleger drängt Marie, ihren Angehörigen die Wahrheit zu sagen. Doch die zögert und behauptet, auf den richtigen Moment zu warten. Der könnte bei einer Ruhepause nahe Aix-en-Provence kommen, doch Marie traut sich wieder nicht. Dafür genießt sie ein Bad im Meer, vergnügt sich auf einer Bowlingbahn und schaut mit Freude zu, wie Anna an einem großen Lagerfeuer tanzt. Es ist dann auch das 15-jährige Mädchen, das im Wohnmobil zufällig die Dokumente für die Schweizer Einrichtung entdeckt und ihre Oma zur Rede stellt.

Das Thema Sterbehilfe ist schon in Filmen wie „Und morgen Mittag bin ich tot“ (2013) von Frederik Steiner oder „Alles ist gutgegangen“ (2021) von François Ozon im Kino als Drama öfters behandelt worden. Komödiantische Thematisierungen wie etwa in „Toni und Helene“ (2024) von Sabine Hiebler und Gerhard Ertl sind dagegen seltener. Baroux aber folgt diesem Weg und beweist viel Mut zu Situationskomik und humoristischen Einlagen. Andererseits behandelt sie die existentielle Fragestellung mit großem Respekt, ohne in Sentimentalitäten oder überzogene Melodramatik abzudriften. Inmitten sonnendurchfluteter Bilder des Sommers gelingt ihr eine überraschend souveräne Balance zwischen Tragik und Humor, Ernst und Heiterkeit.

Der Sommer ihres Lebens

Paradigmatisch ist eine Szene am Strand, als Marie preisgibt, dass sie nie schwimmen gelernt hat. Spontan borgt sich der impulsive Rudy Schwimmflügel aus, legt sie Marie an und trägt sie ins Meer. Die Seniorin vertraut sich ihm an und schwebt gleichsam an der Wasseroberfläche. Nach kurzer Zeit übergibt Rudy an Bruno, wodurch sich die beiden so nahekommen wie lange nicht mehr. „Sie hat den Sommer ihres Lebens“, konstatiert Anna am Strand, ohne zu ahnen, dass es Maries letzter Sommer sein wird.

Die Gelassenheit der Reisenden erinnert an das US-Road-Movie „Little Miss Sunshine“, von dem sich Baroux inspirieren ließ. Besonders fällt dabei ihr sorgsamer Umgang mit den Hauptfiguren ins Auge, die auf dem von vielen Missverständnissen und kommunikativen Pannen geprägten Trip nach und nach ihre Defizite und Macken offenbaren, ohne je vorgeführt zu werden.

Der in ruhigem Tempo erzählte Film wird von einem spielfreudigen Ensemble getragen, aus dem Hélène Vincent hervorsticht, die das Anliegen ihrer Figur konsequent vorantreibt, aber zugleich den inneren Zwiespalt gegenüber den Angehörigen wunderbar vergegenwärtigt. Auch Juliette Gasquet überzeugt als Enkelin, die mit den Tücken der Pubertät zu kämpfen hat, aber in vielem reifer und lebenstüchtiger wirkt als ihr unzuverlässiger Vater. Pierre Lottin gibt Rudy, der sich als Spross einer Arztfamilie für den Pflegeberuf entschieden hat. Nur David Ayala trägt als Tunichtgut Bruno etwas zu dick auf.

Veröffentlicht auf filmdienst.deBon Voyage - Bis hierher und noch weiterVon: Reinhard Kleber (2.1.2026)
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