Szene aus Der Exorzist
Filmplakat von Der Exorzist

Der Exorzist

122 min | Thriller | FSK 16
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Regan MacNeill, zwölfjährige Tochter der berühmten Filmschauspielerin Chris MacNeill, leidet seit kurzem unter hysterischen, von heftigen Krämpfen begleiteten Wutausbrüchen. Als die versammelte, hochdotierte Ärzteschar Hilflosigkeit demonstriert und die Anfälle eskalieren, sucht Mutter MacNeill die Hilfe katholischer Geistlicher. Zwei herbeieilende Jesuitenpater diagnostizieren teuflische Besessenheit und verschreiben dem Teenager einen klassischen Exorzismus. Der alte Kampf zwischen Gut und Böse entbricht.
  • RegieWilliam Friedkin
  • ProduktionVereinigte Staaten
  • Dauer122 Minuten
  • GenreThriller
  • AltersfreigabeFSK 16
  • IMDb Rating8/10 (337210) Stimmen

Filmkritik

Im Jahre 1949 begegnete der damalige Student William Peter Blatty Zeitungsmeldungen über den Fall eines 14jährigen Jungen aus dem Staate Maryland, der mittels Exorzismus von Besessenheit befreit worden sein soll. Blatty interessierte sich für das Thema und sammelte Material darüber. Jahre später verarbeitete er es zu einem Roman, der in den USA Bestseller-Karriere machte. An Blatty und seinem Buch-Erfolg war freilich so viel spezifisch Amerikanisches, daß in Europa kein auch nur annähernd gleiches Interesse sich einstellte. Das müßte eigentlich auch für die nun von William Friedkin erstellte Verfilmung gelten. Aber die geschickt zu uns verlängerte Publizität um den angeblichen Kino-Schocker läßt erwarten, daß nun mindestens die Nachwehen der Publikums-Reaktionen von "drüben" zu spüren sein werden. - Als einigermaßen amerikanisch muß vorerst die unkritische Mentalität gelten, mit der Blatty - und übrigens auch erstaunlich viele seiner amerikanischen Kritiker - seine Fiktion auf den erwähnten "authentischen" Fall abstützt. Denn es handelt sich beim "Exorzist" unbestrittenermaßen um reine Fiktion. Blatty hat die Berichte aus Maryland nicht etwa einer wissenschaftlichkritischen Prüfung unterzogen, sondern ihnen bloß Material für eine effektvolle Story entnommen. Wie sehr ihm dabei der Sinn nach dem Bestseller stand, kann man schon an den oberflächlichen Veränderungen ablesen, die er in der Konstellation der Personen und Ereignisse vornahm. Statt des Jungen ist es jetzt ein pubertierendes Mädchen, das vom Teufel zu "obszönen" Schaustellungen gezwungen wird. Und Regan ist auch nicht irgendein Mädchen, sondern die Tochter einer Schauspielerin, deren Milieu mehr als beiläufig in die Geschichte miteinbezogen wird. Der Teufel - in dem Blatty allerdings unter Berufung auf die Roman-Fassung nur einen beliebigen Dämon sehen will - muß zuerst von einem geistlichen Archäologen bei Ausgrabungen im nördlichen Irak freigesetzt werden. Das wirkt offenbar "biblischer", jedenfalls geheimnisvoller. Zugleich kommt damit das Motiv der Herausforderung irrealer Mächte durch aufgeklärte Wissenschaft und dasjenige der gestörten Geisterruhe ins Spiel. Den Preis dieser Herausforderung schraubt Blatty dramatisch in die Höhe. Die beiden Jesuitenpatres, die am Exorzismus beteiligt sind, müssen im Kampf mit dem Dämon sterben. Auch von Todesfällen war aber im Falle des Jungen aus Maryland keine Rede. - Außer dem effektvollen Arrangement hat Blatty offenbar auch Gelegenheit gesucht, einiges Persönliche in seiner Geschichte unterzubringen. So hat er selber bei den Jesuiten in Georgetown/Washington studiert und ihnen einige Verehrung bewahrt (für die sie sich mit ihrer Mitwirkung am Film revanchierten). Auf seine nicht allzu erfolgreiche frühere Tätigkeit als Drehbuchschreiber geht die schlechte Meinung über Regisseure - oder über einen bestimmten Regisseur - zurück, die er nun zu Händen des Publikums niedergelegt hat. Und schließlich hat Blatty offen erklärt, der Figur des Pater Karras - des zweiten Exorzisten neben dem Archäologen Merrin - seine eigenen Träume über seine Mutter, mithin also seine ganz private Problematik mitgegeben zu haben. - Daß dieses Konglomerat aus Gelesenem, Arrangiertem und Persönlichem einer konsequent-logischen Aufschlüsselung nicht zugänglich ist, kann kaum überraschen. Es nimmt auch nicht wunder, daß Blatty in nachträglichen Stellungnahmen den Film durch Interpretationen verteidigt, die mit Friedkins Inszenierung nicht übereinstimmen. Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang wiederum bloß, wie ernst Blattys Landsleute - auch Kritiker und kirchliche Kreise - seinen Anspruch genommen haben, theologische Relevanz und bei manchen Zuschauern sogar eine Rückkehr zum Glauben zu erreichen. Dabei stellt Blatty Besessenheit als ausschließlich okkultes Phänomen dar. Böses verkörpert sich nur in der krankhaften Veränderung von Regans Person und den sie begleitenden Vorgängen. Eine erste Vermutung, daß eine Verbindung zwischen der gescheiterten Ehe von Regans Eltern oder den Glaubenszweifeln des Pater Karras und der Besessenheit des Mädchens bestehe, findet bei näherer Prüfung im Film keine Bestätigung. Und die Befreiung der Regan erscheint ebenfalls als magischer Vorgang, bei dem um des dramatischen Effekts willen sogar grobe Widersprüche in Kauf genommen werden. Daß nämlich Pater Karras sich dem Dämon opfern und mit ihm aus dem Fenster stürzen muß, paßt schlecht zum Glauben an den Exorzismus und an die Macht der Anrufung Gottes. Aber Karras verdient sich auf diese Weise die Dankbarkeit des erlösten Mädchens, das nach seiner Genesung (in der Schlußszene) unbewußte Bewunderung für die Männer - die Magier - im weißen Stehkragen verrät. Diese "Aufwertung" des geistlichen Standes ist in unmittelbarem Zusammenhang zu sehen mit einem von Blattys Kunstgriffen, der noch etwas nähere Betrachtung verdient. Er kann nämlich teilweise mindestens Aufschluß geben darüber, wo der Erfolg des "Exorzist" seine Wurzeln hat. Blatty macht sich den Umstand zunutze, daß Zivilisations- und Wissenschaftsoptimismus soweit angenagt sind, daß ein verbreitetes Bedürfnis besteht, die dadurch freigewordene Angst irgendwo binden zu können. Er spitzt daher den Gegensatz zwischen Medizin und Psychiatrie einerseits und Religion andererseits dramatisch zu. Nach dem ersten Auftreten von Besessenheits-Symptomen wird Regan vorerst den Ärzten in Behandlung gegeben. In Nahaufnahmen führt der Film chirurgische Untersuchungen vor, die dem Zuschauer den Magen hochpressen und das arme Mädchen bloß plagen ohne ihm zu helfen. Dann werden die Mediziner ausgiebig der Beschimpfung durch die verzweifelte Mutter ausgesetzt, bis sie bereit sind, klein beizugeben. Damit erst ist der Auftritt der beiden Geistlichen vorbereitet, die, nach gebührender Reverenz vor skeptischen Einwänden in der Person des jüngeren, zum "großen" Exorzismus schreiten. - Vermutlich erklären jene Szenen im Operationssaal, warum gelegentlich Zuschauer den Kinosaal vorzeitig verlassen. Jedenfalls bietet Friedkins Inszenierung sonst kaum etwas, was im Spannungs- und Gruselfilm nicht lange Tradition hätte. Er setzt höchstens Kino-Ungewohnten zu mit wehenden Vorhängen, bedrohlichen Geräuschen, dräuenden Nebeln, halbdunkeln Straßen und Räumen, fahlen Grün- und Blautönen und aus der Untersicht beleuchteten Gesichtern. Den Schock sucht er auch mit harten Schnitten und mit der Montage in grellen Kontrasten. Als der Dämon dann von Regan Besitz ergriffen hat, beginnt ihr Bett zu tanzen, ihr Körper krümmt sich in Anfällen, ihr Gesicht verzerrt sich zur Fratze. Fremde Stimmen sprechen aus ihrem Mund, sie spuckt Obszönitäten und grauen, grünen oder braunen Brei, mißhandelt sich selbst und schlägt auf andere mit übermenschlichen Kräften ein. Kastentüren und Schubladen öffnen sich lärmend, Möbel setzen sich in Bewegung, Gegenstände fliegen durch die Luft, Wände bersten - mit einem Wort: Ein rechter Hexensabbat, bei dem die Illusionstechnik des Gruselfilms ihre Register zieht. Bei alledem spielt die Person der Regan bezeichnenderweise überhaupt keine Rolle; sie bleibt puppenhaft, ein bloßes Objekt der Exhibition. Und Spirituelles kommt natürlich erst recht nirgends ins Spiel. - Ob die Zuschauer, die für dieses Spektakel zur Kasse drängen, sich dennoch von der Demonstration angeblicher Teufelsmacht beeindrucken lassen, wie das in Amerika der Fall sein soll, bleibt abzuwarten. Positives könnte darin so wenig gesehen werden wie in den angeblichen Bekehrungserfolgen, die Blatty für sich buchen will. Der Oberflächlichkeit dieser Darstellung des Bösen - die in ihrer Anleitung zur Projektion zudem nicht unbedenklich ist - kann man im Grunde nur das befreiende Lachen wünschen, das im Kino angesichts der gehäuften Gruseleffekte gelegentlich zu hören ist. (Siehe auch (fd 18), Seite 1.)

Erschienen auf filmdienst.deDer ExorzistVon: Edgar Wettstein (31.1.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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