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Die Dinge des Lebens

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Der Architekt Pierre Bérard (Michel Piccoli) weiß nicht so recht, wohin er sein Leben lenken soll. Darunter leidet seine jetzige Partnerin Hélène (Romy Schneider), die gerne gemeinsam mit Pierre eine ruhige Zeit in Tunis verbringen möchte. Aber der Architekt kann sich zu dem Schritt nicht durchringen, der seine Beziehung mit Hélène festigen würde. Stattdessen nimmt er einen Urlaub mit seinem Sohn auf der Insel Île de Ré in Angriff. Je mehr Zeit ihm zum Nachdenken bleibt, desto mehr entfernt er sich emotional von Hélène. Will er wirklich seine Zukunft mit der jungen Frau verbringen? Schließlich trifft Pierre eine Entscheidung, die er Hélène in einem Brief mitteilen will. Beim Versuch, diesen mit seinem Auto auszuliefern, kommt es zu einem folgenschweren Ereignis, das alles ändert, was bis dahin geschehen ist.

Woran denkt, woran erinnert sich der Mensch in den Sekunden, Minuten, Stunden des Sterbens? Was ist bedeutsam aus der Sicht des Todes? Taten der Größe, historische Augenblicke? Wohl kaum. Denn den Alltag des Menschen (nicht nur des Durchschnittsmenschen) bestimmen nun einmal Kleinigkeiten, Banalitäten; ein versäumtes Wort, ein unausgesprochenes Gefühl, eine unbeachtete Geste. Eine Wahrheit, so banal wie das Leben selbst. Claude Sautet packt sie für seinen Film in den Ablauf eines Verkehrsunfalls, wie er sich täglich auf den Straßen der Welt ereignet. Ein Mann kann vor einem plötzlich auftauchenden Hindernis nicht mehr bremsen, stürzt mit dem Wagen über die Böschung, stirbt an den Verletzungen. Der Mann ist ein erfolgreicher Architekt, der Frau und Sohn verlassen hat, um mit seiner Geliebten zu leben, ohne sich aber von ersteren ganz zu distanzieren und ohne die Heiratswünsche der letzteren zu erfüllen. Als er eine gemeinsame berufliche Übersiedlung wieder einmal hinausschiebt, um mit seiner Familie ein paar Ferientage zu verleben, kommt es zu einer Auseinandersetzung mit der Geliebten. Abrupt tritt er eine Reise an. Unterwegs schreibt er einen Abschiedsbrief an die Geliebte, den er aber nicht aufgibt. Auf der Weiterfahrt überlegt er es sich, ruft sie an und bittet sie per Auftragsdienst, nachzukommen. Dann passiert der Unfall. - Der Unfall zieht sich wie ein Leitmotiv durch den ganzen Film. Zuerst nur bruchstückhaft angedeutet, wird er immer ausführlicher dargestellt, einmal in Zeitlupe, dann wieder in Zeitraffer. Und dazwischen die Erinnerungen an die letzten beiden Tage, an das, was Versäumnis oder Erfüllung ausmacht. Ganz zuletzt erst der realistische vollständige Ablauf, die Bruchstücke nun gleichsam zum Ganzen zusammenfassend. In manchem erinnert Sautets Stil an Lelouchs Kunstgewerblerei, vor allem in einer optischfarblichen Ästhetik schöner Bilder, aber auch in einer gewissen sozialen Unglaubwürdigkeit: es muß eben ein Architekt, ein freiberuflicher Erfolgsmensch sein, kein Buchhalter oder Vertreter (was dem Konzept weit besser entsprochen hätte). Aber Sautets Stil ist doch härter, näher an der Wirklichkeit. Ausgezeichnet gelang ihm die Komposition, die Führung der Schauspieler und das ins Spiel bringen der Accessoirs, die ähnlich wie in der Mode das Bild erst abrunden. Geglückt ist auch der Schluß, der Endgültigkeit mit Unvollendetsein verbindet: jede der beiden Frauen kann sich mit dem Gedanken trösten, der Tote habe sich zuletzt für sie entschieden. Die Ehefrau findet den Abschiedsbrief an die Geliebte, diese wiederum weiß allein von dem letzten Anruf - freilich nicht von Pierres Entschluß, sie zu heiraten. Sautet verstand es, in seine Kameraführung die Perspektive des jeweils Subjektiven hineinzulegen, und fand in Michel Piccoli und Romy Schneider differenzierende Interpreten seiner Absichten. Ein Film, der ein wenig Nachdenklichkeit mit gepflegter, nicht allzu engagierter Unterhaltung verbindet.

Veröffentlicht auf filmdienst.deDie Dinge des LebensVon: e. h. (27.12.2025)
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