Szene aus Die Verachtung
Filmplakat von Die Verachtung

Die Verachtung

95 min | Drama | FSK 6
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Unter der Aufsicht des Produzenten Prokosch arbeitet der deutsche Regisseur Fritz Lang auf Capri an einer Verfilmung von Homers "Die Odyssee". Die künstlerischen Ansichten der beiden Männer über den Film gehen weit auseinander: Während der Regisseur eine künstlerische Adaption des Homer-Klassikers drehen will, geht es dem Produzenten nur um die unterhalterischen Qualitäten der Story. Zeitgleich kommt es zu einem Ehestreit des Drehbuchautors: Seine Frau denkt, er wolle sie an den Produzenten abtreten, um die eigene Position zu sichern.
  • RegieJean-Luc Godard
  • ProduktionFrankreich, Italien
  • Dauer95 Minuten
  • GenreDrama
  • AltersfreigabeFSK 6
  • IMDb Rating7.6/10 (25455) Stimmen

Filmkritik

Alles, was an diesem Film Godards gut ist, hat er Moravia zu verdanken, alles, was an ihm schlecht ist, Godard. Es ist in den wenigen Tagen seit seiner Erstaufführung mit deutscher Gründlichkeit unendlich viel in den Film hineininterpretiert worden. Dabei steckt in ihm entschieden weniger als in Moravias hervorragender Geschichte. Allenfalls lassen die Veränderungen gegenüber dem Roman Rückschlüsse auf die Persönlichkeit Godards zu; aber das wiederum ist für das Publikum eine zweitrangige Angelegenheit. Film und Roman leben von der Parallelität zweier Ebenen: Ein junger Autor soll für einen amerikanischen Produzenten das Drehbuch zu einem "Odysseus"-Film umschreiben. Darüber kommt es zu erregten Diskussionen: Penelope habe Odysseus verachtet, weil dieser die Freier, die sein Haus umlagern, nicht getötet hat. Odysseus habe daraufhin seine Heimkehr aus Troja absichtlich hinausgezögert. Gleiches vollzieht sich in der privaten Sphäre: Der Autor hält seiner Frau die Annäherungen des Produzenten nicht vom Leibe; sie verachtet ihn; er rafft sich nur zu einer ausweichenden Lösung auf, indem er den Drehbuchauftrag unter fadenscheinigem Vorwand zurückgibt; seine Frau und der Produzent kommen bei einem Autounfall ums Leben.

Bezeichnend dafür, wie sehr Godard die Geschichte Moravias umgekrempelt hat, ist der Austausch der Meinungen. Nicht mehr der alte Regisseur, sondern der Autor vertritt im Film die absurde Homer-Interpretation. Aus Moravias reflektivem Helden ist nach Godards eigenem Eingeständnis ein "Schwächling" geworden. Damit ist die Abwendung von Moravias introvertiertem Stil besiegelt. Es wundert nicht mehr, daß alle jene Szenen, die im Buch den Konflikt zwischen Mann und Frau vorantreiben, im Film gestelzt und unerfüllt wirken, ja daß der plötzliche Verlust der Liebe gar nicht mehr als Kernthema erscheint. Godard hat eine dritte Ebene hinzugefügt, an der Filmenthusiasten nach Herzenslust herumbosseln können. Unter der Hand nämlich schmuggelt er sich selbst in den Film ein. Aus der Geschichte einer zerstörten Liebe wurde die Geschichte eines Films oder auch eine kleine Filmgeschichte aus dem Blickwinkel Godards. Das nimmt sich selbst bald ernst, bald heiter, ist gelegentlich treffend (besonders was den Produzenten Prokosh angeht), gelegentlich banal. Natürlich mußte Fritz Lang her, natürlich die Verneigung vor Howard Hawks, der Hohn auf Dean Martin und das nur für Eingeweihte identifizierbare Telefonat mit einem gewissen Levine, niemand anderem als dem Herrn, dem der Film so viele BB-Popos verdankt. Weder durch die aufgezwungenen Bettszenen, die Godard erst nachträglich in den Film eingefügt hat, noch durch die selbstgefällige Umdichtung der Story hat der Stoff gewonnen. Im Gegenteil.

Auch formal ist mit "Die Verachtung" nicht viel los. Godard zelebriert mehr, als daß er psychologisch überzeugen könnte, er mokiert sich mehr, als daß er nachdenkt. Dabei dickt er seine dreideutige Geschichte mit einer gefühlsbetonten Musik ein, die aus dem schlechtesten Cocteau-Film bezogen sein könnte. Seine Anhänger werden die Schwächen als "Ironie" verstehen, das Publikum aber, an dem Godard seinen Film konsequent vorbeigedreht hat, wird ratlos bleiben. Was mit dem Film erreicht werden kann, ist zweierlei: Neugier zu wecken auf einen Band pompejanischer Liebesszenen, der reichlich oft aufgeblättert wird, oder auf Moravias Buch. Wenn letzteres der Fall sein sollte, so könnte der Film immerhin für etwas nützlich sein.

Erschienen auf filmdienst.deDie VerachtungVon: Ev. (31.1.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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