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Dreamers

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Nachdem sie zwei Jahre illegal im Vereinigten Königreich gelebt hat, wird Isio in das Hatchworth Removal Centre eingewiesen. Ihre Hoffnung: dass ihr Asylantrag schnell bearbeitet wird und sie ihr altes Leben wiederaufnehmen kann. Ihre Zimmergenossin Farah hat hingegen weniger Vertrauen ins System und schmiedet mit ihren Freundinnen bereits einen Fluchtplan. Zeit vergeht und im täglichen Chaos des Zentrums finden die beiden Frauen zueinander. Ein kleines Stück Glück wird immer größer, Hoffnung keimt. Doch dann wird Farahs Asylantrag abgelehnt.
In ihrem Spielfilmdebüt rückt die in Nigeria geborene britische Regisseurin, Autorin und Produzentin Joy Gharoro-Akpojotor das Schicksal zweier Frauen in den Fokus, die in ihrer Liebe zueinander der kalten Maschinerie des Einwanderungssystems trotzen. „Dreamers“ verschafft einen komplexen und seltenen Blick in das innere System eines Abschiebezentrums und stellt dem den unerschütterlichen Lebensmut und die rebellische Kraft der Insassinnen gegenüber. Sie kämpfen für ein besseres Leben, für Sicherheit und für einander. Immer im festen Glauben an die Freiheit und die Liebe.

Die verschreckte Isio (Ronke Adekoluejo) klammert sich an ihr letztes Hab und Gut, während sie durch einen kargen Gang geführt wird. Nachdem die aus Nigeria geflohene junge Frau eine Weile illegal in England gelebt hat, ist sie in einem klaustrophobischen Abschiebegefängnis gelandet. Insassinnen versichern ihr, dass sie sich nach ein paar Tagen an die garstige Umgebung gewöhnen werde. Sie warnen sie zugleich vor vermeintlich netten Wärtern, die die Gefangenen nur überwachen wollen. An diesem trostlosen, entwürdigenden Ort ist Isio zum Nichtstun verdammt. Doch einen Rest Hoffnung gibt es: Die Aussicht darauf, dass ihr Asylgesuch irgendwann bewilligt wird und ein Leben in Freiheit möglich ist.

Eine zermürbende Situation

Zunächst wirkt der raue Gefängnisalltag in dem Drama von Joy Gharoro-Akpojotor ein wenig stereotyp. Von Mitgefangenen wird Isio wegen ihrer kurz geschorenen Haare, die sie lediglich zu offiziellen Anlässen unter einer Perücke versteckt, als Mannweib verspottet. Grimmig dreinschauende Mitglieder einer Drogengang klauen ihr überdies Geld. Zugleich lernt die hilflose Protagonistin aber auch drei Frauen kennen, die dasselbe Schicksal teilen und sie mit offenen Armen in ihren Kreis aufnehmen. Selbst die notorisch schlecht gelaunte Nana (Diana Yekinni), die angeblich niemanden mag, lässt in ihrer demonstrativen Ablehnung eine gewisse Wärme durchschimmern.

„Dreamers“ schenkt seine Aufmerksamkeit ganz den geflüchteten Frauen und ihrer zermürbend unbestimmten Situation. Die Wärter werden weitergehend ausgeblendet, die Außenwelt ohnehin; auch das mitunter entmenschlichende Asylsystem wird nur indirekt behandelt. Selbst bei der Befragung vor Gericht ist Isio lediglich in einer statischen Einstellung zu sehen, in der sie, eine lesbische Frau, unter Tränen von ihrer Flucht aus dem zutiefst homophoben Land erzählt sowie von den Misshandlungen, die sie dort erleiden musste.

Trotz der ausweglosen Situation betont die Inszenierung vor allem die Stärke und Hoffnung, die den Frauen bleibt. Besonders wenn Isio gemeinsam mit ihren Leidensgenossinnen kocht, herrscht eine ausgelassene Stimmung. Zum essenziellen Lebenselixier wird jedoch die Liebe. Die scheue Freundschaft zur Zimmergenossin Farah (Ann Akinjirin) dient Isio als Stütze und hilft ihr, sich zögerlich zu öffnen.

Momente kostbarer Intimität

„Dreamers“ beweist ein gutes Gespür für die kostbare Intimität, die während dieser neugierig-unsicheren Annäherungen entsteht. Eng aneinandergerückt, schlafen die Frauen im selben Bett und genügen einander durch ihre bloße Anwesenheit. Nur langsam kommen sich die beiden auch körperlich näher, weil Isio in ihrer Heimat mehrfach vergewaltigt wurde. Blutrot gefärbte Albtraumbilder suchen sie nachts heim, in denen sie von einem maskierten Wesen bedrängt wird, das wohl sinnbildlich für ihre traumatische Vergangenheit steht.

Die Beziehung zwischen den Frauen ist schon wegen ihres unterschiedlichen Aufenthaltsstatus fragil. Als Farah in einer Nacht-und-Nebel-Aktion abgeschoben wird, bleibt Isio völlig aufgelöst zurück. Die Konflikte wirken gelegentlich etwas holzschnittartig und vorhersehbar. Auch als die Frauen gegen Ende ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen wollen und einen Ausbruch planen, wirkt ihre Strategie zu einfach gestrickt.

Interessant an „Dreamers“ bleibt allerdings das Spannungsverhältnis zwischen innerer und äußerer Entwicklung. Denn je hoffnungsloser die Situation wird, desto optimistischer und kämpferischer gibt sich Isio. Von den Rückschlägen will sie sich nicht brechen lassen, und ihre Liebe zu Farah macht sie in deren Abwesenheit nur stärker. Visuell hebt der Film das hervor, indem das anfänglich fast quadratische und dementsprechend beklemmende Bildformat kontinuierlich und fast unmerklich breiter wird. Isio bleibt eingesperrt und erkämpft sich doch ihre persönliche Freiheit. Und nicht nur das: In den blutroten Traumbildern löst sie sich auch aus dem Klammergriff der personifizierten Angst und beginnt mit ihr zu tanzen.

Veröffentlicht auf filmdienst.deDreamersVon: Michael Kienzl (8.12.2025)
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