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Filmkritik
Der italienische Regisseur Paolo Genovese dreht Filme mit Titeln wie „Supereroi“, „Tutta colpa di Freud“, „Il primo giorno della mia vita“, von denen es viele in Deutschland nicht auf die Kinoleinwand geschafft haben. Genovese setzt sich in leichtfüßiger und manchmal auch verspielter Weise mit menschlichen Verhaltensweisen und Beziehungen auseinander. So beschließen in „Perfetti Sconosciuti“ (2016) sieben miteinander befreundete Personen, die während eines gemeinsamen Abendessens erhaltenen Textnachrichten, E-Mails und Anrufe in der Runde offenzulegen. Das ist eine Gaudi, aber nicht ohne tieferen Sinn. Versetzt man sich in die Positionen der einzelnen Figuren, entpuppen sich die Situationen bisweilen als ziemlich unangenehm.
„Perfetti Sconosciuti“ war in Italien ein Hit und trat – oft in Form von Remakes – eine Reise rund um die Welt an. Die deutsche Neuverfilmung „Das perfekte Geheimnis“ (2019) entstand unter der Regie von Bora Dagtekin und zählte auch hier zu den erfolgreicheren Kinostarts des Jahres.
Zu dir oder mir?
In Weiterentwicklung oder Umkehrung der Ausgangslage von „Perfetti Sconosciuti“ hat Genovese jetzt „Du & Ich und alle reden mit“ gedreht; im Original heißt der Film simpel „FolleMente“, was wörtlich übersetzt „Wahnsinnig“ heißt und die Handlung ziemlich präzise beschreibt. Hier treffen sich keine Freunde zu einem Abendessen, sondern eine Frau und ein Mann, die einander noch fremd sind. Lara (Pilar Fogliati) ist Mitte dreißig und von Beruf Möbelrestauratorin; Piero (Edoardo Leo) ist Gymnasiallehrer und einige Jahre älter als sie. Lara hat sich vor einigen Wochen von ihrem Liebhaber getrennt. Piero ist geschieden und teilt sich mit seiner Exfrau das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter.
Lara und Piero haben sich vor Kurzem kennengelernt und sich für ein erstes Date verabredet. Anders als bei einem ersten Treffen üblich, hat Lara Piero zu sich nach Hause eingeladen. Und so setzt der Film ein mit einem attraktiven vierzigjährigen Mann, der an einem lauen Sommerabend mit einem Strauß Blumen und einem Dessertkarton durch die Gassen von Rom geht, und mit einer nicht weniger attraktiven Frau, die ihre Wohnung für den Gast herrichtet, während im Backofen die Lasagne gart. Auf dem Weg zu Lara kreisen Pieros Gedanken um die Frage, ob man zu einem ersten Date Kondome mitnehmen soll oder nicht. Lara steht in ihrem Schlafzimmer vor dem Schrank, schlüpft in ein Kleidungsstück nach dem anderen und kann sich nicht entscheiden, welches davon für dieses erste Treffen passend ist, von dem sie nicht weiß, was sie sich davon verspricht.
Vier Freunde & vier Freundinnen
Laras und Pieros Gedanken spielen vorerst als innere Stimmen auf der Tonspur ins Geschehen hinein. Bald aber manifestieren sie sich auch bildlich in Form von Personen. Das wirkt etwas verwirrend, weil der Film den Übergang nicht markiert. Im Fall von Piero ist man versucht zu glauben, dass er vor dem Kondom-Automat einer Apotheke mit vier Freunden per Handy die Kondom-Frage diskutiert. Und bei Lara ist man nicht sicher, ob sie mit vier Frauen in einer WG lebt, die sie vorübergehend aus Wohnzimmer, Küche und ihrem Schlafzimmer ausgeschlossen hat. Die Sachlage klärt sich erst im Verlauf des Films.
Ohne diese acht Personen, die sich ab und zu lauthals ins Geschehen einmischen, wäre „Du & Ich und alle reden mit“ eine harmlose romantische Komödie über ein Kennenlernen. Man erkundigt sich gegenseitig nach Beruf, Hobbys, Vorlieben, bisherigem Liebesleben und aktuellem Beziehungsstand. Zwei-, dreimal wird das Tête-à-Tête durch Anrufe seiner Tochter oder SMS-Nachrichten seiner Frau unterbrochen; einmal steht Laras Ex-Lover überraschend vor der Tür. Man ist sich sympathisch, kabbelt sich ein bisschen und kommt sich zunehmend näher. Noch zögern sie, machen zwei Schritte nach vorn, einen zurück, landen schließlich aber doch zusammen im Bett.
Pilar Fogliati und Edoardo Leo beherrschen die Schauspielkunst und lassen Lara und Piero trotz etwas kauzigen Eigenschaften sympathisch erscheinen. Man schaut ihnen gerne zu, ohne dass es einen dabei vom Hocker reißt. Etwas Schwung in den Film bringen die acht sich mal zweifelnd, mal hoffend, mal verdrossen oder entschlossen, ängstlich oder befeuernd ins Geschehen einmischenden Berater und Beraterinnen, die unterschiedliche Charaktereigenschaften der beiden Protagonisten verkörpern. Bei Lara stehen sie für Romantik, Erotik, Rebellion und Vernunft, bei Piero für Sensibilität, (erotischen) Charme, Gelassenheit und ebenfalls Vernunft.
It’s a match
Die vier Frauen und Männer passen gut zusammen – und das tun auch die Protagonisten, wie sich im Verlauf der verhalten-ironischen, zeitweise auch köstlich romantischen Komödie herausstellt. It’s a match! Alles passt gut zusammen. Dass es darin zwischendurch recht chaotisch zugeht und in Laras Wohnung zehn statt nur zwei Personen zugange sind, verdankt der Film einem unerwarteten Twist. Unterhaltsam ist „Du & Ich und alle reden mit“ zweifelsohne – und die Sexszene eine der lustigsten der vergangenen Jahre. Ganz großes Kino aber ist „Du & Ich und alle reden mit“ nicht.
