Szene aus Eine Deutsche Partei
Filmplakat von Eine Deutsche Partei

Eine Deutsche Partei

110 min | Dokumentarfilm | FSK 12
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Szene 3 aus Eine Deutsche Partei
Der Kino-Dokumentarfilm zeigt Innenansichten der Partei „Alternative für Deutschland“. Er taucht ein in das Arbeitsleben der Politiker und Funktionäre der Partei. Das Publikum ist mitten im politischen Geschehen und erlebt die Richtungskämpfe in der Partei, das Aufbegehren ihrer Anhänger gegen ein “dekadentes Establishment”. Es erlebt die Eigendynamiken der AfD, ihre Ressentiments, Ideenwelten und Selbstinszenierungen. Der fortgesetzte Rechtsdrift der in Teilen vom Verfassungsschutz beobachteten Partei erweist sich als ebenso real wie die Träume von Regierungsbeteiligung und Koalitionsfähigkeit. Demagogen und Taktierer begegnen gekränkten Konservativen, Gegnern des Zeitgeistes und politischen Anfängern auf der Suche nach dem ganz Anderen. Ein Blick aus nächster Nähe hinter die Kulissen, ein Einblick in die Alltagswelt dieser deutschen Partei.
  • RegieSimon Brückner
  • Dauer110 Minuten
  • GenreDokumentarfilm
  • AltersfreigabeFSK 12
  • TMDb Rating10/10 (1) Stimmen

Filmkritik

Noch vor dem Vorspann beginnt bei einer AfD-Parteiversammlung eine Diskussion darüber, ob die Kamera weiterlaufen dürfe. Die Szene erinnert daran, dass alles, was in „Eine deutsche Partei“ zu sehen und zu hören ist, mit dem Einverständnis der dargestellten Personen entstand. Dabei geht es weniger um die Parteiprominenz, also um bekannte Gesichter. Im Mittelpunkt steht vielmehr die Basis: Mitglieder der „Jungen Alternative“ (JA), außerdem regionale Parteibüros und Fraktionen, in denen erkennbar Richtungsstreits toben.

Das wird gleich zu Beginn sichtbar, wenn im AfD-Fraktionsbüro des Berliner Senats ein Antrag besprochen wird. Darin wird gefordert, dass in jedem Klassenzimmer das Grundgesetz und die Bundesflagge vorhanden sein sollen. Der Vorschlag entfacht eine Diskussion über die Gültigkeit des Grundgesetzes, die erst abebbt, als klar wird, dass es sich um einen „Schaufensterantrag“ handelt, der ohnehin abgelehnt wird und lediglich den einen Zweck verfolgt: die Aufmerksamkeit genau derer zu erregen, die man in der Öffentlichkeit so gern bekämpft, nämlich die Medien. Ließe sich nach der provozierten Ablehnung des Antrags doch publizieren, dass die „Altparteien“, wie die AfD alle anderen politischen Gruppierungen zu nennen pflegt, gegen das Grundgesetz seien.

Provokation & Aufmerksamkeit

Provokation und Aufmerksamkeit bedeuten in dieser Welt beinahe alles, besonders im Osten Deutschlands. Mit „Schnedderedeng“ und aufgedrehtem Lautsprecher wird kurz darauf der „Rote Adler“ angestimmt, die historisch dubiose inoffizielle Landeshymne von Brandenburg, mit der eine ganze Wagenladung JA-Mitglieder in Zehdenick landet, einer Kleinstadt im Berliner Umland, wo zur Einstimmung der schütter gefüllte Marktplatz mit Deutsch-Rap beschallt wird. Dort hat sich Andreas Kalbitz angesagt, der damalige Fraktionsvorsitzende der AfD im brandenburgischen Landtag und als Landesvorsitzender Angehöriger des sogenannten „Flügels“ um Björn Höcke.

In der nächsten Episode geht es dann konkreter um die Richtungskämpfe innerhalb der Partei. Ein Angehöriger der „gemäßigten“ Linie unterliegt in der Abstimmung beim Bundesparteitag 2019 gegen ein Mitglied des „Flügels“.

Die Bilder aus 2020 und 2021 sind von internen Auseinandersetzungen geprägt, aber auch von den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Insgesamt verschärft sich der Ton der AfD, auch unter den Mitgliedern. Der Riss, der sich durch die Partei zieht, lässt sich nicht mehr verdrängen. Gemäßigte Ansichten werden zurückgedrängt; eine fortschreitende Radikalisierung greift um sich, die mitunter in Zerstörungsdrang mündet und sich nicht nur gegen den Staat, sondern mitunter auch gegen die eigenen Strukturen richtet – bis hin zur Selbstzerstörung der Partei von innen.

Sechs durchnummerierte Kapitel

„Eine deutsche Partei“ ist ein schwieriger Film, der zum Diskurs anregt, aber auch ratlos macht. Das gilt sowohl für die Form als auch für den Inhalt. Aus 500 Stunden Filmmaterial kompilierte Simon Brückner einen rein beobachtenden Dokumentarfilm, ohne Kommentare, Interviews oder erklärende Inserts. Nicht einmal Namen werden eingeblendet. Das gehört zum Konzept, denn die Botschaft des Films ist klar: Hier geht es nicht um einzelne Menschen, um Persönlichkeiten oder Einzelschicksale; es geht vielmehr um Stimmungen und Innenansichten.

Brückner teilt den chronologisch gegliederten Film in sechs Kapitel, die nummerisch von 1 bis 6 durchgezählt werden, ohne weitere Hinweise oder Erklärungen. Nicht immer erschließt sich jedoch die Bedeutung dieser Kapitel. Es könnte sich um die Bekanntschaft mit verschiedenen, nicht benannten Personen handeln, die kapitelweise in den Fokus rücken, oder um bestimmte Zeitabschnitte; es könnte aber auch um verschiedene parteirelevante Themen gehen, die in mehreren kurzen Episoden angesprochen werden, wie etwa im ersten Kapitel das Thema „Unterschiedliche Gruppierungen in Berlin und Brandenburg“, im zweiten der Umgang der AfD mit aktuellen politischen Themen wie Umweltschutz oder das Verhältnis zur EU.

Das eigentliche Problem des Films aber besteht gerade darin, dass Brückner sich für einen rein beobachtenden Dokumentarfilm entschieden hat und nicht für einen investigativen Enthüllungsfilm; die Verdichtung von 500 Stunden Material stellt allerdings unweigerlich eine Wertung dar, die eine Richtung vorgibt. Zumindest ist das zu erwarten.

Potenzielle Flüchtlinge in der Ferne

Der Beginn, die Diskussion um die laufende Kamera, führt dabei auf eine falsche Fährte, denn diese Szenen sind so trivial wie ungewollt komisch, dass sie eher der Erwartungshaltung eines Publikums entsprechen, das auf Aufklärung oder Sensationen hofft. Im Intro wird hart am Rande des Klamauks darüber verhandelt, ob das, was gerade gesprochen wird, überhaupt noch relevant ist, wenn der Film fertig ist. Tatsächlich aber zeigt Brückner nur wenige Situationen, die eine solche Interpretation zulassen. Das gilt für die Begegnung von AfD-Mitgliedern mit Flutopfern, bei der sie einen Scheck nicht loswerden, aber auch für eine Reise nach Rumänien, mit Szenen, die sich als Bloßstellung interpretieren lassen, etwa wenn in der Ferne mögliche Flüchtlinge gesichtet werden, was sofort für Verwirrung und Ängste sorgt.

Der Film bleibt indes durchgängig unaufgeregt, er serviert keine Sensationen, wenngleich er dennoch etwas Beängstigendes hat. Das erwächst zum großen Teil aus den Mitwirkenden, beinahe ausschließlich Männer, meist viele enttäuschte Konservative, unter die sich ein paar gewiefte Polit-Profis mischen sowie wachsend mehr radikale Demokratiegegner mit rassistischen Ansichten. Auch lässt sich eine Kluft zwischen Ost und West erkennen, bei der die Unkenntnis und das Desinteresse für politische Zusammenhänge im Osten auffallen. Hier sammeln sich die Abgehängten und Zukurzgekommenen.

Der Westen hingegen scheint den intellektuellen Überbau zu liefern, wozu einige prominente AfD-Vertreter zählen, die sich in den neuen Bundesländern engagieren und als „Ossis“ gelten, etwa Andreas Kalbitz und Björn Höcke. Während sich zwischen 2019 und 2021 immer mehr „gemäßigte“ AfD-Anhänger verabschieden, wächst der Anteil an Menschen, die sich in ihrer generalisierten Ablehnung von allem, insbesondere von staatlichen Strukturen, radikalisieren.

Wohin steuert die AfD?

Brückner zeigt diese Entwicklung konzeptionsbedingt nur indirekt und unkonkret. Ein solcher Ansatz macht den Film als Experiment sehenswert, aber auch schwer zugänglich und in seiner Aussage diffus. Es gibt keine klare Stellungnahme; „Eine deutsche Partei“ dient bestenfalls als Diskussionsgrundlage. Das ist interessant, aber ungewöhnlich. Was die AfD als Partei betrifft, stellt sich die Frage, was wohl eher eintritt: die Selbstzerstörung oder die endgültige Abkehr von demokratischen Werten.

Erschienen auf filmdienst.deEine Deutsche ParteiVon: Gaby Sikorski (9.2.2023)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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