Szene aus Gernstls Reisen - Auf der Suche nach Irgendwas
Filmplakat von Gernstls Reisen - Auf der Suche nach Irgendwas

Gernstls Reisen - Auf der Suche nach Irgendwas

92 min | Dokumentarfilm | FSK 0
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Franz Gernstl, begleitet von seinen Freunden HP Fischer und Stefan Ravsz, reist erneut rund um die Welt. Der Lauf der Dinge bestimmt, wem sie begegnen werden. Sie hören von verschiedenen Menschen, was sie glücklich macht und was für sie einen Lebenssinn ausmacht.

Filmkritik

„Das Glück zu suchen, das ist nicht die Erfüllung.“ Davon ist der weitgereiste Reporter Franz Xaver Gernstl mittlerweile überzeugt. „Die Erfüllung ist eher, dass Du lernt, mit den Dingen, die Dir so im Leben entgegenkommen, oder mit dem Leben einfach zurechtzukommen. Das so akzeptieren, wie's ist! Und dann kannst was machen damit!“ Der Filmemacher Gernstl formuliert damit nicht nur sein persönliches Glücksrezept, sondern zugleich auch seine Arbeitsweise: Drauflosfahren und schauen, was oder wer einem da links und rechts des Weges „entgegenkommt“. Und dann „was machen“ damit.

Seit 40 Jahren ist der bayerische Dokumentarfilmer Franz Xaver Gernstl auf diese Weise unterwegs, noch immer mit den Mitstreitern der ersten Stunde, dem Kameramann Hans Peter Fischer und dem Tonmann Stefan Ravasz. „Gernstl“ ist dabei längst zu seiner Marke geworden. Die drei haben unzählige Reportagen für Sendungen wie „Gernstl unterwegs“, „Gernstl in den Alpen“ oder „Gernstls Zeitreisen“ gedreht, die zumeist im Bayerischen Fernsehen ausgestrahlt wurden. Darin geht es stets darum, normale Menschen, deren Leben(sweisheiten) und Schicksale kennenzulernen, und zwar zufällig, ohne Absprachen, komplizierte Fragen oder Ansehen von Status und Ähnlichem.

Ein freundlich-erstauntes „Aha“

Gernstl kann zuhören. Er lässt die Leute reden, schafft entspannte Gesprächssituationen, fragt auch mal unverblümt nach. Letzteres scheint ihm kaum jemand übel zu nehmen. Im Gegenteil: Die Menschen freuen sich offensichtlich, von sich und ihrem Leben erzählen zu können.

Eine typische Gernstl-Reaktion auf ihre Einlassungen ist dabei ein mit leichtem bayerischem Einschlag gesprochenes, freundlich-erstaunt-neugieriges „Aha“. So vieles steckt in diesem kurzen Laut: Große Offenheit, echtes Interesse am Gegenüber, das ernsthafte Sich-Einlassen auf Menschen und Situationen.

Bei den Reisen der drei gemeinsam älter gewordenen Filmemacher geht es mit ihrem roten VW-Bus mal einen Breitengrad entlang, mal in eine bestimmte Region. Doch das Grundprinzip ist stets dasselbe: Alles dreht sich um menschliche Begegnungen aller Art.

Konkurrenten um dieselbe Frau

Einen ersten Kinofilm gab es schon vor 20 Jahren: „Gernstls Reisen – Auf der Suche nach dem Glück“. Nun kommt ein weiterer abendfüllender Film mit Material aus vier Jahrzehnten in die Kinos. Buch und Regie verantworteten diesmal Gernstl und sein Sohn Jonas gemeinsam. Es ist eine teils sehr persönliche Reise geworden. Man erfährt von den Anfängen Ende der 1970er-Jahre, hingetupft mit Hilfe von Fotos und zarten Illustrationen. Dass sich Gernstl und sein Kompagnon Fischer als Rivalen um dieselbe Frau kennenlernten, die schließlich beide verließ. Von einem gemeinsamen Roadtrip durch die USA, auf dem sie viel fotografierten und erste Ideen für den Job entwickelten. Und auch, dass Gernstl seine Eltern überreden konnte, eine Hypothek auf ihr Haus aufzunehmen, um sich ein Auto sowie Film- und Tonbandgeräte zu kaufen.

Dazu kommen Passagen, in denen sich Vater und Sohn Gernstl über Höhen und Tiefen, Erkenntnisse und Erfolgsrezepte austauschen; außerdem natürlich Gespräche und Interviews mit Fischer und Ravasz. Das Herzstück des Films aber bildet das herrliche Archivmaterial, das immer auch Milieu- und Zeitstudie ist. Besonders fesselnd sind Aufnahmen von 1990 aus Ostdeutschland kurz nach der Wende.

Von den 1980er-Jahren bis heute

Man lernt in „Gernstls Reisen – Auf der Suche nach irgendwas“ unzählige interessante, kluge, anrührende, mutige, inspirierende Menschen kennen, wobei die Begegnungen von den 1980er-Jahren bis in die Gegenwart reichen. Einige von ihnen trifft Gernstl 20 oder 30 Jahre später wieder. Etwa Govinda, den die Filmemacher Anfang der 1980er-Jahre in einem Sannyasin-Ashram im Hessischen kennenlernten. Der aufgeweckte achtjährige Junge setzte damals durch, drei Tage mit den Fernsehleuten mitreisen zu dürfen, da er ebenfalls Reporter werden wollte. Als 38-jähriger Mann wirkt er heute vom Leben gezeichnet und scheint sein einstiges Selbstbewusstsein ein Stück weit eingebüßt zu haben. Auch einen Vater und seinen behinderten Sohn sucht Gernstl im nordrhein-westfälischen Bergneustadt nach Jahrzehnten wieder auf; die Beziehung zwischen den beiden ist noch immer eng.

Der mit einem klugen Off-Kommentar versehene und durch die Musik des Multi-Instrumentalisten René Aubry stimmig akzentuierte Jubiläumsfilm ist eine runde Angelegenheit. Eine ausgewogene Mischung aus Nostalgie und Pragmatismus, Rückblick und Gegenwartsbezug, aber zugleich lakonisch und selbstironisch genug, um nicht in eine Jubelshow abzugleiten. Mit maßvollen Blicken hinter die Kulissen; eine gewisse Magie dieser zärtlich-besonderen Menschen-Erkundungen will schließlich gewahrt bleiben.

Staunen über sich und die Welt

Die universal gültigen Lebensgeschichten erweisen sich dabei immer wieder als überraschend fesselnd, unterhaltsam, skurril, spannend und weise. Auch Gernstl scheint das Staunen über das menschliche Wesen in all den Jahren nicht verloren zu haben. Vielleicht ist es ja auch nur das Staunen über das eigene Glück, dass er sich einst einen so schönen, erfolgreichen und langlebigen Job ausgedacht hat.

Erschienen auf filmdienst.deGernstls Reisen - Auf der Suche nach IrgendwasVon: Katharina Zeckau (29.1.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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