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Jeder stirbt für sich allein

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Im Berlin des Jahres 1940 lebt ein ganzes Land in einem Haus: Die Bewohner in der Jablonskistraße 55 bilden einen Querschnitt der Bevölkerung: Ein Blockwart wohnt dort, eine versteckte Jüdin, ein Ex-Richter, ein Denunziant, ein Kleinkrimineller, ein Hitlerjunge, eine Briefträgerin und das Arbeiterehepaar Anna und Otto Quangel.
Die Quangels müssen verkraften, dass ihr einziger Sohn Hans (Louis Hofmann) im Krieg gefallen ist. Otto fängt an, den Diktator auf seine Art zu bekämpfen, seine Frau macht bald mit: Das Paar schreibt klare Botschaften auf schlichte Postkarten, z. B. einen Aufruf zum Widerstand und eine Forderung nach Pressefreiheit. Kommissar Escherich (Daniel Brühl) nimmt die Verfolgung auf – mit der Gestapo im Nacken, die schnell Ergebnisse sehen will. Otto und Anna unterdessen finden durch die gemeinsame Rebellion wieder zueinander, nachdem sie sich über Jahre entfremdeten…
  • Veröffentlichung17.11.2016
  • Deutschland (2016)
  • 107 Minuten
  • Drama
  • FSK 12
  • 6.3/10 (2167) Stimmen

Als düster und trostlos empfand Hans Fallada die Arbeit an seinem letzten Roman. Briefe aus dem Jahr 1946 legen nahe, dass der Schriftsteller lange Zeit an der Aufgabe verzweifelte, in „Jeder stirbt für sich allein“ zumindest ein wenig Optimismus und Hoffnung einfließen zu lassen. Dafür bot die wahre Geschichte des Arbeiter-Ehepaars Hampel, das einen bescheidenen Widerstandsakt gegen das Nazi-Regime wagte und nach der Entdeckung hingerichtet wurde, auch nur wenig Spielraum. Selbst der Erfolgsautor Fallada konnte dieses Dilemma letztlich nicht lösen. Er behalf sich jedoch, indem er um das bei ihm Quangel heißende Paar ein reiches Figurenarsenal drapierte und den Stoff zum farbig geschilderten Berlin-Panorama der 1940er-Jahre erweiterte: das Bild einer demoralisierten Gesellschaft, in der Brutalität, Heimtücke und Spitzeltum die besten Mittel sind, um sich zu behaupten – oftmals erschreckend, aber authentisch und tief empfunden. An der Verfilmung des Fallada-Romans durch den Schweizer Schauspieler Vincent Perez ist hingegen allenfalls erschreckend, wie wenig er mit den Vorgaben anzufangen weiß. In der deutsch-französisch-britischen, auf 100 Minuten verknappten Version wurden ein Großteil der Nebenfiguren und -handlungen gestrichen, ohne dass dadurch erzählerische Ressourcen freigesetzt würden, um sich eingehender mit dem zentralen Paar und ihrem Widerstand zu beschäftigen. Stattdessen hastet der Film durch die einzelnen Stationen: Den Tod eines jungen Soldaten, die erwachende Wut seiner Eltern, die die NS-Herrschaft bislang kaum hinterfragten, der Entschluss des Vaters, subversive Postkarten gegen die Nazi-Verbrechen in Berlin zu verteilen, die gefahrvolle Ausführung des Plans, bei dem die Eheleute immer mehr ins Fadenkreuz der Polizei geraten. Wenn die beiden wiederholt nur knapp der Entdeckung entkommen, ringt Perez der Handlung immerhin für Momente jene Spannung ab, die ansonsten gerade in der Inszenierung der Paarbeziehung partout nicht durchdringen will – obwohl Brendan Gleeson und Emma Thompson ihren Figuren durchaus eindrücklich Profil verleihen. An den drehbuchbedingten Unglaubwürdigkeiten mühen sich die beiden internationalen Stars allerdings so vergeblich ab wie die ansonsten fast durchweg deutsche Besetzung. Vieles bleibt unerklärt im Raum stehen, etwa die bedeutende Frage, warum einfache Leute wie die Quangels ausgerechnet auf geschriebene Botschaften setzen. An anderer Stelle meint Perez dagegen unnötigerweise mit Dialogen benennen zu müssen, was gleichzeitig auf der Bild- und Tonebene passiert. Ähnlich unentschlossen ist auch sein Umgang mit der im Roman naturalistisch ausgemalten, allgegenwärtigen Rohheit im NS-Staat, die er mal unnötig glättet, mal plakativ überzeichnet. Perez’ „Jeder stirbt für sich allein“ ist ein Film, in dem die Verbrechen der Nazis nur auf den Rückseiten der kunstvoll auf alt getrimmten Karten vorkommen, während die Inszenierung ihrerseits nur in Postkarten-Optik eine Zeit abbildet, von der im Kino wahrlich nicht selten, aber selten so uninspiriert erzählt worden ist.

Veröffentlicht auf filmdienst.deJeder stirbt für sich alleinVon: Marius Nobach (2.12.2025)
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