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Jetzt. Wohin. - Meine Reise mit Robert Habeck

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JETZT. WOHIN. Meine Reise mit Robert Habeck ist ein sehr persönlicher Dokumentarfilm von Lars Jessen. Der Film blickt hinter die Kulissen des Wahlkampfs 2025 von Robert Habeck – einer Kampagne, die mit großen Erwartungen beginnt und mit deutlichen Einbußen für die GRÜNEN endet. Danach zieht sich Habeck aus der Politik zurück. Kaum ein deutscher Politiker hat in den letzten Jahren mehr Emotionen ausgelöst: Für die einen ist er Hoffnungsträger, für die anderen Projektionsfläche all dessen, was sie an der Gegenwart ablehnen. Lars Jessen – Filmemacher, Freund, Berater und langjähriger Weggefährte – sucht Antworten: Warum ist es so gekommen? Was ist schiefgelaufen und wie kann progressive Politik in Zeiten von Populismus wieder gelingen?
Auf seiner Suche spricht Jessen mit Menschen, die ihn selbst in den zurück liegenden Jahren begleitet haben: mit Neuro- und Kommunikationswissenschaftler:innen, Denker:innen, Erzähler:innen, Schauspieler:innen, Moderator:innen und Journalist:innen. Darunter Luisa Neubauer, Tobias Krell, Markus Lanz, Jan „Monchi“ Gorkow, Charly Hübner, Maja Göpel, Daniel Günther, Samira El Ouassil, Friedemann Karig, Christian Stöcker, Arun Chaudhary, sowie mit Menschen aus Habecks Politik- und Schulzeit.

Retraumatisierung, nachträgliche Schadenfreude, Mitleid, Indifferenz: Das Spektrum möglicher Reaktionen auf die Bilder vom Wahlabend der Bundestagswahl am 23. Februar 2025, die der Dokumentarfilm „Jetzt. Wohin“ von Lars Jessen präsentiert, dürfte beim anvisierten breiten Publikum höchst unterschiedlich ausfallen. Die eigene Platzierung auf diesem Spektrum wird mit ziemlicher Sicherheit nicht nur mit politischen Präferenzen, sondern auch mit höchstpersönlichen Anti- und Sympathien zu tun haben. Was durchaus mit Robert Habeck als Person zu tun hat – beziehungsweise damit, dass es dem Grünen-Politiker mehr als den meisten seiner Konkurrenten gelungen ist, als Person und eben nicht nur als Abgeordneter oder Amtsträger wahrgenommen zu werden.

Das hat zumindest am 23. Februar 2025 nicht geholfen. Der Wirtschaftsminister der Ampelregierung und Kanzlerkandidat Habeck erreichte mit seiner grünen Partei gerade einmal 11,6 Prozent der Stimmen. Schnell wurde klar, dass seine Partei in die Opposition muss. Er selbst zog sich bis auf Weiteres aus der Politik zurück. Dass er sich mehr als nur ein Hintertürchen für eine Rückkehr ins Rampenlicht offenhält, beweist „Jetzt. Wohin“. Ähnlich wie der österreichische Ex-Kanzler Sebastian Kurz, der ein kritisches Kino-Porträt mit gleich zwei Pro-Kurz-Kinodokumentationen beantwortete, versucht Habeck mit diesem Projekt, die Kontrolle über die Darstellung der eigenen Person in den Medien zurückzugewinnen.

Fortführung des Habeck-Wahlkampfes

„Jetzt. Wohin“ macht wenig Hehl aus der Tatsache, dass der Film als Fortführung des Habeck-Wahlkampfs konzipiert ist. Jessen blickt alles andere als neutral auf den Grünen-Politiker. Der Regisseur spielt dabei immerhin mit offenen Karten, wenn er mitunter sogar zur zweiten Hauptfigur seines Films wird, selbst vor die Kamera tritt und darüber sinniert, ob seine Existenz als Kulturschaffender nicht auch eine Flucht vor gesellschaftlicher Verantwortung ist. Sein Engagement für Habeck, dem er als Medienberater, Wahlkampfhelfer und Netzwerker zur Seite steht, sieht Jessen in diesem Sinne als seinen nachholenden Beitrag zur guten Sache.

Jetzt aber, da die gute Sache ins Stocken geraten ist – schließlich steckt die linksbürgerlich-ökologische Mitte nicht nur in Deutschland in der Krise – steht die Problemdiagnose an. Jessen trifft sich in „Jetzt. Wohin“ mit einer Reihe von Mitstreitern und Sympathisanten Habecks und fragt sich gemeinsam mit Luisa Neubauer, dem Habeck-Berater Arun Chaudhary und dem Schauspieler Charly Hübner, was im Wahlkampf schiefgelaufen ist. Auch die von Jessen ersonnenen Esstisch-Gespräche, die im Herbst 2024 für ein kurzes Umfrage-Strohfeuer sorgten, kommen zur Sprache. Eher gelegentlich melden sich auch Personen zu Wort, die nicht unbedingt zum Team Habeck gehören – etwa der Journalist Markus Lanz oder der CDU-Mann Daniel Günther.

Bahnbrechende Erkenntnisse oder tiefschürfende Analysen sollte man bei alldem nicht erwarten. Wieder und wieder erfährt man, dass die Stimmung bei den Wahlkampfauftritten durchweg gut war, sich der Enthusiasmus aber nicht in stabile Umfrageergebnisse umsetzte; erst recht nicht, nachdem die Migrationspolitik zum Wahlkampfthema Nummer eins wurde. Schuld daran war möglicherweise auch – das ist das Quäntchen Selbstkritik in „Jetzt. Wohin“ – eine nicht allzu gut durchdachte Social-Media-Strategie.

Bis zur Selbstparodie

Deutlich mehr rhetorischen Aufwand verwendet der Film auf die Medienkampagnen gegen die Grünen, unter anderem von Seiten der Springer-Presse, der mithilfe einer arg hemdsärmelig zusammengeschusterten Infografik eine Nähe zur Ölindustrie unterstellt wird. In dieser Passage kratzt der Film vehement an der Selbstparodie; gleiches gilt, wenn Habeck mit der durchweg in Floskeln sprechenden Luisa Neubauer im Motorboot durch den Hamburger Hafen schippert.

Wobei zerknirschte Selbstgeißelung, die sonst ja durchaus eine linke Spezialität ist, erst recht keinen guten Film ergeben hätte. Auch die Schmalspur-Argumentation hinsichtlich politischer Zusammenhänge – die objektive, hauptsächlich durch die Corona-Pandemie bedingte schlechte Wirtschaftslage der letzten Jahre wird allerdings mit keinem Wort erwähnt – muss man dem Film nicht allzu sehr zum Vorwurf machen. Als Dokument der momentanen politischen Hilflosigkeit des progressiven Lagers birgt „Jetzt. Wohin“ sogar einen unfreiwilligen Erkenntniswert. Eher irritiert, dass der Film kaum Versuche unternimmt, den politischen Betrieb der Gegenwart mit anderen als den naheliegenden Bildern einzufangen. Spätestens wenn Habeck wiederholt aus leichter Untersicht von hinten gefilmt wird und eine Art Heiligenschein seinen Kopf zu umspielen scheint, wünscht man sich, dass sich der Regisseur ein klein wenig von seiner Rolle als Habeck-Propagandist emanzipiert hätte.

Insgesamt stellt sich die Frage nach dem „Warum“ dieses Films. Sinn und Zweck der Unternehmung erschließen sich nicht wirklich. Als „Selbstbefragung“ versandet der Film, als womögliche Comeback-Vorbereitung kommt er deutlich zu früh. Die derzeit vehement aufflammende Kritik an den öffentlichen Fördergeldern, mit denen der Film finanziert wurde, sollte man keineswegs als Teil einer – zweifellos real existierenden – rechten, anti-grünen Medienkampagne beiseitewischen. „Jetzt. Wohin“ hat mit Filmen wie „Herr Wichmann von der CDU“ und „Eine deutsche Partei“ wenig gemein; es ist kein Film, der in genuin aufklärerischer Manier aufs politische System der Bundesrepublik Deutschland blickt. Sondern ein Werk, das seine parteiisch-parteipolitische Agenda offen vor sich herträgt.

Eine Art kategorischer Imperativ

Formal mag „Jetzt. Wohin“ förderberechtigt sein, und dem deutschen Kino wäre sicherlich nicht geholfen, wenn in Zukunft ideologische Neutralität Voraussetzung für den Zugang zu öffentlichen Geldern würde. Idealerweise sollte es genügen, Filmemacher und Produktionsfirmen, aber auch die Fördergremien an eine Art kategorischen Imperativ zu erinnern: Was wäre, wenn zukünftig alle einigermaßen prominenten Politiker in öffentlich bezuschussten Kinofilmen beweihräuchert würden und ihre Sicht auf die Dinge ausbreiten dürften? Wenn sich Lars Jessen, die Gremien und womöglich sogar Robert Habeck diese Fragen ernsthaft gestellt hätten, wäre „Jetzt. Wohin“ nie produziert worden.

Veröffentlicht auf filmdienst.deJetzt. Wohin. - Meine Reise mit Robert HabeckVon: Lukas Foerster (11.12.2025)
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