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Keeper

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Szenebild von Keeper 1
Maxime und Melanie lieben sich. Gemeinsam erkunden sie in aller Zärtlichkeit ihre Sexualität. Als Melanie entdeckt, dass sie schwanger ist, nimmt es Maxime zuerst nicht gut auf, gewöhnt sich dann aber zunehmend an die Idee, Vater zu werden, und überzeugt Mélanie davon, das Kind zu behalten. So ist es denn beschlossene Sache: Mit nur 15 Jahren werden Maxime und Melanie Eltern.

Ein erstes Lächeln. Die sichtbare Nervosität bei der Annäherung. Dann die Vertrautheit, die sich allmählich einstellt. Und schließlich die Abneigung, die aus den Augen spricht, welche Monate zuvor noch lächelten. Die Montage, mit der „Keeper“ beginnt, zeigt eine universelle Beziehungserfahrung. Doch sie endet nicht dort, wo die Blicke der Frauen versteinern; sie endet dort, wo aus diesem Blick ein ungläubiger Schock spricht, bevor alle Frauen den gleichen Schrei ausstoßen. Auch Gewalt ist eine universelle Erfahrung.

Nur die Toilette hat eine Tür

Wer der Mann ist, der zu all diesen Beziehungen gehört, bleibt eine Leerstelle. Der Protagonist, den man durch die Augen von Liz (Tatiana Maslany) sieht, wirkt nicht so, als könnte er diese füllen. Malcolm (Rossif Sutherland) ist ein großer Bär, aber kein knuddeliger; wenn es um Zärtlichkeit geht, zieht er sich schnell zurück. In seiner verschrobenen Art, mit der er in sich ruht, wirkt er jedoch recht vertrauenerweckend. Liz verbringt das Wochenende in seinem Waldhaus. Für sie ist es der nächste Schritt in ihrer Beziehung. Sie besucht ihn, auch wenn sie nicht gerne im Grünen ist und das Haus alles andere als gemütlich wirkt: ein winkliger, scharfkantiger Luxusbau aus Glas und Holz. Nischen bietet er keine. Nirgendwo ist es wirklich bequem, nirgendwo gibt es Privatsphäre. Fast jeder Winkel ist aus dem offenen Inneren oder durch die zahlreichen Fenster einsehbar; nur die Toilette hat eine Tür.

Bald dekoriert Liz’ Malerei eine der Schrägen des Hauses. Die Künstlerin versucht sich in der Badewanne zu entspannen. Doch der Film lässt das nicht zu. Unbequem sind die Bilder, die ihr oft nur einen Spalt zwischen Vorhängen und Wänden zugestehen und die Umgebung mit klaustrophobischen Kadrierungen oder Spiegeln aus dem Gleichgewicht bringen. Dazu kommen die Stimmen. Wen hört sie durch die Belüftungsschächte, wenn es nicht Malcolm ist?

Wer wohnt nebenan?

Und wer wohnt nebenan? Der Cousin Darren (Birkett Turton), der laut Malcolm „ein Arschloch, aber harmlos“ ist. Sein erster Besuch lässt nicht lange auf sich warten. Mit Minka (Eden Weiss) im Schlepptau, einem Model im Pelzmantel und mit breitem Akzent, drängt er sich zwischen jede Idee von Zweisamkeit, um kurz darauf wieder zu verschwinden. Und dann ist da noch der Schokoladenkuchen. Die Haushälterin habe ihn gebacken, eine alte Tradition. Die einzigen Worte, die Minka spricht, warnen vor der Leckerei: „Schmeckt wie Scheiße.“

Es ist ein einfacher, grotesker und auf bitterste Art humorvoller Gedanke, den „Keeper“ formuliert: Minka hat den Kuchen schon gegessen. Liz ist bald aufgefordert, das Gleiche zu tun. Als der Cousin und seine Freundin abgezogen sind, steht nicht Zärtlichkeit an, sondern Kuchenverkostung. Wenn Liz mit Malcolm in einer Beziehung bleiben möchte, hat sie das zu schlucken, was aufgetischt wird. Malcolm fordert das nicht mit körperlicher Gewalt, sondern mit dem sanft drängenden Tonfall ein, der so perfekt das prosaische Beiwerk des gespenstischen Vibes ist, der durch dieses Haus weht.

Regisseur Osgood Perkins moduliert das Ungewisse, das Übernatürliche, aber auch den weltlichen Schrecken meisterhaft; er weiß Blicke zu leiten, Details hervorzuheben und wenn es sein muss, auch den Schokoladenkuchen in ein Objekt des Grauens zu verwandeln. Während das Drehbuch von Nick Lepard lange zu verschweigen versucht, was genau hinter diesem Geisterhaften steht und was das Geisterhafte mit dem Schrecken einer sichtbar ausbeuterischen Maskulinität auf sich hat, legt der Horror-Liebhaber Perkins falsche Fährten; er beschwört Haus- und Waldgeister und nutzt jedes noch so alltägliche Ereignis für eine Gänsehaut. Tatiana Maslany weiß das genial zu verkaufen und in nicht genauer erkundete Traumata abzutauchen, sich an falsche Hoffnungen zu klammern und den Schrecken zu umarmen.

Mit bitterbösem Lächeln

„Keeper“ reiht sich in die toxischen Beziehungen ein, die das Horrorkino in den vergangenen Jahren in Filmen wie „Men“ (2022), „Companion“ (2025) und „Together“ (2025) erkundet hat. Im Unterschied zu diesen Filmen arbeitet Perkins aber nicht allzu konsequent auf den Subtext hin. Zu sehr ist er als Filmemacher am Genre selbst interessiert, und auch das Setting bietet zu viele Gelegenheiten zum Abschweifen in Richtung der Albträume. Das ist gewissermaßen die große Stärke des Films: Perkins kann Horror, und es ist eine Freude, daran teilzuhaben. Der Film kommt letztlich aber nicht umhin, seine Pointe doch noch zu servieren. Sie kommt mit einem bitterbösen Lächeln daher.

Veröffentlicht auf filmdienst.deKeeperVon: Karsten Munt (19.11.2025)
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