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Kein Weg zurück

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Wie weit bist du bereit zu gehen, um den Menschen zu retten, den du am meisten liebst – dein eigenes Kind? Von dieser Frage getrieben, macht sich Ex-Soldat Christian (Nikolaj Lie Kaas) auf den gefährlichen Weg nach Syrien, um seinen Sohn Adam (Albert Rudbeck Lindhardt), der sich einer islamistischen Gruppierung angeschlossen hat, zurück nach Hause zu holen. Die verzweifelte Suche führt ihn in ein brutales und vom Krieg zerrüttetes Land. Mit jeder Etappe, die er bewältigt, erfährt Christian mehr über sich selbst und begreift zunehmend, dass er seine Glaubensgrundsätze hinter sich lassen muss.
KEIN WEG ZURÜCK ist ein kraftvolles Drama über Hoffnung, Vergebung und die bedingungslose Liebe zu unseren Kindern. In überwältigenden Bildern führt uns der Film auf eine atemlose Reise in eine Welt, die von ihren eigenen Gesetzen bestimmt wird – und eröffnet dabei einen Blick, der weit über die gängigen Nachrichtenformate hinausgeht.

Was macht dieses Milchgesicht, ein allzu schmächtiger Junge aus Dänemark, inmitten von kampferprobten Dschihadisten in Syrien? Im Spielfilm der Regisseurin Charlotte Sieling gerät der 17-Jährige Adam (Albert Rudbeck Lindhardt) während des syrischen Bürgerkrieges in die ideologischen Fänge der Terrororganisation IS. Umringt von einer Vielzahl bärtiger Männer in schwarzen Gewändern steht er am Schießstand, bewaffnet mit einem automatischen Gewehr, kniet beim islamischen Gebet oder ist bei Erschießungen von Oppositionellen dabei. Was hat den Jugendlichen, der aus einem bürgerlichen Elternhaus stammt, dazu getrieben, sich der berüchtigten IS-Miliz anzuschließen?

Auf paradoxe Weise verstrickt

„Kein Weg zurück“ geht dieser Frage nach, die angesichts der erschreckend hohen Anzahl realer IS-Konvertiten, die aus europäischen Ländern den Weg auf die Schlachtfelder des Nahen Ostens gefunden haben, nicht aus der Luft gegriffen ist. Der Protagonist der Geschichte ist Adams Vater Christian (Nikolaj Lie Kaas). Der dänische Ex-Soldat, der sowohl im Irak als auch in Afghanistan kämpfte, ist ratlos und verzweifelt. Auf eigene Faust reist er in das umkämpfte Bürgerkriegsgebiet in Syrien, wo eine unüberschaubare Anzahl rivalisierender, teils auf paradoxe Weise auch verbündeter Gruppen in brutale Gefechte verstrickt sind.

Christian will seinen Sohn nach Hause holen, wo auch seine Ex-Frau auf die Rückkehr ihres Kindes hofft. Doch er merkt schnell, dass er allein nicht viel erreichen kann. Als er einer Straßenkontrolle von Al-Qaida-Kämpfern entkommt, lernt er Bilal (Harki Bhambra) kennen, der über viele Kontakte verfügt und nach Informationen über den Verbleib von Adam Ausschau hält. Weitere Bekanntschaften sind der Mudschaheddin Abu Hassan (Arian Kashef) und der Imam Abu Amin (Besir Zeciri), die sich beide in Europa radikalisiert haben. Ihnen gegenüber gibt Christian vor, ein überzeugter Glaubensgenosse und Kämpfer gegen die Ungläubigen zu sein; seine eigentliche Mission verheimlicht er ihnen.

Krieger in Turnschuhen

Binnen kurzer Zeit werden die Männer ins Kriegsgeschehen und in verlustreiche Häuserkämpfe verwickelt, wo sie an der Seite der Freien Syrischen Armee gegen die Truppen des Gewaltherrschers Assad kämpfen. Russische Luftangriffe legen überdies das Land und die Städte in Schutt und Asche. Die Krieger in Turnschuhen stehen gutausgestatteten Regierungstruppen gegenüber. Als erfahrener Soldat verschafft sich Christian bei diesen Einsätzen schnell Ansehen. Als er von Adams Aufenthaltsort tief im IS-Territorium erfährt, machen er und seine neuen Gefährten sich auf den Weg. Doch bald werden sie von Pickup-Trucks gestoppt, auf denen die schwarze IS-Fahne weht.

Die Inszenierung scheut nicht vor drastischen Szenen zurück; die Herrschaft des IS stützt sich auf Willkür, Gewalt und Folter. Dem eindringlich gespielten und durchweg spannenden Drama geht es allerdings vor allem um die Frage nach dem Warum. Warum begeben sich junge Menschen, die in behüteten Wohlstandsverhältnissen aufgewachsen sind, freiwillig in die Fänge einer Terrororganisation, die mittelalterliche Werte predigt und eine Gewaltherrschaft ins Werk setzt, die jeden halbwegs vernünftigen Menschen eigentlich schaudern lassen müsste?

Es geht nur noch ums Überleben

Die erzählerische Stärke des Films liegt dabei vor allem darin, keine vorschnellen Antworten auf diese Frage zu geben, sondern die komplexe Lage in Syrien halbwegs anschaulich zu machen. Die rivalisierenden Fraktionen und aufeinanderprallende Ideologien und Identitäten werden dabei als Zerfallsprozesse einer komplexen Gesellschaft verständlich, die ab einem gewissen Punkt in Gewalt umgeschlagen sind. Wenn Christian schließlich auf seinen Sohn inmitten der IS-Kämpfer trifft, geht es längst nur noch ums pure Überleben. Dennoch lässt der Vater nicht von seiner Mission ab, den Jungen in die Heimat zurückzubringen.

Visuell entwerfen die Bilder der Kamerafrau Camilla Hjelm in einer Kaskade naher Einstellungen bedrängende Eindrücke aus städtischen Umgebungen und deren Interieurs, welche die Unübersichtlichkeit betonen; mal schweift die Kamera aber auch in weiten Totalen, die auf schmerzliche Weise die Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit des Protagonisten verdeutlichen. „Kein Weg zurück“ ist kein Film, der auf einfache Weise Orientierung verschafft oder zur schnellen Meinungsbildung anregt; er ist vielmehr ein nachdenklicher erzählerischer Wurf, der die komplexe Lage der Region ganz ohne übertriebene Schauwerte oder moralische Aufladung sichtbar werden lässt.

Veröffentlicht auf filmdienst.deKein Weg zurückVon: Chris Schinke (12.12.2025)
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