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Filmkritik
Zum Auftakt füllt sattes Rot die Leinwand. Als Farbe der Liebe und als Signal. Dazu hört man einen Audiomitschnitt, in dem der Präsident der französischen Nationalversammlung im Mai 2013 das Abstimmungsergebnis zum „Taubira-Gesetz“ verkündet. Danach dürfen gleichgeschlechtliche Paare in Frankreich heiraten und Kinder adoptieren. Das intensive Rot und die sachliche Politik bilden einen Kontrast, der die beiden Seiten von „15 Liebesbeweise“ unterschwellig andeutet. Denn einerseits handelt es sich um einen Liebesfilm, der viel beschwingter ist, als es der trockene Titel erahnen lässt. Andererseits aber ist der Film auch ein engagiertes Drama, das politisch sehr klar positioniert ist und zur Aufklärung beitragen will.
Der Haken des „Taubira-Gesetzes“
Wie die Autorin und Regisseurin Alice Douard beide Aspekte miteinander in Einklang bringt, ist beachtlich. Und das umso mehr, als es sich um das Langfilmdebüt der Filmemacherin handelt. Zuvor hat Douard eine Episode zu dem Omnibusfilm „Lesbengeschichten: Halt mich fest“ beigetragen und einige Kurzfilme inszeniert. Ihr 30-minütiger Film „L’Attente“, der 2024 den französischen Filmpreis „César“ gewann, diente der Filmemacherin als Vorlage. Während „L’Attente“ ausschließlich auf einer Entbindungsstation spielt, spannt „15 Liebesbeweise“ ein breiteres Panorama auf. Beide Filme thematisieren einen Haken am Taubira-Gesetz: Während der biologische Elternteil ab der Geburt des Kindes automatisch anerkannt wird, erhält der zweite Elternteil dieses Recht zunächst nur durch ein nachgeburtliches Adoptionsverfahren. Das Prozedere forderte unter anderem die Vorlage von 15 „Liebesbeweisen“, in denen nahestehende Personen dem Adoptionswilligen schriftlich bescheinigen, als liebender Elternteil zu taugen. Diese Gesetzeslage wurde allerdings im Jahr 2021 reformiert.
„15 Liebesbeweise“ spielt in der Zeit davor. Im Frühjahr des Jahres 2014 sind die Tontechnikerin Céline (Ella Rumpf) und die Zahnärztin Nadia (Monia Chokri) frisch verheiratet und damit Pionierinnen der „Homo-Ehe“. Zugleich gehören sie zu den Ersten, die als lesbisches Paar ein Kind großziehen wollen. Weil die 37-jährige Nadia fünf Jahre älter ist als Céline, trägt sie das mit künstlicher Befruchtung entstandene Baby aus; Céline will möglicherweise das zweite Kind auf die Welt bringen. Als leibliche Mutter ist die zu Beginn des Films bereits schwangere Nadia ohne weiteres Zutun als Mutter legitimiert. Céline hingegen muss sich mit der Adoptionsbürokratie herumschlagen und die Stellungnahmen aus dem Bekanntenkreis organisieren, um nach der Geburt juristisch als zweiter Elternteil anerkannt zu werden. Dafür nimmt sie auch Kontakt zu ihrer entfremdeten Mutter Marguerite (Noémie Lvovsky) auf, eine erfolgreiche Pianistin, die in Célines Kindheit meist abwesend war und gerade in Paris gastiert.
Was zeichnet gute Eltern aus?
Der Film zieht das Publikum sofort in die Liebesbeziehung zwischen Céline und Nadia hinein. Das hat viel damit zu tun, dass die Darstellerinnen miteinander harmonieren und die Liebe ihrer Figuren glaubhaft machen können. Aber auch mit der pointierten Erzählweise und Montage, die ein plastisches Beziehungsbild entwirft, das wie aus dem Leben gegriffen wirkt. Nach wenigen Filmminuten ist klar, dass Céline und Nadia gute Mütter werden würden – auch wenn der formale Nachweis noch fehlt. Da dies in erster Linie Céline betrifft, rückt der Film sie in den Mittelpunkt.
Die Prämisse des Films adressiert dabei ein Problem, auch wenn Douard keinen Problemfilm gedreht hat. Das verhindert bereits der Humor, wenn ein Gespräch mit einem ungeschickten Arzt in einem gemeinsamen Lachanfall endet, Céline als Babysitterin im Bekanntenkreis eine komödiantische Episode durchlebt oder der Besuch bei einem befreundeten Paar auch Kehrseiten des Elternseins enthüllt, beispielsweise Lärm und Läuse. Zur Eingängigkeit des Films tragen die helle Atmosphäre mit viel Sonnenlicht und ein moderner Soundtrack bei, der auf elektronische Club-Musik setzt, da Céline im Nebenjob als DJane arbeitet. Das führt unter anderem zu einer herausragenden Tanzszene, in der Céline und Nadia ihre Gefühle füreinander zu dem Song „You & Me“ von Disclosure zelebrieren.
Keine reine Komödie
Bei aller Eingängigkeit vernachlässigt die Inszenierung aber nie den Kern des Films, der keine reine Komödie ist, sondern ein intimes, nachdenkliches Charakterdrama. Die amtliche Aufgabenstellung regt die unsichere Céline an, über ihre künftige Rolle nachzudenken, was über den queeren Aspekt hinaus Allgemeingültigkeit beansprucht. In Gesprächen mit Freunden, die bereits Eltern sind, nimmt Céline öfters die Position werdender Väter ein, die eine Schwangerschaft ebenfalls von außen miterleben – mit dem Unterschied, dass sie theoretisch selbst gebären könnte. Erschwerend kommt das zerrüttete Verhältnis zur eigenen Mutter hinzu. Einmal bricht es unvermittelt aus Céline heraus, die ihrer Ehefrau Nadia entgegenschleudert: „Deine Tochter ist sie ja schon!“ Ein Schlüsselsatz für Céline, die mit ihrer Rolle und den staatlichen Zumutungen ringt.
Alice Douard führt auf der Basis eigener Erfahrungen mit dem Adoptionsgesetz in „15 Liebesbeweise“ eindringlich vor Augen, wie das Politische tief ins Private greift und die ohnehin fordernde Elternrolle zusätzlich verkompliziert. In Frankreich ist dieses Verfahren inzwischen passé; hierzulande gilt jedoch eine vergleichbare Rechtsprechung, die zwar keine schriftlichen Liebesbeweise erfordert, aber ein Adoptionsverfahren mit ähnlichen Nachweisen. Auch wenn „15 Liebesbeweise“ ein eindeutiges Anliegen verfolgt, ist der Film in erster Linie aber ein kraftvoller Liebesfilm mit einem ausgezeichneten Leinwandpaar – und ein verheißungsvolles Debüt.
