Szene aus Luanas Schwur
Filmplakat von Luanas Schwur

Luanas Schwur

120 min | Drama
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Szene 3 aus Luanas Schwur
Albanien, 1958. Luana, die Tochter eines angesehenen Mannes im Dorf, freundet sich mit Agim an, der hierher zog, nachdem seine Familie von den Kommunisten aus der Stadt verbannt worden war. Aus der Kindheitsfreundschaft wird Jahre später eine Jugendliebe, allerdings ohne Perspektive. Luanas Vater hat sie als Kind jemand anderem versprochen. Als ihr Vater von Luanas und Agims Liebe erfährt, ist er wütend und arrangiert sofort die Hochzeit seiner Tochter mit dem Mann, den er für sie ausgesucht hat. Luana steht vor einem Dilemma: Mit ihrem Geliebten nach Deutschland fliehen und riskieren, von den Kommunisten gefasst und wahrscheinlich getötet zu werden, oder ihrer Familie treu bleiben. Eine ergreifende Liebesgeschichte, die in dunklen Zeiten spielt, die durch alte Traditionen geprägt sind. Eine zutiefst menschliche Geschichte über Freiheit, die das höchste Gut ist, auch wenn der Preis Einsamkeit ist.
  • RegieBujar Alimani
  • ProduktionAlbanien, Kosovo
  • Dauer120 Minuten
  • GenreDrama
  • TMDb Rating8/10 (1) Stimmen

Filmkritik

Jack Londons „Ruf der Wildnis“ ist das erste Buch, das Luana in ihrem Leben liest. Das zweite ist eine Niederschrift des Kanun, eines im albanischen Norden bis heute noch praktizierten mittelalterlichen Gewohnheitsrechts, das alle Bereiche des Lebens, vom Ehe- bis hin zum Strafrecht, regelt. Die beiden so unterschiedlichen Texte verknüpfen sich, als Luana den im Kanun verankerten Schwur ewiger Jungfräulichkeit ablegt und eine Burrnesha, eine „eingeschworene Jungfrau“, wird. Fortan lebt sie als Mann und nennt sich Jack. Hinter der Namenswahl verbirgt sich eine stille Geste des Protests. Das Lesen ist für Mädchen und Frauen eigentlich verboten, Luana hat es heimlich gelernt, von Agim, ihrer großen Liebe. Und außerdem berührt sich wohl auch Jack Londons Geschichte über einen verschleppten Haus- und Hofhund, der gewaltsam als Schlittenhund abgerichtet wird, mit der Härte der streng patriarchalen Gesellschaft in den Bergen.

Ein Drama um unerlaubte Liebe

„Luanas Schwur“ erzählt von den Umständen, die zu dem radikalen Schwur führen. Der Film spielt in den 1950er-Jahren; noch ist die kommunistische Diktatur unter Enver Hoxha nicht in die entlegenen Gegenden des Landes vorgedrungen. In den ersten Bildern etabliert der albanische Filmemacher Bujar Alimani eine Idylle, die schon bald getrübt wird. Kinder füllen am Fluss um die Wette Wasser in eine Ballonflasche; Luana ist das einzige Mädchen. Als ihre Mannschaft gewinnt, heißt es, Mädchen dürften nicht mitspielen. Agim, ein Junge, der mit seiner Familie neu im Dorf ist, kommt ihr zu Hilfe. Er wird ihr bester Kinderfreund und lehrt sie auch das Lesen. Der Vater sieht es nicht gern, dass sich seine Tochter mit einem „Fremden“ trifft und verbietet den Kontakt, Luana ist Flamur Fiku versprochen, dem Sohn einer angesehenen Familie.

In bildgewaltigen Aufnahmen, die die Schroffheit der Landschaft eher abmildern, strickt Alimani ein im Grunde klassisches Drama um unerlaubte Liebe, archaische Familientraditionen und Gewalt. Zur Tragödie wird es, als Luana von ihrem Verlobten bedrängt wird und dieser beim Streit ihren Vater erschießt. Die Blutrache verpflichtet, ein Verbrechen zu rächen. Doch die Männer in Luanas Familie weigern sich und wollen sie in die Ehe drängen. Den Mörder ihres Vaters zu heiraten, kommt aber für die junge Frau nicht in Frage. Luana leistet den Schwur und wird das männliche Oberhaupt der Familie. Nach dem Kanun ist „er“ berechtigt – und verpflichtet –, den Vater zu rächen.

In den letzten Jahren ist die Praxis der eingeschworenen Jungfrau mehr und mehr in die Öffentlichkeit gerückt; auch im Kino hat das Thema eine gewisse Sichtbarkeit erlangt, etwa durch den Film „Sworn Virgin“ von Laura Bispuri. Burrneshas nehmen die soziale Rolle eines Mannes an, sie kleiden sich wie Männer, tragen Waffen, gehen auf die Jagd und dürfen Alkohol trinken; die Geschlechtskategorie ist dennoch schwer zu fassen. Als Konzept der Befreiung von traditionellen Geschlechterrollen eignet sich die eingeschworene Jungfrau nur bedingt. Die Frauen geloben sexuelle Enthaltsamkeit; der Zugewinn an Rechten ist also an Verzicht gebunden.

Der Kreislauf der Gewalt

Alimani interessiert sich für die Komplexitäten des ungewöhnlichen symbolischen Übertritts nur peripher, er dient ihm eher als Motiv für eine Rachegeschichte, die fast schon an einen Western erinnert. Dabei rückt die Frage in den Vordergrund, ob und wie es „Jack“ gelingt, die Sinnlosigkeit des Gewaltkreislaufs zu durchbrechen.

„Luanas Schwur“ ist kein sonderlich subtil gezeichnetes Drama. Der Film setzt eher auf deutliche Zeichen und neigt auch in der Figurenanlage zur Vereinfachung; der Schönling Flamur Fiku wirkt beispielsweise wie ein Bösewicht aus einem Abenteuerfilm. Zwischentöne sind eher im Spiel der kosovarischen Darstellerin Rina Krasniqi zu finden, die beide Geschlechterrollen glaubhaft verkörpert. Als Luana als frisch eingeschworene Burrnesha zum ersten Mal mit den Männern zusammensitzt und plötzlich das Rederecht hat, sind Haltung und Gesten noch unsicher. Gerne hätte man ihr ausführlicher dabei zugeschaut, wie ihr Körper in die Rolle hineinwächst.

Erschienen auf filmdienst.deLuanas SchwurVon: Esther Buss (23.1.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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