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Filmkritik
Jacqueline, mit 70 Jahren nicht mehr die Jüngste, will eigentlich mit ihrem Nachbarn und Freund Jean zusammenziehen. Die erste Wand ist schon eingerissen, um die Wohnung zu vergrößern. Doch als die alte Frau ihrem Lebensgefährten verbieten will, einige seiner Habseligkeiten mit in den gemeinsamen Haushalt einzubringen, schwant Jean nichts Gutes: Will er mit dieser Frau wirklich zusammenziehen? Vorerst lieber mal nicht.
Da es aber kein Wasser mehr gibt und auch keinen Strom und überall nur Bauschutt herumliegt, kann Jacqueline nicht in ihrer Wohnung bleiben. Zunächst will sie bei ihrem Sohn Nicolas unterschlüpfen. Doch der winkt dankend ab. Darum zieht die renitente Frau bei ihrer ältesten Tochter Carole und ihrem Schwiegersohn Alain ein, zunächst „nur für ein paar Tage“. Doch schnell fühlt sie sich bei den beiden wie zuhause: Sie belegt das Badezimmer, bestimmt das Fernsehprogramm, arrangiert die Küche neu und stellt Dekorationen um, damit sie farblich zu den Möbeln passen.
Aus Tagen werden Wochen
Carole und Alain machen gerade eine Paartherapie; warum, wird nicht so ganz deutlich, da sie sich eigentlich gut verstehen. Der Therapeut hat ihnen mehr körperliche Nähe verordnet, und auch da erweist sich Mama als Störenfried. Carole wehrt sich tapfer gegen ihre Mutter. Doch der polnische Handwerker, der ihre Wohnung wiederherstellen soll, aber kein Wort Französisch zu sprechen vorgibt, liegt zumeist auf der faulen Haut. Jacquelines Wohnung wird nicht fertig. Und so werden aus „ein paar Tagen“ Wochen, sogar Monate.
„Mamma ante portas“ hätte eine böse Komödie über dominante Mütter (vielleicht im Sinne Hitchcocks), gewalttätige Familienbeziehungen und unüberwindbare Generationskonflikte werden können. Doch Regisseur und Drehbuchautor Eric Lavaine geht auf Nummer sicher und nimmt Brisanz und Tempo aus dem Geschehen. Viel zu behäbig und vorhersehbar bereitet er seine sprachlichen Gags vor, die dann ohne Pep verpuffen. Weder die Therapiesitzungen noch die verschleppten Renovierungsarbeiten in Jacquelines Wohnung offerieren visuellen Slapstick; aber auch Jacquelines Anstrengungen, sich Caroles Wohnung zu eigen zu machen, wirken albern und bemüht.
Einmal versucht sie ein schweres Sofa umzustellen und holt sich einen Hexenschuss, ohne dass das Malheur schwere Folgen hätte. Schlimmer noch: Josiane Balasko interpretiert die alte Frau so ichbezogen und unzufrieden, rücksichtslos und herrisch, dass sie sich schon bald als Nervensäge entpuppt. Kein Feingefühl, keine Großzügigkeit, kein Humor – zur Identifikation lädt sie nicht ein.
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm
Nicht einmal der Running Gag mit den unterbrochenen Schäferstündchen macht Spaß, weil er nur Jacquelines mangelnde Sensibilität unterstreicht. Immer nur im falschen Moment durchs Zimmer zu laufen, ist dann doch zu wenig; da ist das Misslingen sexueller Befriedigung in der Filmgeschichte schon wesentlich absurder und pfiffiger verhandelt worden.
Das gleiche gilt für Alains fälschliche Annahme, dass seine Schwiegermutter ausgefallenen Sexpraktiken nachgeht – ein Versprechen des Anrüchigen, das nicht eingelöst wird. Die Nebenfiguren hingegen sind nur unzureichend gezeichnet und fungieren lediglich als Träger negativer Charaktereigenschaften, vom konfliktscheuen Sohn über den geldgierigen Therapeuten bis zum faulen Handwerker.
Zu allem Überfluss muss sich Jacqueline von ihrer 90-jährigen Mutter genauso behandeln lassen, wie sie selbst mit Carole umgeht. „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“, will Eric Lavaine wohl sagen, das Verhalten von Menschen wird von Generation zu Generation „vererbt“. Doch Mütter, die ihren erwachsenen Töchtern keine Freiräume zugestehen, sind schon lange nicht mehr zeitgemäß.