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Filmplakat von Massive Talent

Massive Talent

107 min | Komödie, Action, Krimi | FSK 12
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Nicolas Cage hat seinen Karrieren-Zenith längst überschritten. Seine Tochter will ihn nicht mehr sehen und er steht vor dem finanziellen Ruin. So lässt er sich überreden, bei einer Geburtstagsparty eines Millardärs aufzutreten. Ein überraschend unterhaltsamer und vielseitiger Job für Cage. Erst recht, als er als Undercover-Agent vom FBI rekrutiert wird, um den Mann, der in Wahrheit ein gefährlicher Verbrecher ist, auszuspionieren.

Filmkritik

Der Schauspieler Nicolas Cage, dargestellt von Nicolas Cage, hat sich kreativ, familiär und monetär in eine totale Sackgasse manövriert. Die guten Rollen bekommen längst andere, seine Tochter (Lily Sheen) will nicht mehr viel mit ihm zu tun haben, und in seinem einst prall gefüllten Portemonnaie klafft ein großes Loch. Zumindest für dieses Problem weiß sein Agent Richard (Neil Patrick Harris) eine Lösung. Der milliardenschwere Cage-Fan Javier Gutierrez (Pedro Pascal) bietet viel Geld, wenn der Hollywood-Star an dessen Geburtstagsparty in Mallorca teilnimmt. Doch was als einfache Pflichtübung beginnt, wird zu einem lebensgefährlichen Abenteuer. Denn der Gastgeber entpuppt sich als Chef eines Waffenhändlerrings, der die Tochter eines wichtigen Politikers entführt hat. Ausgerechnet Nick Cage ist jetzt die einzige Hoffnung der CIA, der seinen Aufenthalt in Spanien kurzerhand verlängert und in ein Filmprojekt mit dem ziemlich verdächtigen Gutierrez einwilligt. Was als Mittel zum Zweck der Observation beginnt, mündet in eine Freundschaft, die sich bald großer Gefahren erwehren muss.

Alles kreist um Nicolas Cage

Willkommen in der Metawelt von „Massive Talent“. Unentwegt werden hier Referenzen und ironische Selbstreflexionen mit nerdigem Witz angereichert. Dabei ist der Film viel mehr als ein bloßes Spektakel – er ist eine Falle, ein Trick von einem der größten Trickster Hollywoods. Denn Nicolas Cage hat es verstanden, seinem eigenen Mythos einen neuen Dreh zu geben, und dieser Film von Tom Gormican ist darin ein weiteres Kapitel.

Denn „Massive Talent“ funktioniert einerseits ähnlich wie „JCVD“, in dem sich Jean-Claude Van Damme ziemlich gekonnt über sein Image lustig machte. Andererseits ist die Fallhöhe eine ganz andere. Hier beobachtet man einen Schauspieler, der den zweiten Frühling seiner Karriere vor Augen hat. Der wie ein Phoenix aus der Asche steigt und nun eine weitere Rolle spielt, indem er bei den Bildern, die über ihn kursieren, wieder die Oberhand zu gewinnen versucht.

Wenn man diesen streckenweise durchaus cleveren Unterhaltungsfilm verstehen möchte, ist es also unumgänglich, sich für einen Moment mit dem Hauptdarsteller auseinanderzusetzen, denn dieser ist die eigentliche Geschichte des Films; Nicolas Cage und seine Karriere sind der Filmkörper, die Dramaturgie und der Witz von „Massive Talent“. Natürlich bekommt man nicht den wahren Nick Cage zu Gesicht, der sein ganzes Leben lang gespielt hat – und damit auch jetzt nicht aufhören wird.

Aufstieg, Ruhm und herber Fall

„Massive Talent“ ist vor allem ein Ritt durch die Filmografie von Nicolas Cage, der in mehreren Szenen auf sein imaginiertes jüngeres Ich Nicky trifft. Dank digitalem Facelift steht das junge Alter Ego dem erschöpften Star gegenüber. Energetisch und voller Ambitionen grimassiert sich dieser Jungspund durch den Wahnsinn des Schauspielers. Jeden Moment erwartet man das berüchtigte ABC aus „Vampire’s Kiss“. Doch ausgerechnet dieser ikonische Freakout bleibt aus; es gibt nicht nur einen Cage, sondern viele Facetten.

An der Tatsache, dass Cage eines der größten Schauspieltalente seiner Generation ist, kann ohnehin kein Zweifel bestehen: wild, charismatisch und mit einer unberechenbaren Energie ausgestattet, strahlt er in guten Momenten den Geist einer vom deutschen Expressionismus infizierten New-Hollywood-Legende aus. Wenn es Regisseure verstehen, mit ihm umzugehen, resultieren daraus „Oscar“-prämierte Meisterwerke wie „Leaving Las Vegas“. Cage war aber auch der wohl unwahrscheinlichste Actionheld der 1990er-Jahre, der mit Sean Connery durch „The Rock“ hetzte, sich in „Con Air“ einem ganzen Flugzeug voller Superschurken entgegenstellte und schließlich in „Im Körper des Feindes“ das Gesicht mit John Travolta tauschte. Am Ende folgte dennoch der Sturz aus dem Schauspielerhimmel und die Erstarrung in Schulden, kreativer Ödnis und einem wahnsinnigen Internet-Meme-Kult.

Genau an dieser Erstarrung setzt „Massive Talent“ an und strickt aus der Krise einen Ausweg in den Buddy-Film hinein. Zwischen dem Superfan-Milliardär und dem abgehalfterten Star entsteht, wie bereits angedeutet, eine Freundschaft. Zu Beginn ist alles nur ein doppeltes Spiel, mit dem Cage durch seine Ermittlungen stolpert, um dem Waffenhändler hinter dem zurückhaltenden Spanier auf die Schliche zu kommen. Doch das Spiel wandelt sich über die gemeinsame Liebe zum Film in eine Form von Wahrhaftigkeit.

Da sitzen die beiden in einer der witzigsten Szenen des Films auf dem Sofa und schauen Gutierrez’ Lieblingsfilm „Paddington 2“. Dem Schauspieler kommen dabei die Tränen. Die Schönheit des Kinos ist überall zu finden, und sei es in diesem weiten Spannungsfeld zwischen „Das Cabinet des Dr. Caligari“ und einem sprechenden Bären. Doch Gutierrez ist und bleibt immer auch ein Verdächtiger, woraus der Film keine wirkliche Spannung zu ziehen vermag. Aber darum geht es auch nicht: Mit jedem Genrewechsel sollen lediglich Rahmen ausgespannt werden, um liebevolle Referenzen auf das umfangreiche Werk und die Persona von Nicolas Cage einbetten zu können.

B-Movie meint Buddy-Film

Während der erste Teil von „Massive Talent“ eher dem Drama zuneigt, die kreative Sackgasse und die familiären Probleme aufzeigt, bricht in die zweite Hälfte ein B-Movie als sich ausweitender Film im Film hinein. Das entstehende Filmprojekt verwandelt sich immer mehr in einen Actionfilm, der dann schließlich ganz real wird.

Spektakulär ist daran wenig, wenn Cage und Pascal schließlich zu den Waffen greifen oder sich Verfolgungsjagden liefern. Immer geht es um die Ähnlichkeiten zu einigen der hanebüchensten Arbeiten, zu denen Cage sich während seiner Karriere hat hinreißen lassen – also Tiefpunkten wie „Drive Angry“, „Vengeance“ oder „The Humanity Bureau“.

Ausgerechnet an dieser Stelle, wenn „Massive Talent“ so tut, als würde der Film das Actionfeuerwerk zünden, tauscht die Inszenierung ihren feinen Witz gegen eine Actionthriller-Handlung ein, die nicht wirklich zu fesseln vermag: Ob nun die entführte Tochter des Politikers befreit wird oder nicht – es ist schlichtweg egal. Alle warten nur auf die nächste Dosis Ironie, die Pointe und den weiteren Cage-Moment.

Während man Nicolas Cage gerne dabei folgt, wie er den richtigen Ton zwischen bodenständiger Exzentrik und exaltierter Komik trifft, schießt Pedro Pascal als möglicher Gangsterboss übers Ziel hinaus: Der Superfan grenzt ans Lächerliche und wird als Figur nicht wirklich ernst genug genommen. So mäandert „Massive Talent“ im letzten Drittel mit mittelprächtigen Figuren durch mittelprächtige Action, die erst am Ende, wenn der Film im Film dem B-Movie in den Blockbuster-Bereich entwächst, einen gewissen Sinn ergibt.

„Massive Talent“ ist über weite Strecken ein gelungener Spaß, ein Zaubertrick des Tricksters Nicolas Cage, der sich nun hoffentlich neue, andere Rollen erspielt; es bleibt indes abzuwarten, wie sehr Nicolas Cage seine eigene Karriere dekonstruieren und neu zusammensetzen kann. Sollten weitere Filme wie „Pig“ folgen, dann könnte aus einem zweiten Frühling auch ein neuer Hochsommer werden; einen Film wie „Massive Talent“ kann man allerdings nur ein einziges Mal drehen.

Erschienen auf filmdienst.deMassive TalentVon: Sebastian Seidler (14.1.2023)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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