Szene aus Maurice der Kater
Filmplakat von Maurice der Kater

Maurice der Kater

93 min | Komödie, Animation, Abenteuer | FSK 6
Tickets
Szene 1 aus Maurice der Kater
Szene 2 aus Maurice der Kater
Szene 3 aus Maurice der Kater
Szene 4 aus Maurice der Kater
Szene 5 aus Maurice der Kater
Szene 6 aus Maurice der Kater
Szene 7 aus Maurice der Kater
Szene 8 aus Maurice der Kater
Szene 9 aus Maurice der Kater
Szene 10 aus Maurice der Kater
Jede:r in dieser Stadt kennt das Problem mit den Ratten! Sie verstecken sich überall, klauen dem Konditor die Torten und tanzen auf den Tischen. Die Lösung: Ein Rattenfänger, um die Nagetieren zu bändigen. Die Straßenkatze Maurice (dt. Stimme: Bastian Pastewka) hat dafür schon den perfekten Plan ausgearbeitet. Er möchte sich aus Not der Menschen eine goldene Nase verdienen. Zusammen mit dem einfältigen, Flöte spielenden Jungen Keith (dt. Stimme: Jerry Hoffmann) und einer bunten Truppe kluger Ratten zieht er durch viele Dörfer. Er verspricht den Bewohner:innen, sie von der Rattenplage zu befreien und verlangt im Gegenzug Geld. Doch in Bad Blintz, stellen sie bald fest, dass ihr Plan nicht aufgeht. In den Kellern der Stadt wartet etwas sehr viel Düsteres auf sie. Nach dem gleichnamigen Roman von Terry Pratchett.

Filmkritik

„Maurice der Kater“, im englischen Original „The Amazing Maurice“, ist eine deutsch-britische Trickfilmproduktion, die aus dem hiesigen Ghetto des Vorschul-Kinderfilms auszubrechen versucht, um sich auf dem finanziell lukrativeren und auch langlebigeren Terrain des „Family Entertainment“ zu behaupten. Die Produzenten haben dafür die Rechte an dem Kinderbuch „The Amazing Maurice and his educated Rodents“ von Terry Pratchett aus dem Jahre 2001 erworben. Pratchett, eine Kultfigur der zeitgenössischen englischen Fantasyliteratur, Schöpfer der satirischen Scheibenwelt-Romane, hatte in „Maurice, der Kater“ seine Version des Märchens vom Rattenfänger aus Hameln niedergeschrieben und eine satirische Betrügergeschichte mit einer überbordenden Schar von bizarren Charakteren und Einfällen geschaffen, die von einem schaurigen Rattenkönig bis hin zu einer stepptanzenden Ratte mit Hut und Jackett reicht.

Eine Rattenplage ohne Ratten

In der Filmadaption von Toby Genkel und Florian Westermann, die mit der literarischen Vorlage recht frei umgeht, haben sich eine Gruppe von intelligenten Ratten mit dem gleichfalls begabten, aber wesentlich durchtriebeneren Kater Maurice und dem jungen, musikalisch talentierten Menschen Keith zusammengetan. Mit einem betrügerischen Rattenfänger-Trick ziehen sie von einer mittelalterlichen Stadt zur nächsten, um Geld für die Reise in ein vermeintliches Tierparadies zu sammeln, dass ihnen ein im Geiste von Beatrix Potter gestaltetes Kinderbuch namens „Herr Schlappohr erlebt ein Abenteuer“ verspricht. Diese quasi-religiöse Leichtgläubigkeit der Ratten wird von Maurice ausgenutzt und gesteuert, der auf eigene Rechnung arbeitet.

Die Truppe gelangt nach Bad Blintz, einem Städtchen, das unter einer Hungersnot leidet, obwohl keine Rattenplage die Stadt heimgesucht hat. Sehr zur Überraschung von Maurice und den Ratten findet man keinerlei Artgenossen. Dafür stößt die Bürgermeistertochter Malizia zu der Truppe, die dem Film bislang als außenstehende Erzählerin und Geschichten-Erklärerin zur Seite stand. Gemeinsam versuchen sie den Geheimnissen von Bad Blintz auf den Grund zu kommen, begegnet dabei finsteren Gesellen, mörderischen Rattenfängern oder Angst einflößenden Rattenkönigen.

Terry-Pratchett-Romane sind bekanntermaßen schwer zu verfilmen, wie diverse Versuche nahelegen. Netflix hat mit der Serien-Umsetzung von „Good Omens“ die bislang beste Umsetzung vorgelegt, wohl auch, weil sein Co-Autor Neil Gaiman wesentlich visueller als seine Zunft-Kollegen arbeitet. Die Figurenfülle der Pratchett-Romane, die alle handlungstragend und damit eigentlich unverzichtbar sind, die mäandernde, humoristischen Handlungsbögen, die sich hin und wieder überkreuzend, scheinbar ziellos dahinplätschern, die vielen philosophischen Ideen, die untrennbar mit hochintelligenten Parodien einhergehen: das alles ist eigentlich kontraproduktiv für eine Kinogeschichte von 90 Minuten. Drehbuchautor Terry Rossio, der stellvertretend für alle genannt sei, die an der visuellen Entwicklung des Films mitgewirkt haben, versucht sein Bestes, um der unendlichen Fülle eine einigermaßen stringente Handlung zu geben. Wirklich gelungen ist das aber nicht.

Eine bemühte Umsetzung

Der Film, dessen Kinoauswertung eigentlich für den Sommer 2022 geplant war, trifft jetzt auch noch auf ein eher gesättigtes Publikum, das soeben „Der gestiefelte Kater – Der letzte Wunsch“ im Kino kredenzt bekam. Und der Rattenfilm „Ratatouille“ hat sich derartig ins Filmgedächtnis eingebrannt, dass der Überraschungshit des Jahres 2022 „Everything, Everywhere All At Once“ mühelos daraus zitieren kann. Der Hunger nach Katzen- und Rattengeschichten dürfte derzeit also nicht besonders ausgeprägt sein.

Auf der Habenseite steht bei „Maurice, der Kater“ aber eine wirklich ansprechende tricktechnische Umsetzung im Rahmen eines vermuteten Budgets von 15 bis 17 Millionen Euro. Eine bezaubernde Lichtsetzung, schöne Sets, eine fließende Kamera, interessante Character Designs. Merkwürdig und wahrscheinlich dem international immer noch vergleichsweise bescheidenen Budget geschuldet sind allein manche Szenerien, die theatralisch wirken, steril und leer.

Doch das ist eher nebensächlich. Wirklich problematisch ist die erzählerische Seite. Pratchetts barocke literarische Fantasywelten auf einen Filmplot herunterzubrechen, scheitert auch hier mit wenig überzeugenden erzählerischen Kompromissen, die die Filmerzählerin Malizia an einer Stelle lakonisch dem Publikum zugewandt feststellen lässt, dass die Plotstruktur des Films teilweise nicht ganz durchdacht erscheint. Einzelne Segmente, etwa der Hundekampf oder der Besuch beim echten Rattenfänger, wirken bemerkenswert zufällig und behauptet; anderes, wie das erste Aufeinandertreffen von Malizia, Keith und Maurice, ist wunderbar humorvoll umgesetzt.

Die wenig homogene Filmerzählung leidet besonders darunter, dass der Film sich nicht an ein konkretes Publikum zu wenden scheint, sondern mit separaten Momenten auf verschiedene Gruppen schielt. Dazu kommt, dass die Hauptfigur Maurice von der hinreißend animierten Malizia locker unter den Tisch gespielt wird und mit den Ratten derartig viele Charaktere an die Seite gestellt bekommt, dass es viel zu lange dauert, bis man sich emotional für eine Figur entschieden hat, der man sein Herz schenkt. Gefühlt braucht der Film eine kleine Ewigkeit, um seine Story zu entwickeln, bis im letzten Akt das Tempo endlich anzieht.

Auf dem richtigen Weg

Es ist also schwer, hier ein Urteil zu fällen, ob und für wen sich der Besuch im Kino wirklich lohnt. Das ist alles sicherlich auf einem guten Weg und man möchte dringend hoffen, dass das deutsch-britische Team mit den Erfahrungen aus dieser Produktion weitermacht und mit Folgeproduktionen sein Talent unter Beweis stellen darf. „Maurice, der Kater“ ist ein Riesenschritt in eine bessere Zukunft des deutschen Animationsfilms, aber man kann nicht verschweigen, dass der Weg noch lang sein wird. Natürlich ist auch die Frage berechtigt, ob und inwieweit das überhaupt ein „deutscher“ Film ist. Aber das ist eine Frage, die mehr für die Filmförderung und für die deutschen Animationsschulen von Interesse sein dürfte.

Ein Vergleich des englischen und deutschen Trailers zeigt allerdings einen interessanten Unterschied auf. Die englische Fassung des Films wartet mit einer hochillustren Starstimmen-Riege auf, darunter David Tennant, Hugh Bonneville, Gemma Arterton oder David Thewlis, aus der Emilia Clarke als Malizia und Hugh Laurie als Maurice herausstechen. In der deutschen Fassung hört man dagegen Bastian Pastewka als Kater, unterstützt von Janin Ullmann und Jerry Hoffmann.

Erschienen auf filmdienst.deMaurice der KaterVon: Johannes Wolters (24.1.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
Über Filmdienst.de Filmdienst.de, seit 1947 aktiv, bietet Filmkritiken, Hintergrundartikel und ein Filmlexikon zu neuen Kinofilmen aber auch Heimkino und Filmkultur. Ursprünglich eine Zeitschrift, ist es seit 2018 digital und wird von der Katholischen Filmkommission für Deutschland betrieben. filmdienst.de