Szene aus Mavka - Hüterin des Waldes
Filmplakat von Mavka - Hüterin des Waldes

Mavka - Hüterin des Waldes

85 min | Animation, Abenteuer, Fantasy | FSK 6
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Seit jeher bergen die riesigen ukrainischen Wälder unzählige Geheimnisse und unergründliche Mysterien. Sie sind die Heimat wundersamer Fabelwesen, die unter uralten Bäumen leben und ihr heiliges Reich bewachen. Mavka ist eine Seele des Waldes und seine neu gewählte Wächterin. Ihre wichtigste Aufgabe ist es, den Wald und sein heiliges Herz - die Quelle des Lebens - vor jeglichem Angriff oder Eindringen zu schützen, auch von Seiten der Menschen. Lucas ist ein bescheidener Dorfjunge, der eine große Liebe zur Musik hat und davon träumt, sein Leben dieser Leidenschaft zu widmen. Und Lucas' Musik trägt dazu bei, etwas wirklich Bemerkenswertes zu bewirken: Mavka und Lucas lernen sich kennen und verlieben sich ineinander. Doch die Hindernisse werden noch größer, als die habgierige Kylina auftaucht, die als Erbin eines Sägewerks ihre eigenen Pläne mit dem Wald hat...
  • RegieOleh Malamuzh, Oleksandra Ruban
  • ProduktionUkraine
  • Dauer85 Minuten
  • GenreAnimationAbenteuerFantasyFamilie
  • AltersfreigabeFSK 6
  • Empfehlung der Jugendfilmjury
    7 - 99
  • TMDb Rating7/10 (633) Stimmen

Filmkritik

Im Januar 2023 geriet die ukrainische Dichterin Lessja Ukraijnka in die Schlagzeilen. Passanten legten an ihrem Moskauer Denkmal Blumen für die 45 Toten von Dnipro nieder, die bei einem russischen Angriff ums Leben kamen. Lessja Ukrainka, die unter Tuberkulose litt und 1913 im Alter von nur 42 Jahren starb, hatte weniger Jahre zuvor das Drama „Das Waldlied - Ein Märchen in drei Aufzügen“ geschrieben. Darin geht es um Mavka, eine Waldfee, die sich in den Dorfjungen Lukash verliebt, weil er so schön Flöte spielen kann, obwohl sich Menschen und Feen eigentlich nicht begegnen dürfen. Ins Deutsche wurde „Das Waldlied“ erstmals 1931 übertragen, kürzlich erschien es in neuer Übersetzung.

Nach einem schrecklichen Krieg

Bei der Verfilmung durch die ukrainischen Animationskünstler Oleh Malamuzh und Oleksandra Ruban wurden viele poetisch-verspielte Elemente der Vorlage allerdings nicht übernommen und aus der eigentlich durchaus frechen, leicht verpeilten Mavka eine eher schüchterne, naive Waldfee gemacht. In einer wie in Holzschnitten erzählten Rückblende, die ein wenig an „Die Eisprinzessin 2“ erinnert, erfährt man, dass die Menschen den Waldbewohnern einst die Quelle des Lebens rauben wollten. Nach einem schrecklichen Krieg wurde den Irdischen dann der Zugang zum geheimnisvollen Märchenwald mit seinen Nymphen, Waldschraten und Feen verwehrt.

Über das Abkommen sollte eigentlich der Hüter des Waldes wachen, doch der hat sich müde zur Ruhe gesetzt. Als eine Nachfolgerin wird die junge Mavka zur Hüterin des Waldes bestimmt. In dieser Funktion müsste sie Lukash eigentlich sofort des Waldes verweisen. Doch die Liebe folgt eigenen Regeln.

Mavka und Lukash brechen damit aber einen alten Pakt und beschwören eine Katastrophe herauf, weil Kilina, die böse Sägewerkbesitzerin, eine ganz eigene Agenda verfolgt.

In ihrem Streben nach Macht und Kontrolle über die Quelle des Lebens kann man durchaus eine ökologische Fabel über den Kampf des Menschen gegen Natur sehen, aber je nach Lesart auch eine Kapitalismuskritik oder Maschinenstürmerei. Natürlich ist „Mavka“ in erster Linie ein Kinderfilm mit klarem Gut-Böse-Schema, ähnlich wie in klassischen Disney-Filmen. Aber hinter einem gewissen Niedlichkeitslevel verbergen sich überraschende Abgründe, die ganz andere Assoziationen wecken.

Wenn die sehr zarte und gefühlvolle Mavka den Wald verlässt und Lukash sie stolz und ein wenig linkisch bei den Dorfbewohnern präsentiert, kann die manipulative Kilina die Menschen schnell dazu aufwiegeln, in Mavka eine Hexe zu sehen, von der eine lebensbedrohliche Gefahr ausgeht. Und die bis dahin zwar etwas grobschlächtigen, aber nicht bösartigen Dörfler verwandeln sich in einen wilden, fanatisierten Mob, der alles zerstören, verbrennen und vernichten will, was irgendwie anders ist. Diese pogromartige Stimmung ist der Grund dafür, dass mancher sich auf Mavka stürzen will und später mit Flammenwerfern den Wald und die Natur zerstört.

Um den ihr anvertrauten Raum zu retten, muss Mavka das Sanfte und Liebe in sich abtöten und sich in eine schreckliche Kriegerin verwandeln, die dann aber kaum noch zu stoppen ist.

Ukrainische Folklore-Elemente

Man macht es sich zu leicht, wenn man „Mavka – Hüterin des Waldes“ nur durch eine westliche Brille betrachtet und die Handlung als altmodisch oder bekannt abtut. Ebenso, wenn man „Mavka“ nur als eine Ansammlung von Versatzstücken aus „Avatar“, „Shrek“ oder „Die Schöne und das Biest“ interpretiert. Optisch erinnert der Film mitunter zwar durchaus an US-amerikanische Vorbilder, wirkt aber in den Zeichnungen der Figuren weicher als die eher kantigen Dreamworks-Charaktere und nicht so fotorealistisch oder dreidimensional wie bei Pixar. Insbesondere Fantasiefiguren wie der Waldschrat oder generell alle Naturwesen und Pflanzen sind schön und liebevoll animiert. Die Produktionszeit betrug sieben lange Jahre; ein erster Trailer existiert bereits seit 2017.

Ukrainische Folklore-Elemente erkennt man nicht nur an den Kostümen, sondern auch den Liedern und Liedtexten. In der ukrainischen Originalfassung mit deutschen Untertiteln bekommt man für diese andere, leicht poetische Sprache durchaus ein Gespür.

Mit dieser O.m.d.U.-Fassung beginnt dann auch eine unglaubliche Erfolgsgeschichte. Noch vor dem offiziellen deutschen Kinostart am 8. Juni 2023 haben bereits 100.000 fast ausschließlich in Deutschland lebende Ukrainer:innen mit ihren Kindern den Film in dieser Fassung gesehen. In Frankreich wurden über 500.000 Besucher gezählt, in Italien fast 200.000; in beiden Ländern kam der Film wie ein US-amerikanischer Familienblockbuster mit Hunderten von Kopien ins Kino.

Erfolgreichster ukrainischer Film aller Zeiten

Damit ist mitten im Krieg plötzlich ein Animations-Blockbuster aus der Ukraine aufgetaucht, der im eigenen Land trotz der russischen Dauerangriffe zu Besucherrekorden führte und „Mavka“ zum erfolgreichsten ukrainischen Film aller Zeiten machte. Allein diese Erfolgsstory ist schon sympathisch und stimmt irgendwie hoffnungsvoll, ebenso wie ein Filmkuss, den man im prüden US-amerikanischen „Family-Entertainment“ sicher nicht sehen würde.

Trotz aller Folklore, einem gelegentlichen Hang zum Überwältigungskino und einer guten Portion Kitsch bleibt „Mavka“ aber ein sehenswerter, leidenschaftlicher Kinofilm, der für ältere Filmfans einige amüsante optische Überraschungen parat hält. Die etwas tumben Leibwächter der Oberschurkin Kilina sind Zwillinge und sehen den wohl berühmtesten ukrainischen Boxer-Brüdern aller Zeiten sehr ähnlich. Irgendwann huscht dann auch eine E.T.-ähnliche Silhouette am Mond vorbei. Außerdem sollte man unbedingt bis nach dem Abspann sitzen bleiben. Dort wird dann an einen nicht unbekannten Hollywoodfilm mit Brad Pitt erinnert.

Erschienen auf filmdienst.deMavka - Hüterin des WaldesVon: Jörg Taszman (27.1.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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