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Possessor

103 min | Science Fiction, Thriller, Horror
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Eine Firmenagentin namens Vos dringt mithilfe von Hirnimplantaten in die Körper anderer Menschen ein und bringt diese dazu, Morde zum Wohle der Firma zu begehen. Als bei einem Routineauftrag etwas schief geht, findet sich Vos im Körper eines Mannes gefangen, dessen Identität ihre eigene auszulöschen droht. (Quelle: Verleih)

Filmkritik

Sobald die Anfangsbilder durch sind, weiß man: Es wird Blut geben. Viel Blut. Schon der erste Mord signalisierte eine Liebe zur Sauerei. In diesem Fall ist es ein Steakmesser, das durch eine Kehle schneidet. Später sind es ein Fleischspieß und ein Hackebeil. Werkzeuge, mit denen das Töten nicht sauber oder distanziert verlaufen kann, sondern eine gewisse Hysterie beim Mörder befördert.

Von diesem Mörder wird erzählt; es handelt sich um eine Frau, eine mal mehr, mal weniger kaltblütigen Auftragskillerin. Deren emotionale Schwankungen im „Job“ beobachtet der Film von Brandon Cronenberg.

Mischung aus Groteske und Poesie

Allein der Gedanke, nach „Antiviral“ einen zweiten Film von David Cronenbergs Sohn Brandon zu sehen, macht neugierig. Die Geschichte ist Science-Fiction, da ähnelt der Sohn seinem Vater, der zwischen 1969 und 2014 mindestens 17 Filme gedreht hat, die zu den irrsten Klassikern des Science-Fiction-Genres zählen. Auch in „Possessor“ geht es um eine kühle kanadische Zukunftsvision, um Horror aus Toronto, mit reichen gefühllosen Menschen in einer ziemlich geschmacklosen Umgebung. In der Bildästhetik, in Formen, Farben oder Interieurs steckt eine Mischung aus Groteske und Poesie, die manchmal einen Anklang an Bilder besitzt, die man mit David Cronenberg verbindet. Das bedeutet aber lediglich eine kleine Freude am Rand, den Rest meistert der Sohn ganz gut aus eigener Kraft.

Er erzählt von einer Auftragsmörderin, die ihren Job relativ unkonventionell ausführt. Wissenschaftler versetzen ihr Bewusstsein mithilfe futuristischer Techniken in eine andere Person, in der sie die Kontrolle über Verstand und Gefühl übernimmt. Diese Person wird vorher im Umfeld des Opfers ausgewählt, was den Mord leichter macht und außerdem auch die Vertuschung des Mörders. Denn um wieder in den eigenen Körper zurückzugelangen, muss die Killerin den Körper des Wirtes töten. Am Tatort bleiben nur Leichen zurück.

Zwischen Schuld und Vergebung

Genau darin aber liegt das Problem der Hauptfigur namens Tasya Vos (Andrea Riseborough): Ihr fehlt der Mut zum Freitod. Ihr fehlt aber auch die richtige Gewissenlosigkeit, da sie noch in Kategorien von Schuld und Vergebung denkt. Das kann fatale Konsequenzen haben – so sieht das jedenfalls ihre Firma.

Vos möchte nach einem erledigten Auftrag gerne Urlaub; sie will Zeit mit Mann und Sohn verbringen. Auch damit macht sie sich in der Firma nicht beliebt. Nach 24 Stunden zuhause lässt sie sich doch zu einer neuen Mission überreden. Von da ab läuft nichts mehr so flüssig, wie sie es sonst kennt. Während sie ein paar Tage im Körper des aktuellen Wirts (Christopher Abbott) verbringt, merkt sie, dass der nicht nur die Macht über sein eigenes Gehirn wiederzuerlangen versucht, sondern über ihres gleich mit.

Brandon Cronenberg meistert die nicht sonderlich einfache Aufgabe, zwei Persönlichkeiten im Innern eines Körpers so zu zeigen, dass man ihre Unterschiede und ihre Kämpfe visuell erkennen kann. Dafür rafft oder dehnt er die Zeit, überlagert Gesichter und Farben, nutzt großflächige Spezialeffekte, die über die Leinwand fließen wie Wasserläufe in Blau und Rot.

Was bestimmt die Identität einer Person?

Was Cronenberg bei diesen Kämpfen von Killerin und Wirt verhandeln will, ist das Selbstverständnis einer Person. Woran macht man fest, was die eigene Identität bestimmt? Was kann man an Gefühlen aufrufen, um ein Fundament zu bilden, auf dem man sich seiner selbst sicher fühlt? Das gibt dem Film zwischendurch eine sanfte Note, die das Unbehagen mildert, das die Morde hervorrufen. Die Erinnerung an Sex und Liebe, Mann und Kinder spielt eine Rolle, womit aber nicht zwangsläufig die Rettung einhergeht – eine angenehm hollywoodferne Dramaturgie.

Die jeweilige Machtübernahme der Kontrahenten beschreibt Cronenberg spannend genug, den steten Wechsel lässt er allerdings ein bisschen zu oft geschehen. Am Ende aber jubelt er dem Film die generelle Technologiekritik unter, die im Genre gerne eingenommen wird: Die größte Skrupellosigkeit liegt nicht bei der Killerin; sie liegt bei den Wissenschaftlern, die das Mörderbusiness stetig verfeinern.

Erschienen auf filmdienst.dePossessorVon: Doris Kuhn (29.1.2023)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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