Szene aus Promising Young Woman
Filmplakat von Promising Young Woman

Promising Young Woman

113 min | Drama, Thriller, Krimi | FSK 16
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In "Promising Young Woman" spielt Carey Mulligan eine Frau auf der Suche nach Rache. Die Oscar®-nominierte Engländerin ist bekannt für ihre Darstellung komplexer Frauenrollen. Von der Musik, über die Kostüme bis zur unglaublich guten Storyline ist der Film ein großartiges Meisterwerk. Im Rahmen der Oscarverleihung 2021 erhielt der Film fünf Nominierungen und wurde für das beste Originaldrehbuch ​mit einem Oscar gekrönt.

In Cassies Leben ist nichts, wie es scheint. Sie ist klug, gerissen und führt bei Nacht, angetrieben von einem Trauma aus ihrer Vergangenheit, ein mörderisches Doppelleben. Abend für Abend besucht sie Bars und Clubs, um sich an Männern zu rächen, die sich an hilflosen Frauen vergehen. Doch eine unerwartete Begegnung könnte ihr schließlich die Möglichkeit bieten, einige ihrer eigenen Fehler aus der Vergangenheit wieder gut zu machen.

Filmkritik

Am Wochenende immer dasselbe Ritual: Für jeden Mann gibt es einen Eintrag in ihrem Notizbüchlein. Die Strichliste ist mittlerweile mehrere Seiten lang. Doch wer hier über die Freizügigkeit der jungen Cassie schmunzelt, ist ihr schon auf den Leim gegangen, denn ihre Sammlung ist eine Galerie der Schande. Zwar lässt sie sich Abend für Abend von Männern abschleppen, doch hat sie eine Mission: Sie zieht durch Clubs, hängt in verrutschten Outfits scheinbar sturzbetrunken in der Ecke und lässt sich von edlen Rettern nach Hause begleiten. Wenn diese sich dann doch nicht als so edel erweisen und ihren Zustand ausnutzen wollen, um sie ins Bett zu bekommen, legt Cassie im richtigen Moment den Schalter um und fragt stocknüchtern: „Was machst Du da?“

Boys will be boys

Diesen Moment der totalen Kontrolle kostet Cassie voll aus, jene Millisekunde, die der Mann braucht, um zu verstehen, dass sie gar nicht betrunken ist und deshalb weiß, was er gerade mit ihr vorhat. Das Winseln, er sei doch ein guter Kerl und habe nichts Böses im Schilde geführt. Die Wut darüber, ertappt worden zu sein, die in Aggression umschlägt.

Die britische Autorin und Schauspielerin Emerald Fennell nimmt in ihrem Regiedebüt „Promising Young Woman“ strukturelle Gewalt gegen Frauen in den Blick. Der Film ist eine bitterböse Rachefantasie gegen die „Rape Culture“, jene misogynen Strukturen, die sexualisierte Gewalt gegen Frauen normalisieren und Täter zu Opfern machen. Sie fordere „es“ ja geradezu heraus, so wie sie im Vollsuff breitbeinig und mit hochgerutschtem Rock dasäße, lacht eine Männergruppe, die in Cassies Richtung giert. Boys will be boys; sie hätte sich ja etwas weniger Aufreizendes anziehen können.

Weshalb Cassie am Wochenende zum Racheengel wird, entfaltet sich erst nach und nach. Während des gemeinsamen Medizinstudiums wurde Cassies Jugendfreundin Nina brutal vergewaltigt - und niemand glaubte ihr.

Fennell sieht davon ab, alles auszuerzählen. Das macht Ninas Abwesenheit nur noch präsenter. Je weniger Cassies Umwelt über Nina spricht, desto schwerer wiegt die Ahnung, was aus ihr wurde. Das institutionalisierte Schweigen und die Tabuisierung von Vergewaltigung sind für Cassie omnipräsent und lähmen sie regelrecht. Der Versuch, unter diesen Bedingungen Trauer und Wut zu verarbeiten, dauert nun schon sieben Jahre.

Eine Kassandra, die dem Fluch entkommen will

Aus der einstigen „vielversprechenden jungen Frau“ ist in den Augen ihrer Familie ein Wrack geworden. Sie hat die Uni geschmissen, lebt noch bei ihren Eltern und begnügt sich mit einem Job in einem Coffee Shop. Sie solle das Vergangene hinter sich lassen und nach vorne blicken, wird ihr von allen geraten. Cassie wird so zur modernen Kassandra, deren Ruf nach Wahrheit nicht ernst genommen wird. Doch der Tragik der griechischen Mythologie versucht Cassie mit allen Mitteln zu entkommen; deshalb sucht sie selbst nach den Vergewaltigern ihrer Freundin.

Carey Mulligan spielt Cassies Gefühlschaos zwischen Rachefantasie und geschundener Psyche auch in der satirischen Überspitzung lebensnah und nachvollziehbar. Sie sehnt sich einerseits nach der großen Liebe, ist aber andererseits nicht in der Lage, Nähe zuzulassen, weil sie in ihrem Pessimismus weiß, dass es im wahren Leben eben keinen Märchenprinzen geben kann, wenn schon die meisten guten Kerle Dreck am Stecken haben.

Alle Erwartungen laufen ins Leere

Emerald Fennell holt mit Cassie das Genre des „Rape Revenge“-Films auf den Boden der Tatsachen zurück. Cassies persönliche Mission ist zum Prinzip geworden, denn die Flut an eigentlich guten Kerlen, die sich an hilflosen Frauen vergehen wollen, reißt nicht ab. Der Film bleibt allerdings nicht am Genre der „Rape Revenge“ hängen, sondern hat sichtlich Freude daran, Zuschauererwartungen zu enttäuschen und auszustellen. Wie Cassie kostet auch der Film genau jene Momente aus, in dem Todernst und bittere Ironie kaum mehr voneinander zu unterscheiden sind, wenn aus Spiel Ernst wird, aus Scherz Gefahr.

In dieser Hinsicht ist „Promising Young Woman“ ein Film, der sein Publikum auf den ersten Blick blendet. Auch die bubblegumfarbene Welt, in der Cassie lebt, ist nur noch Kulisse, Teil ihres alten girlie-feministischen Selbst – und einer in gewisser Weise überkommenen Auffassung von Film: Fennell verankert in ihrem „Oscar“-prämierten Drehbuch auch deshalb eine Vielzahl von Genres, um sie mutwillig ins Leere laufen zu lassen. Kurz scheint Cassie die Chance auf ein Happy End zu haben, wie es nur in Romantic Comedys vorkommen kann. Bald darauf scheinen ihre Recherchen endlich Gehör zu finden und in eine Detektivhandlung zu münden. Doch all diese abgedroschenen Handlungsstränge setzt Fennell lediglich ein, um die darin verankerten Frauenrollen von ihren Vorgaben zu lösen und Cassie so eine tatsächliche Emanzipation von filmischen wie gesellschaftlichen Erwartungen zu ermöglichen.

Weniger weit hergeholt

Dass dabei die pastellfarbenen Mädchenträume in nihilistische Rachefantasien umschlagen, ist nur konsequent und macht „Promising Young Woman“ zu einer rabenschwarzen Satire über Gender-Politik. Die ist jedoch weniger weit hergeholt, als es auf den ersten Blick erscheint. Der „Variety“-Kritiker Dennis Harvey bezeichnete Carey Mulligan in seiner Rezension wegen ihres Aussehens als unglückliche Besetzung und deutete an, dass sie nicht schön genug sei, um als glaubhafter Racheengel zu agieren. Das ist als persönliche Geschmacksäußerung nicht anfechtbar, wirkt als Kommentar angesichts der recht deutlichen und schlau vorgetragenen Agenda des Films aber mindestens arglos und beinahe wie der Beweis dafür, weshalb es „Promising Young Woman“ geben muss.

Erschienen auf filmdienst.dePromising Young WomanVon: Sofia Glasl (25.1.2022)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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