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Siam Diary - Ein Film Über das Reisen

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Szenebild von Siam Diary - Ein Film Über das Reisen 1
Auf der Sukhumvit Road in Bangkok hat die Abendvorstellung begonnen. Gezeigt wird das Stück "Schein oder Nichtschein", während im Wat Phra Dhammakaya, "Alien Space" genannt, 100.000 Kerzen die Nacht illuminieren und ein plötzlicher Regenguss die Gläubigen vertreibt. Fon bedeutet Regen, und dieser fällt manchmal wie ein wütender Vorschlaghammer vom Himmel. Im Backpacker Paradies Pai betreibt Chanothai einen Food Truck und beglückt Hippies 2.0 mit Smart Watch, Smartphone und Tablet, mit veganem Essen. Für Unterhaltung sorgt der Ausnahmekünstler Jeffrey Marshall, der auf beeindruckende Weise zeigt, dass man auch ohne Arme und Beine Musik machen kann. Elfenartige Mädchen in Schmetterlingskostümen geben sich dem Rhythmus hin und verleihen seiner Musik Flügel. Pattaya hat den Off-Season-Blues. Der Strand ist menschenleer, Eichkätzchen tummeln sich auf Strandliegentürmen, die Kokosnussverkäufer sind verschwunden, Barmädchen und Ladyboys auf Heimaturlaub und die Sugardaddys abgezogen. Josef aus Tirol ist geblieben und lebt mit seiner thailändischen Frau, umgeben von Gartenzwergen, ein beschauliches Leben im Isaan. Er verschönert seine Umgebung mit Motiven vom bäuerlichen Leben seiner alten Heimat. Meinungsfreiheit ist ein kostbares Gut, das in Thailand mit langjährigen Gefängnisstrafen bezahlt wird. "Wir sind Kämpfer, aber keine Krieger", rufen junge Demokratie AktivistInnen. Sie halten Sonnenblumen in Händen, während blutrote Farbe über ihre Köpfe rinnt. Sie fordern die Freilassung politischer Gefangener und die Abschaffung des Majestäts-Beleidigungsgesetzes.
"SIAM DIARY" ist ein cineastisches Tagebuch einer Reise durch das Land des Lächelns. Es ist ein sehr persönlicher Film über Sinn und Unsinn des Reisens, über das Losziehen, das Fremd- und Anderssein, das Staunen, die Liebe, die Freiheit, das Wunder Natur und die Würde des Menschen.
  • Walter Größbauer
  • Österreich (2025)
  • 95 Minuten
  • Dokumentarfilm

Warum der österreichische Filmemacher Walter Größbauer seine Reisedokumentation über Thailand mit „Siam Diary“ betitelt, verrät er in seinem Filmtagebuch nicht. Eine Reise in die Vergangenheit des Landes, das sich zeitweise deutlich über sein heutiges Staatsgebiet hinaus ausdehnte, ist der Film jedenfalls nicht. Ebenso wenig ist der Blickwinkel auf Land und Leute nostalgisch. Bewusst thematisiert Größbauer die Schattenseiten, den politischen Protest und die Repression in Thailand. Er zeigt Armut und Prostitution in Bangkok, fotografiert die Umweltverschmutzung oder geht den Folgen des Tsunamis aus dem Jahr 2004 nach, bei dem in dem kleinen Örtchen Ban Nam Khem von 500 Häusern nur zehn verschont blieben.

Eine essayhafte Collage

Die essayhafte Collage fängt schlaglichtartig die widersprüchlichen Facetten der Region ein: mit der urbanen Moderne, einer selbstbewussten queeren Community oder dem gehandicapten, mit den Füßen spielenden Bassisten und Sänger Jeffrey Marshall. Dazu kommen die Massenzeremonien meditierender Buddhisten und Buddhistinnen, die den Visak-Tag oder das Geisterfest von Dan Sai begehen. Und die Menschen in den abgelegenen, kaum entwickelten Landstrichen. Aber auch ein pensionierter Österreicher, der eine junge Thailänderin geheiratet hat und mit ihr und ihrem gemeinsamen Sohn mittlerweile in Udon Thani lebt und Bilder malt.

Der Titel „Siam Diary“ hängt wahrscheinlich auch damit zusammen, dass die Thailand-Reportage dadurch geheimnisvoller und poetischer klingt. Auf die ästhetische Gestaltung des Films legt Größbauer erkennbar großen Wert. So rigide und auch ein wenig selbstgerecht er den oberflächlich-ignoranten, neokolonialistischen Pauschal- und Instagram-Tourismus anprangert, so sehr hebt sich sein Film von den mit Drohnenbildern aufgehübschten Digicam-Berichten ab, mit denen Backpacker-Pärchen oder Alleinreisende ihre Selbsterfahrung crowdfinanzieren.

Im Geist der Beat-Generation

Die Aufnahmen werden visuell sorgsam in Szene gesetzt, fein austariert und kadriert. Und das Voice-Over ahmt den lyrischen Tonfall der Beat-Generation nach. So entstehen behutsam ausgeleuchtete, überwältigend schöne Gemälde, selbst wenn es neben traumhaften Stränden auch der pandemisch angespülte Plastikmüll ist, der das Bild füllt. Statt Tage oder Kilometer zu zählen, lässt der Filmemacher die Impressionen scheinbar sprunghaft und assoziativ ineinander übergehen: Trainingscamps für Thaiboxen, Elefanten fütternde Touristinnen, überdimensionierte goldene Buddhastatuen, Marktstände im Regen.

„Siam Diary“ zählt nicht zu den Reisedokumentationen, bei denen man das Gefühl hat, unmittelbar dabei zu sein und quasi mitzureisen oder die ein solches Fernweh entfachen, dass man innerlich schon die Koffer packt. Es ist ein Film „über das Reisen“, der bewusst Distanz wahrt und gerade daraus eine eigene künstlerische Kraft schöpft.

Veröffentlicht auf filmdienst.deSiam Diary - Ein Film Über das ReisenVon: Stefan Volk (7.4.2025)
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