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Skinny Love

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Die Beziehung zwischen der bisexuellen Sex-Influencerin Emilý und der Geochemikerin Katinka ist liebevoll, sexy und offen. Und das Beste? Katinka lebt in Polen, weswegen Emilý sich in Island in Ruhe auf ihre wachsenden Follower-Zahlen konzentrieren kann. Doch auch Online-Sexarbeit hat ihre Tücken: Trolle belästigen Emilý auf den Straßen Reykjaviks, das Geld reicht sowieso nie und getragene Höschen sind NICHT steuerlich absetzbar?! Und dann zieht Katinka auch noch nach Island – mit dem Ziel, ihre Beziehung auf die nächste Stufe zu bringen.
Lustvoll, witzig und echt; „Skinny Love“ nähert sich vorurteilsfrei den Leidenschaften und Ideen, die die Gen-Z wirklich beschäftigen. Ob Sexarbeit oder Polyamorie – warum muss man immer alles problematisieren? Regisseur Sigurður Anton Friðþjófsson zeigt lieber, wie finanzieller Druck und die Sehnsucht nach einem authentischen Selbstausdruck die Welt junger Menschen prägen. Ein Film, der Ja sagt zum Leben. Und zur Lust.

Man kann eine Zukunft sehen in „Skinny Love“ von Sigurður Anton, eine glückliche, nüchterne Zukunft, in der junge Frauen ihren Lebensunterhalt mit Online-Sexarbeit verdienen, und es ist kein großes Ding. Kein Geheimnis, keine Peinlichkeit, sondern eine normale Sache, über die die Frauen mit ihren Müttern reden, mit ihren Steuerberaterinnen, mit ihren Liebsten und allen anderen Freunden. Sex-Business ist ein Business wie Mathenachhilfe, niemand regt sich auf, solange man nicht vor Kindern „ficken“ sagt, niemand denkt an Scham oder Beschämung. Diese Zukunft findet sich in Island, und sie funktioniert nicht nur befreiend, sondern macht auch richtig Spaß.

„Heutzutage macht jeder Pornos“, heißt es einmal, während Emily mit ihren Freundinnen in Reykjavik Mieder ausprobiert und die Beleuchtung ihres Wohnzimmers ins Pinke verschiebt. Emily ist die Frau, die kitschige Erotik-Fotos von sich auf ihren Online-Kanal stellt und live vor der Kamera mit ihren Abonnenten schäkert, alles gegen Geld natürlich. Allerdings muss sie hauptsächlich die männliche Kraft und Schönheit der Kunden preisen, da ist man kurz wieder in der Vergangenheit, wie in einem anderen, langweiligen Land, über das Emily entsprechend entnervt den Kopf schüttelt. Man sieht ihre Online-Erfahrungen mit Männern und wundert sich, dass Frauen überhaupt noch heterosexuelle Beziehungen eingehen. Aber der Film macht vor keiner sexuellen Verbindung halt, er zeigt, was es gibt, und alles optimistisch.

Neue Freiheit mit neuer Verantwortung

Neben der Sexarbeit hat man trotzdem genug Vergnügen in „Skinny Love“, Vergnügen mit und ohne Sex. Es ist der Umgang der Frauen miteinander, die Solidarität ihrer Freundschaft, die der Film angenehm unspektakulär sichtbar macht. Emily und ihre Freundinnen sind Mitte zwanzig, ausgelassen, großzügig, denken nicht besitzergreifend. Manchmal stoßen Teenager dazu, deren Aufgabe es ist, sich noch unbedenklicher auf Online-Sex einzulassen als die 25-Jährigen, nur damit die an ihnen erklären können, wo es Grenzen gibt oder Gefahren, weil die Kundschaft der alten weißen Männer noch nicht ganz in der isländischen Zukunft angekommen ist. Man lernt also, dass mit der Freiheit durchaus Verantwortung einhergeht, in dieser Zukunft.

Es macht so viel Spaß, den verschiedenen Frauen zuzusehen, weil es den ganzen Film über wirkt, als sagten alle die Wahrheit. Man kommt ihnen – und den wenigen Männern – nah genug, dass man mit ihnen grinsen muss oder mit ihnen die Augen verdreht, während ihre Dialoge an einer Wirklichkeit entlangschrammen, die man ihnen eigentlich immer glaubt. Diese Wirklichkeit wiederum hat nichts mit Sex zu tun, sondern mit Gefühl. Die Frauen haben Ärgernisse im Job, denn es gibt nicht ausschließlich den Sex-Verdienst. Sie haben nervtötende Nachbarn, haben Angst, ob das Geld reichen wird, oder sie müssen Entscheidungen treffen innerhalb ihrer Beziehungen.

Schluss mit offen und Schluss mit fern

Denn das ist die andere Seite des Films: die Liebe. Emily hat eine Freundin in Polen, Katinka, und die hat die Nase voll von einer Fernbeziehung. Sie will Emily „exklusiv“ als ihre Freundin, also Schluss mit offen und Schluss mit fern. Dazu will sie nach Island ziehen, und Emily muss sich entscheiden, ob die Exklusivität ebenfalls ihr Plan ist. Auch dabei bleibt der Film äußerst gelassen, zu einem Drama kommt es nicht, nur zu Gesprächen, und die sind ähnlich verstockt oder verwirrt, wie man die Realität von Beziehungsgesprächen bei schweren Entscheidungen kennt. Die Lösung wiederum ist fröhlich, so erfrischend wie die ganze Geschichte, weil sie in einem Punkt das konventionelle Glück beibehält – am Verliebtsein ändert sich nichts, bei aller zukunftsweisenden sexuellen Selbstbestimmung.

Veröffentlicht auf filmdienst.deSkinny LoveVon: Doris Kuhn (21.10.2025)
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