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The Birth Of Kitaro – Das Geheimnis von Gegege

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1955. Kitaros Vater, Medama Oyaji, kommt auf der Suche nach seiner verschwundenen Frau nach Yagura Village. Das Dorf wurde vom Ryuga-Clan regiert, der hinter den Kulissen die politischen und wirtschaftlichen Kreise Japans kontrolliert. Mizuki, der in einer Blutbank arbeitet, besucht das Dorf mit der geheimen Mission, um den Tod des Oberhaupts seiner Familie zu betrauern, und trifft dort Kitaros Vater. Während sich ein hässlicher Streit um die Nachfolge des Familienoberhaupts entfaltet, wird ein Mitglied der Familie im Dorfschrein brutal ermordet. Es war der Beginn einer schrecklichen Kette von Ereignissen.

Nur wer an Geister glaubt, vermag diese auch zu sehen. Das klingt wie ein simpler Erzählkniff, den sich Kinder ausdenken, damit eine Geistergeschichte auch dort noch Sinn ergibt, wo sie nicht allzu durchdacht erscheint. In der von dem japanischen Manga-Zeichner Shigeru Mizuki erschaffenen Welt von „Gegege No Kitaro“ ist dieser einfache Dreh allerdings ein Grundbaustein und zugleich die Diagnose eines kulturellen Verlustes: Die moderne Gesellschaft hat dem Unsichtbaren den Rücken gekehrt; sie vermag die transzendenten Wesen nicht mehr zu sehen, auch wenn diese noch immer existieren.

Bei Shigeru Mizuki existieren die Yokai genannten Figuren der japanischen Folklore nicht nur inmitten der Gesellschaft, sie existieren innerhalb eines eigenen, direkt mit der modernen Welt verwobenen Sozialsystems. Ähnlich wie die Götter des griechischen Mythos sind sie ebenso mächtig wie fehlbar. Doch im Unterschied zu den Olympiern sind sie keine anthropomorphen Götter, sondern animistische Wesen: tierartige, dämonische, hybride oder gar gegenständliche Gestalten, denen eine Seele innewohnt.

Geisterwesen in der Gegenwart

Die „Gegege No Kitaro“-Serie prägt das Bild der Yokai bis heute: die Figuren bekamen von Mizuki eigene, teils gänzlich neue Identitäten und zählen auch nach dem Tod des Künstlers im Jahr 2015 zu den bedeutendsten Manga-Schöpfungen Japans. Die zunächst als Papiertheater aufgeführten Manga-Geschichten entwickeln sich entlang der Historie des Landes, wandten sich später aber gegen die Entzauberung der Welt und der Vernichtung der Ökosphäre zu und spielen auch heute noch eine Rolle inmitten der Malaise moderner Digitalgesellschaften.

Das Prequel „The Birth of Kitaro: Das Geheimnis von Gegege“ setzt wie die ersten Mangas von Shigeru Mizuki im Japan der Nachkriegszeit an. Der Protagonist Kitaro ist, wie es der Titel verrät, noch gar nicht geboren. Im Zentrum steht nicht die nationale Identitätsfindung, die in der Serie sonst allegorisch angespielt wird, sondern die Nachwehen des Pazifikkriegs. „The Birth of Kitaro“ handelt von Kriegsprofiteuren und Kriegsversehrten. Nicht zufällig ist der Protagonist nach dem Schöpfer der Reihe benannt. Der Manga-Zeichner Mizuki kehrte als schwer traumatisierter Kriegsversehrter nach Japan zurück; und auch der Protagonist Mizuki wird wieder und wieder von den Bildern der erlebten Gräuel heimgesucht. Als kleiner Beamter soll er ins ländliche Nagura reisen, um Kontakte zu den Erben des Familienimperiums Ryuga zu knüpfen. Das Pharma-Unternehmen des Ryuga-Clans ist während des Krieges äußerst profitabel gewesen.

Ein Verdächtiger ist schnell gefunden

Obschon Mizukis Manga und die späteren Anime-Adaptionen nicht vor Brutalität zurückschrecken, setzen in „The Birth of Kitaro“ die Traumata des Krieges einen spürbar düstereren Ton. Bereits die aus dem Testament des Patriarchen Tokisada Ryuga verlesene Erbfolge zieht einen brutalen Mord nach sich. Nicht der favorisierte Katsunori Ryuga soll das Familienunternehmen erben, sondern der bis dato lang verschollene älteste Sohn Tokimaro Ryuga. Damit soll nicht der Anzugträger und Geschäftsmann, sondern der emotional instabile, in seinem aristokratischen Edo-Zeit-Gewand durchaus bizarr wirkende Tokimaro an die Spitze der Familie rücken. Doch bereits am nächsten Tag wird seine brutal entstellte Leiche gefunden. Ein Verdächtiger ist ebenfalls schnell identifiziert: In der Nähe des Familienanwesens wird ein Fremder aufgegriffen.

Der Mann soll noch an Ort und Stelle standgerichtlich exekutiert werden. Damit aber wird unwissentlich ein Kontakt zur Welt der Geister hergestellt. Denn der Fremde ist Gegaro, ein Yokai, wenngleich er auf den ersten Blick wie ein Mensch erscheint und sein linkes Auge allzu intensiv in die Welt starrt. Gegaro sucht seine Frau. Die Belange der Menschen interessieren ihn nicht wirklich. Da er aber der Einzige ist, der die Geheimnisse der Familie Ryuga kennt und Gefallen an dem jungen Beamten Mizuki findet, der sein Leben gerettet hat, hilft er ihm, den Mordfall aufzuklären.

Fantasmagorische Albtraumbilder

Strukturell ist „The Birth of Kitaro“ damit ein Krimi und wirkt mit seinem abgeschiedenen Setting und einem großen Kreis an Verdächtigen fast wie ein Agatha-Christie-Roman. Wäre da nicht die spirituelle Welt, die unaufhörlich dazwischenfunkt. Maskierte Dämonen, schwebende Flammen, Riesenskelette und ein Bannkreis suchen Menschen und Yokai gleichermaßen heim und zerren den Film immer wieder in die albtraumhaften Untiefen von Horror und Action. Die dazugehörigen Szenen sind aufwändig animiert und vom kreativen Geist der Yokai-Schöpfungen von Mizuki inspiriert.

In seiner Gesamtheit aber scheint das Prequel mit der Aufgabe, die fast hundert Jahre der „Gegege No Kitaro“-Geschichte in sich zu bündeln, oft überfordert. Zu vieles muss in dem Film Platz finden, zu viele Namen stehen auf der Liste der Verdächtigen und vermitteln doch zu wenig Kontext für ein Publikum, das erst den Einstieg in die Welt von Mizukis Erzählungen sucht. Wo „The Birth of Kitaro“ die Welt der Menschen verlässt, um in die ebenso bizarren wie epischen Untiefen der Dämonenwelt abzutauchen, geht der Film jedoch in seinen fantasmagorischen Albtraumbildern auf, für die es keinen Kontext braucht. Wer Geister sieht, glaubt an Geister.

Veröffentlicht auf filmdienst.deThe Birth Of Kitaro – Das Geheimnis von GegegeVon: Karsten Munt (17.11.2025)
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