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Filmkritik
Im Autoradio läuft „Only You (And You Alone)“ von „The Platters“. Drew singt mit, aber May kann den Song nicht ausstehen und verhunzt ihn mit ihrem Gejaule. Die beiden Schwestern sind unterwegs zu einem Tauchgang an einer abgelegenen Küstengegend in Malta. Ihre Unterhaltung knirscht und deutet auf ein eher angespanntes Verhältnis. Dass die Liedzeilen sich schon bald als prophetische Wahrheit erweisen, ahnen sie nicht – „Only You … For it’s true, you are my destiny“.
Was an dem Survival-Thriller „The Dive“ von Anfang an besticht, ist seine Schmucklosigkeit und Effizienz. Für die knappe, auf wenige Situationen beschränkte Exposition – die Fahrt zur Küste, der Abstieg – benötigt Regisseur Maximilian Erlenwein nur wenige Bilder. Vor dem Tauchgang werden noch schnell die Reißverschlusstaschen mit einem entschlossenen Ritsch und Ratsch geöffnet, was Raum gibt für eine kurze implizite Inventur: das Tauchseil, das Intercom-Gerät für die Unterwasserkommunikation, die Pressluftflaschen. Und schon geht es unter Wasser.
Zurück in die Gebärmutter
In den Tiefen des Meeres wirkt der Raum so unergründlich und entgrenzt wie im All. Neben ein paar matten Fischschwärmen und Felsen ist da vor allem viel dämmeriges Blau. Von den Wundern der Meere, in denen Hochglanz-Reportagen und Tauchfilme so gerne schwelgen – farbig schillernde Korallenformationen, exotische Fische –, ist weit und breit nichts zu sehen; auch auf Abzweigungen ins Horror-Genre mit Haien oder Killerwalen wird verzichtet.
Spektakulär und ein wenig klaustrophobisch nimmt sich dagegen ein enger Felsspalt aus, in den die Schwestern hinabtauchen („zurück in die Gebärmutter“). Als die Frauen plötzlich von einem Felssturz überrascht werden, wird Mays Bein unter einem Felsbrocken eingeklemmt. Nun liegt es an Drew, ihre in 28 Metern Tiefe festsitzende Schwester vor dem Tod zu retten. Da der Sauerstoff in Mays Flasche nur noch eine begrenzte Anzahl von Minuten ausreicht, setzt sich unmittelbar ein Countdown in Gang.
Während May allein zurückbleibt und Bilder der gemeinsamen Vergangenheit über sie hereinstürzen, hat Drew über Wasser knifflige Aufgaben zu lösen. Im Kofferraum wäre der Wagenheber, um den Stein zu bewegen, aber der Autoschlüssel ist wie das Handy ebenfalls unter einem Felsen begraben. Ein Boot in der Ferne sieht ihr wildes Winken nicht und dreht ab. Mit jedem Schritt, der sie näher ans Ziel bringt, tauchen neue Herausforderungen auf: der Luftschlauch der Atemmaske hat einen Riss, das Gewinde einer Sauerstoffflasche dreht leer durch. Das Leben der Schwester hängt an einer Summe von Entscheidungen. Zeit zum Nachdenken bleibt keine.
Ein geradliniger Actionfilm
Die Vorlage für „The Dive“ ist der norwegische Thriller „Breaking Surface“ (2020). Erlenwein hat das Remake mit Blick auf deren internationale Verwertung mit englischsprachigen Schauspielerinnen gedreht. Auf eine deutsche Sprachfassung hätte man angesichts der Dialogarmut gut verzichten können – Panikrufe wie „Oh, Fuck“ oder dürre Zeilen, die vor allem der Weitergabe von Informationen dienen, klingen in der Synchronisation recht plump. Auch das psychologische Drama, das sich zwischen den Schwestern abspielt – in einer luftgefüllten Felsenglocke kommt es zu einer (klischeebeladenen) Aussprache – ist für den Plot eher kontraproduktiv.
Überzeugend ist der Film dagegen als minimalistisch-geradliniger Actionfilm, der sich ganz auf den begrenzten Handlungsrahmen seiner zwei Protagonistinnen konzentriert. Auch die Bilder des Kameramanns Frank Griebe (unter Wasser: Jan Hinrich Hoffmann) sowie das Setdesign arbeiten der Reduktion zu. „The Dive“ ist spannend, ohne Angst zu machen. Man bangt um das Leben der beiden Frauen, hält sich mit ihnen aber auch ganz gerne in den Tiefen der Unterwasserwelt auf.