









- Veröffentlichung13.11.2025
- RegieEdgar Wright
- ProduktionVereinigte Staaten (2025)
- Dauer133 Minuten
- GenreScience FictionActionThriller
- AltersfreigabeFSK 16
Cast
Vorstellungen
Filmkritik
Kaum hat er den Namen von Bens Tochter erwähnt, knallt der Kopf des Studiobosses (Josh Brolin) auch schon auf den Tisch. Ben Richards (Glen Powell), der neueste Kandidat des modernen Gladiatoren-Reality-TV-Formats „Running Man“, dem vor wenigen Stunden noch attestiert wurde, der messbar wütendste Mann der Welt zu sein, hat gute Gründe für diese Wut. Nach Dutzenden vergeblicher Versuche, sich auf dem Arbeitsmarkt mit heroisch-solidarischer Hingabe durchzusetzen, lebt Richards in bitterster Armut. Seine Ehefrau Sheila (Jayme Lawson) muss als Kellnerin mit schmierigen Oberklasse-Männern flirten, und die gemeinsame Tochter droht an der Influenza zu sterben, weil sich ihre Eltern keine Medikamente leisten können.
Richards Gründe, wütend zu sein, sind letztlich so zwingend, dass er das Gesicht seines Gegenübers, nachdem die dazugehörige Fantasie vorbeigezogen ist, nicht zerstört, sondern den Vertrag unterzeichnet, der ihn zum nächsten Kandidaten von „The Running Man“ macht. Das Versprechen, das Richards’ Gewaltfantasie macht, löst der Film dementsprechend nur als Tagtraum ein, um direkt darauf in die triste Realität zurückzukehren. Ähnliches gilt nicht nur für die filmische Realität, in der die Köpfe des verkommenen Establishments in einer raubtierkapitalistischen Zukunfts-USA alle Fäden ziehen, sondern ist emblematisch für den Film, der sich nie wirklich traut, sich dem Affekt, der Wut und dem Chaos hinzugeben.
Brav, kontrolliert und beherrscht
Die Neuverfilmung des von Stephen King stammenden Romans „The Running Man“ bleibt brav, kontrolliert und beherrscht. Die Zukunftsvision, die in der Verfilmung aus dem Jahr 1987 noch auf das Nötigste zurechtgestutzt wurde, um Platz für One-Liner von Arnold Schwarzenegger und ein absurdes Kabinett US-amerikanischer Gladiatoren zu schaffen, welche mit dem Prätorianer-Helm auf dem Kopf Arien singen, während sie mit Blitzen schießen, wird in der 2025er-Version von Edgar Wright durch eine farb- und konturlose Dystopie ersetzt. In dieser futuristischen USA ist kaum eine Figur mehr als ihre Berufsbezeichnung: TV-Mogul, heroischer Kandidat, naiver Kandidat und Tabula-Rasa-Kandidatin. Auch das tödliche Spiel ist sichtbar weniger auf Spektakel ausgelegt, denn als Möglichkeit gedacht, das von ultrakapitalistischen Mächten ausgelutschte und zerrüttete Land kennenzulernen.
Die Regeln sind indes gleichgeblieben: Drei Kandidat:innen laufen ums Überleben, gejagt von einer Gruppe Killer, während die Gesellschaft ihnen dabei zusieht. Wer nicht nur vor dem Bildschirm hängen will, darf die untergetauchten Kandidat:innen denunzieren. Um das Publikum zusätzlich anzuheizen, werden via Deep Fakes Lügen über die Runner in die Welt gesetzt. Wirklich gebraucht wird die Mithilfe der Zuschauer allerdings nicht. Hier spielt ohnehin niemand fair. Die Gejagten sind jederzeit auffindbar und bleiben so lange am Leben, wie die Quoten stimmen.
Im gesellschaftlichen Untergrund
Die 1980er-Dystopie von Stephen King, die im Jahr 2025 spielt, ist schlicht genug, um als Folie für allerlei formelle Extravaganzen zu dienen. Doch „The Running Man“ von Edgar Wright traut sich keine von ihnen zu. Die quotenstarken Live-Sequenzen, in denen Richards sich der Jäger erwehren muss, wirken trotz ausgefallener Details oft nur wie aufpolierte Stangenware. Wo der überaus zähe Richards seine Ruhepausen genießen kann, trifft er auf den gesellschaftlichen Untergrund: Familien, die ähnlich gebeutelt sind wie seine; einsame Männer, die Familienmitglieder verloren haben, und alle Arten von Eigenbrötlern.
Viel zu holen gibt es hier nicht. Kaum eine Figur ist mehr als schlichte Stichwortgeberin. Die Reise führt von irgendeiner Familie zu irgendeinem Helfer, der irgendeinem Widerstand angehört und irgendeine Revolution plant. Alles ist da, nichts bleibt hängen. Es fehlt nicht das Quantifizierbare, der Wille, sich ernsthaft auf das einzulassen, was hinter den Berufsbezeichnungen steht. „The Running Man“ nimmt die Dystopie ernst, weiß aber mit den Menschen, die ihrem Schrecken das nötige Gewicht geben sollen, nichts anzufangen. Die Familie mit krebskrankem Baby ist sofort vergessen, der Halbwaise, der seinen Vater an die Privatpolizei der Großunternehmen verlor, eine Hotdog-besessene Witzfigur, und der Untergrund-Anführer ein profilloser Analog-YouTuber. Die Familie des Star-Runners ist ohnehin nur ein Foto, das ab und an als Erinnerung in die Kamera gehalten wird.
Das Handtuch um die Lenden
Die fiktive US-Gesellschaft des Jahres 2025 ist eine schön ausstaffierte Fassade, mit der Glen Powell im besten Fall einmal kurz kollidieren darf. Der Hauptdarsteller gibt sichtbar alles. In einer der schönsten, aber auch zahmsten Sequenzen sprintet er durch die Welt, das Handtuch um die Lenden haltend und die Mittelfinger in alle Richtungen ausgestreckt; doch letztlich kämpft er auf verlorenem Posten. Der buntere, aufregendere Film, in den die Mitkandidatin Laughlin (Katy O’Brian) sich verabschiedet, nachdem sie sich ihren Champagner und die Kellnerin, die ihn serviert, schnappt, läuft nur nebenbei im Fernsehen. Allzu viel wagen möchte Edgar Wright nicht. Das Spiel ist ohnehin nicht zu gewinnen.
