Szene aus The Suicide Squad
Filmplakat von The Suicide Squad

The Suicide Squad

132 min | Komödie, Abenteuer, Action | FSK 16
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Die Regierung schickt die gefährlichsten Superschurken der Welt auf die abgelegene und von feindlichen Truppen besetzte Insel Corto Maltese. Bewaffnet mit High-Tech-Waffen ziehen die rehabilitierten Verbrecher auf einer selbstmörderischen Suchmission durch den gefährlichen Dschungel. Einzig Colonel Rick Flag ist dazu abgestellt, dafür zu sorgen, dass die schurkische Trupppe nicht komplett außer Kontrolle gerät.

Filmkritik

James Gunns „The Suicide Squad“ ist ein Film über drei Versuche, aufzubegehren. Sie sind eng miteinander verbunden, aber unterschiedlich stark von Erfolg gekrönt. Zuerst wäre da der fiktive südamerikanische Inselstaat Corto Maltese, dessen Regierung nach einem Coup in den Händen von korrupten Generälen liegt. Rebellen planen, die Macht für das Volk zu übernehmen und demokratische Wahlen abzuhalten. Um die US-amerikanischen Interessen zu sichern und die Kontrolle über das mysteriöse Versuchslabor Jotunheim zu gewinnen, wird die Taskforce X ausgesandt, besser bekannt als das „Suicide Squad“. Natürlich ist dieses Team von verurteilten Superschurken ihrer Aufseherin Amanda Waller (Viola Davis) nicht gerade wohlgesonnen. Höhere Priorität als den Auftrag auszuführen, hat letztlich, ihrer Kontrolle zu entkommen. Mörder und Monster kämpfen in brüchiger Allianz um ihre Freiheit.

Und zuletzt wäre James Gunn selbst zu nennen, dieser bei der wilden Independent-Produktionsfirma Troma (The Toxic Avenger) sozialisierte Regisseur, dessen Filme spätestens seit der Anstellung bei Marvel merkwürdig glattgeschliffen daherkamen. Doch irgendwo, schwach schimmernd hinter Franchise-Pflege und Spielzeug-Figuren, konnte man stets eine Sehnsucht nach Transgression und Eigenständigkeit zumindest erahnen. „The Suicide Squad“ verspricht so etwas wie seine Emanzipation, die Entfesselung von Exploitation-Kino im Herzen des Mainstreams.

Neuinterpretation mit frischen Schurken

Auf den ersten Blick trennt seine Mischung aus Fortsetzung und Neuinterpretation nur der bestimmte Artikel „The“ von David Ayers wenig geliebtem Suicide Squad aus dem Jahr 2016. Viele Figuren scheiden aus, der Joker etwa kommt nicht vor, andere kehren für kleinere oder größere Rollen zurück. Allen voran Margot Robbies Harley Quinn, die mit dem Plot des Films wenig zu tun hat, aber zu populär ist, um sie nicht immer wieder ins Rampenlicht zu rücken.

Den eigentlichen Kern des Films bilden jedoch neue Schurken: Der Auftragsmörder Bloodsport (Idris Elba), dessen Rolle so nah an Deadshot aus dem Vorgänger liegt, dass er ebenso gut „Will Smith 2“ heißen könnte. (Selbst seine Hintergrundgeschichte ist weitestgehend dieselbe.) John Cenas Peacemaker, der sich als Hybrid aus Captain America und aggressivem Drill-Sergeant erweist. Telenovela-Darstellerin Daniela Melchior als Ratcatcher 2, die Legionen von Ratten kommandiert. Der mit bunten Punkten um sich schießende Polka-Dot Man (David Dastmalchian), außerdem der anthropomorphisierte Hai King Shark (gesprochen von Sylvester Stallone). Es gibt natürlich noch viele weitere Figuren – Schurken, Helden, Kanonenfutter –, die meisten werden von Stars gespielt. „The Suicide Squad“ ist berstend voll wie ein Supermarktregal.

Jeder Superheld ist ersetzbar

Die vielen übrigen DC-Charaktere dienen in ihrer schieren Masse vor allem einem einzigen Zweck. Eine lange Einstiegssequenz erzählt von der elementaren Ersetzbarkeit der Superhelden-Figur – viele von ihnen sterben mit würdeloser Beiläufigkeit. Ohnehin erfreut sich der Humor des Films vor allem am Aufsprengen von Pathosformeln. Das Genre weiß um den inneren Widerspruch der vermeintlich einzigartigen Figuren mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, von denen es dann aber Hunderte und Tausende gibt. Nach zwei Dekaden durchgängiger Superheldenbeschallung kommt scheinbar kein Genreintrag mehr umhin, seine eigene Formelhaftigkeit und Serialität zu thematisieren. Kein Genre ist so umfassend und unwiderruflich mit seinen Parodien verschmolzen wie das Comicbuch-Kino.

„The Suicide Squad“ ist ein Film der Kollektive. In einem Genre der Hyperindividualisten werden hier vor allem Gruppendynamiken gezeigt. Ratcatcher 2s Rattenhorden werden von einzelnen Nagern vertreten, kämpfen dann aber als flächige Wellen von Körpern. In einer Szene trifft der King Shark auf eine Gruppe von Quallen, die zusammenrücken, um seine Konturen nachzubilden. Ein Seestern-Monster schickt in einer späteren Szene tausende kleine Versionen seiner selbst zum Angriff, die seine Bewegungen nachahmen. Die kleinen Seestern-Kreaturen können zudem Menschen übernehmen, wie etwa in Die Körperfresser kommen. Als der große Stern ein Bein verliert, scheinen auch ihre Glieder zu schmerzen. Eine Art Schwarmintelligenz. So stehen verschiedene soziale Ordnungen wie zum Vergleich nebeneinander, wobei letztlich enge Netzwerke, die den Einzelnen bewahren können, am erstrebenswertesten präsentiert werden.

Durch die Augen der Figuren

Ohnehin ist Gunn unbedingt an der Subjektivität seiner Figuren interessiert. Immer wieder lässt er uns durch ihre Augen blicken und verleiht ihrer persönlichen Weltsicht kurzzeitig eine besondere Wirklichkeit. So tragen etwa aus der Sicht des komplexbeladenen Polka-Dot Man alle Menschen das Gesicht seiner strengen Mutter. Eine Kampfsequenz mit Harley Quinn, die deutlich an das Finale von Sion Sonos „Why don’t you Play in Hell?“ erinnert, verwandelt Blut und Gedärme in bunte Cartooneffekte und Regenbögen. In ihrem Wahn ist noch der grausamste Akt Teil eines bunten Spiels. Einmal verwandelt sich eine Spiegelung in eine Rückblende, die Ratcatcher 2s tränenrührende, dickensianische Lebensgeschichte erzählt.

Die Autoscheibe als Panel – James Gunn tariert die Beziehung zwischen Comic und Film überzeugender aus als viele der Erfüllungsgehilfen des Genres. Großzügig eingesetzte Reißschwenks verwischen den Raum zwischen Bildern. Eine interessante Möglichkeit, eine Zeichentechnik wie Speedlines ins Kino zu übertragen. Auch populäre Comic-Stilmittel wie die Abstraktionen von Figuren zu Formen und Silhouetten finden Einsatz. Etwa, wenn der King Shark einen Kontrahenten in zwei Hälften reißt.

Hoher Gewaltgrad im Sinne des Genres

Auch das ist sicher ein wichtiges Mittel zur Distinktion für Gunn – der höhere Gewaltgrad seiner Kreation. Doch so fern ist er beispielsweise den Eskapaden von Deadpool nicht, zumal der zynisch ästhetisierte Pfeil-Massenmord aus Gunns Guardians of the Galaxy Vol. 2 widerwärtiger war als jedes spritzende Hirn oder zerteilte Leiber. Das enge Koordinatensystem des Genres wird eher deutlicher sichtbar als je gesprengt. So stellt sich die Frage, ob die Troma-Schocker vergangener Tage je wirklich so subversiv waren, wie man es annahm, oder ob ihre Gesten sich nicht doch ohne großen Widerstand in die bunte Blockbuster-Welt einreihen.

Das Aufbegehren von Taskforce X kann zumindest einen Teilerfolg verbuchen, das der Rebellen aber geht in dem resultierenden Chaos aus einstürzenden Bauten und Explosionen unter. Ihr Erfolg ist letztlich egal. Und Gunns persönliches Aufbegehren scheitert. Er dreht letztlich mehr vom Gleichen, reiht sich erneut ein in das Kollektiv der Namenlosen, dass er in seinem Film selbst zum Feind erklärt.

Erschienen auf filmdienst.deThe Suicide SquadVon: Lucas Barwenczik (30.1.2022)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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