Szene aus Taifun Club
Filmplakat von Taifun Club

Taifun Club

115 min | Drama
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Nach schwül-heißen Hochsommertagen müssen einige Jugendliche wegen eines hereinbrechenden Taifuns die Nacht in ihrer Schule in einem Vorort von Tokyo verbringen. Kindliche Verspieltheit, aber auch erste sexuelle Begierden brechen sich Bahn, mal zärtlich, mal gewaltsam. Am Ende kommt es jedoch zu einem unvorhergesehenen Unglück...

Filmkritik

Umemiya (Tomokazu Miura) ist noch ein recht junger Lehrer, das zeigt sich an seinem Umgang mit den Schülern einer japanischen Kleinstadt. Zwar fühlt er sich durch mangelnde Disziplin regelmäßig in eine väterlich autoritäre Rolle gezwungen, pflegt zugleich aber auch ein fast kumpelhaftes Verhältnis zu ihnen. Für die Schüler im Film „Typhoon Club“ steht dagegen außer Frage, dass ihr Lehrer einer anderen Sphäre angehört. Besonders deutlich wird das, als die Mutter von Umemiyas Exfreundin in den Unterricht platzt und ihn vor der gesamten Klasse zurechtweist. Grund dafür ist das Schicksal der verlassenen Tochter sowie eine erhebliche Geldsumme, die sich der Lehrer geliehen haben soll. Zu sehen ist die Szene in einer längeren und statischen Einstellung, wie sie für den Film charakteristisch ist. Da die Kamera frontal zur Schultafel platziert ist, wirkt das unwürdige Geschehen nicht nur wie eine Theateraufführung, auch die Abgrenzung zwischen dem Lehrer und seinen sichtlich überforderten Schülern wird noch zusätzlich betont.

Zugleich stellt die bekannteste Regiearbeit des 2001 verstorbenen Shinji Somai diese Trennung aber auch wieder in Frage. Nicht umsonst hat in diesem Film, der sich ansonsten ganz der turbulenten Gefühlswelt Heranwachsender verschreibt, Umemiya eine vergleichsweise prominente Rolle. Er befindet sich zwar in einer anderen Lebensphase, scheint aber nicht minder orientierungslos als seine Schüler zu sein.

Ein Zustand des Übergangs

In seiner fragmentarischen und offenen Erzählweise widmet sich „Typhoon Club“ der Jugend auch sonst weniger über die Figuren. Der Prügelknabe Akira (Toshiyugi Matsunaga), die vom Tod ihrer Großmutter mitgenommene Rie (Yuki Kudo) oder der in seine Mitschülerin verliebte Ken (Shigeru Benibayashi) unterscheiden sich zwar auf den ersten Blick nicht sonderlich von den Charakteren einer US-High-School-Komödie, bleiben aber finsterer, ungreifbarer und rätselhafter.

Mehr als dem Einzelnen widmet sich der Film einem Zustand des Übergangs. Zügellose Energie, dumme Ideen, aber auch Unsicherheit und Angst prägen den Alltag der Jugendlichen. Zwischen fiesen Streichen, heimlichem Rauchen und aufgeregten Gesprächen über das andere Geschlecht findet sich stets eine tiefe Traurigkeit. Liebe und Sex existieren hier vor allem in der persönlichen Vorstellungskraft. Lediglich ein lesbisches Pärchen hat zueinander gefunden, muss seine Liebe dafür aber versteckt ausleben.

Die Erzählstruktur des Films ist gewissermaßen eine falsche Fährte. Nach und nach werden die fünf Tage heruntergezählt, bis ein Taifun die Region erschüttert. Was schon die ganze Zeit unter der Oberfläche brodelt, droht gemeinsam mit dem Naturereignis auszubrechen. Doch während des Sturms verbarrikadieren sich zwar einige Jungen und Mädchen auf dem Schulgelände, ziehen sich bis auf die Unterwäsche aus und tanzen ausgelassen im Regen, aber die Katharsis bleibt aus.

Schmerzhafter Reifeprozess

Weniger spielerisch als schmerzhaft wirkt der Reifeprozess der Schüler, der von philosophischen Überlegungen und einer irrationalen Todessehnsucht begleitet wird. Einmal schiebt einer der Jungen das Schulmobiliar zu einer abstrakten Skulptur zusammen, von der er sich schließlich aus dem Fenster stürzt. Ein treffendes Bild für den vergeblichen Versuch, einer unbegreiflichen Welt Sinn und Ordnung zu verleihen.

Die Hoffnung, dass sich diese Verunsicherung mit dem Alter löst, bleibt im Film ohne Grundlage. So erwachsen die Jugendlichen über die Widersprüche des Lebens reflektieren, so kindisch wälzt sich der betrunkene Umemiya auf dem Boden herum. Am Telefon beschimpft ihn ein Schüler als schlechtes Vorbild und schwört, dass er nie so werden wird wie sein Lehrer. Doch die Verwirrung, so legt es der Regisseur nahe, wird mit dem Alter nicht weniger, sondern einfach alltäglicher.

Man muss sich ein wenig auf die freie, entschleunigte und momenthafte Erzählweise von „Typhoon Club“ einlassen. Aber warum sollte ein Film über die Verlorenheit junger Menschen auch vorgeben, selbst auf Gewissheiten und Ziele zu setzen? Die Spannung entsteht dabei oft dadurch, dass die Stimmung jederzeit kippen kann. Gleich in der ersten Szene stürmen die Mädchen nachts in ein Freibad, wo sie harmlos kichernd zu einem Punk-Song tanzen. Als sie den vermeintlichen Spanner Akira entdecken, fesseln sie ihn mit einem Seil und drücken ihn unter hysterischem Gelächter so lange unter Wasser, bis der Junge das Bewusstsein verliert.

Der Spaß schlägt schnell in bitteren Ernst um

Auch sonst schlägt der Spaß schnell einmal in bitteren Ernst um. Besonders erschütternd ist eine versuchte Vergewaltigung, die in quälender Ausführlichkeit gezeigt wird und wie aus einem Horrorfilm wirkt. Wie ferngesteuert jagt dabei ein zurückgewiesener Junge seine Mitschülerin durch dunkle Schulgänge, tritt Türen ein, zerreißt die Bluse des Mädchens und bricht schließlich weinend und impotent über ihr zusammen. Nicht weniger verstörend ist, wie danach wieder zur Tagesordnung übergegangen wird. Das Leben ist im Film von Wiederholungen bestimmt. Nach dem Taifun ist man sich nicht sicher, ob sich überhaupt etwas verändert hat. Besonders die inneren Kämpfe bleiben unausgefochten.

Erschienen auf filmdienst.deTaifun ClubVon: Michael Kienzl (22.5.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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