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Filmkritik
„Hey, Wetter, da bin ich!“ Wer sich so vor den Stall stellt, wenn es draußen gerade ungemütlich wird, ist keine gewöhnliche Kuh. Einfach nur im Stall bleiben und mit den anderen Kühen Heu fressen, das liegt Mama Muh nicht. Sie träumt vom Eishockeyspielen, freut sich über Regen und Gewitter und würde am liebsten in einem Muh-sical auftreten!
Das schräge Rindvieh, das so gerne auf zwei Beinen durch die Gegend läuft, ist Eltern natürlich ein Begriff. Seit Mama Muh in ihrem ersten Buch vor dreißig Jahren beschloss, gerne schaukeln zu wollen, sind die Vorlesebücher von Jujja und Tomas Wieslander mit den vielen tollen Bildern von Sven Nordqvist aus schwedischen und deutschen Kinderzimmern nicht mehr wegzudenken.
Was einem in den Sinn kommt
Schon damals hatte Mama Muh die grummelige Krähe Krah an ihrer Seite, die immer sagt, was eine Kuh eigentlich alles nicht können und tun sollte. Und immer schon scherte sich Mama Muh darum nur phasenweise, denn viel schöner ist es doch, einfach das zu machen, was einem in den Sinn kommt. Aus den Abenteuern wurde mittlerweile auch eine Zeichentrickserie und zuletzt auch ein Film: „Mama Muh und die große weite Welt“.
Für „Wer bist du, Mama Muh?“ hat Peter Arrhenius erneut das Drehbuch geschrieben und Christian Ryltenius wieder die Regie übernommen. Der Animationsstil ist gewohnt und bewährt: detailliert getuschte, gemalte Hintergründe, eher flächige Figuren, ganz und gar kindertauglich. Der Film liegt also in erfahrenen Händen, und man könnte meinen, dass Eltern hier also beste 66 Minuten Kino fürs Vor- und Grundschulalter finden.
Das stimmt auch, aber das klingt zu langweilig für das, was hier passiert. Denn Arrhenius und Ryltenius achten durch eine episodische Struktur sehr darauf, dass die Aufmerksamkeit der jungen Zuschauer:innen nicht überfordert wird. Aber das heißt nicht, dass sie das Publikum unterfordern. Denn das wichtigste Thema des Films ist nicht das Musical, das im Happy-End-Finale mit Unterstützung einiger Elche zur Aufführung kommt. Sondern ein verschwundener Teddybär. Genauer: der geliebte und schon ziemlich zerliebte Knuddelteddy von Lillebror, dem jüngeren Kind der Bauernfamilie.
Kuriose Anflüge von Film noir
Der bleibt irgendwann im Kuhstall liegen; Mama Muh nutzt ihn für ihre Musical-Fantasien – aber dann ist er plötzlich verschwunden. Mama Muh und die Krähe machen sich auf die Suche, was ziemlich dramatisch ist. Erst schwingt die Krähe sich in Hut und Sonnenbrille und gibt den Privatdetektiv wie in einem Film noir; das Bild wird schwarz-weiß und der Film bekommt Kratzer – welche Freude so ein Animationsfilm doch machen kann!
Überhaupt wird das Federvieh enorm aktiv; es pudert sich mit Mehl ein, um – ganz weiß – undercover im Hühnerstall zu ermitteln. Und als die Krähe vom Gockel über den Hof gejagt wird, hockt sich das restliche Geflügel aufs Stalldach, um dem Spektakel mit Fernglas und Popcorn zuzusehen.
Es gibt also ein wenig Action, aber vor allem dreht sich der Film um den Teddybären. Das geht dem Publikum zu Herzen, und Mama Muh auch. Am Ende ist das Plüschtier erst schmutzig und noch zerfledderter als zuvor, weshalb sich die arme Kuh nicht traut, ihn zurückzugeben. Sie fühlt sich für Verlust und den Zustand des Knuddeltiers verantwortlich; deshalb versteckt sie den Teddy und eigentlich auch sich selbst. Eine Kuh, sagt sie sich, sollte keine Träume haben, sondern brav im Stall bei den anderen Kühen bleiben.
Mit Licht und Musik und allen Finessen
Das ist ein nachgerade existentielles Drama um Schuld und Scham mit Themen, die jedes Vorschulkind versteht: „Wer bist du, Mama Muh?“ endet mit einer Antwort auf die Titelfrage, einem kleinen Weihnachtswunder und singenden, tanzenden Tieren. Weil es Liebe nicht schert, wie schmutzig und zerfleddert man ist, und weil selbstverständlich auch eine Kuh auf die Bühne darf – aber dann bitte eine richtige, mit Licht und Musik und allen Finessen.