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Filmplakat von Die einfachen Dinge

Die einfachen Dinge

95 min | Komödie | FSK 0
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Keiner hat einen so vollen Terminkalender wie Vincent Delcourt. Da kommt es ungelegen, wenn das schicke Cabrio auf einer Landstraße plötzlich absäuft. Ehe er sich versieht, sitzt der Tech-Champion mitten im Gebirge fest. Gerettet wird Vincent von Pierre. Der wortkarge Eigenbrötler, der als Selbstversorger zurückgezogen auf einem Hof vor träumerischer Bergkulisse wohnt, gabelt Vincent mit seinem Motorrad auf und muss für die nächsten Stunden reichlich grummelig Gastgeber spielen. Die Gastfreundschaft ist schließlich heilig – sagte schon Homer. Während Pierre die Wortschwälle des Großstädters über sich ergehen lässt, schnuppert Vincent zum ersten Mal richtige Landluft – und die tut gut! Etwas zu gut vielleicht. Schon bald wird er mit der vielleicht wichtigsten aller Fragen konfrontiert: Ist er eigentlich glücklich? Mit Pierre hat Vincent den personifizierten Einklang mit der Natur vor Augen — und erleidet Panikattacken. Er sieht ein, dass er eine Pause braucht vom Hochleistungsleben – und er hat auch schon eine Idee, wo er sie verbringen möchte – und mit wem...

Filmkritik

Plötzlich steht der Manager da wie der Ochs vor dem Berg. Mitten auf dem Pass in den französischen Alpen bleibt das Auto des Unternehmers Vincent Delcourt liegen. Sein Handy hat keinen Empfang, und die Straße ist auch nicht sonderlich befahren. Zum Glück kommt dann aber der Motorradfahrer Pierre des Wegs, der auch anhält und Delcourt mitnimmt, wenn auch sichtlich mit großem Widerwillen.

Dieser weicht auch nicht, als sie den Hof des Mannes erreicht haben, hoch in den Bergen. Pierre ist ein Selbstversorger, das Anwesen ohne Telefon oder ähnliche Zumutungen der modernen Welt. Gäste sind offensichtlich nicht erwünscht. Gleichwohl beherzigt Pierre die Pflichten eines Gastgebers. So tischt er Delcourt ein selbstgemachtes Omelett auf und fährt ihn, nachdem der noch ein Nickerchen in der Hängematte gemacht hat, ins Tal hinunter. Weitere Kontakte mit dem Kapitalisten lehnt Pierre brüsk ab; wenn es nach ihm geht, darf es gerne bei der einen Begegnung bleiben.

Zwei Welten prallen aufeinander

Davon kann bei einem Kino-Zusammentreffen eines agilen Dauerplauderers mit einem brummigen Einzelgänger aber freilich keine Rede sein. Regisseur Éric Besnard macht schon zum Auftakt von „Die einfachen Dinge“ unmissverständlich klar, wie entgegengesetzt die Charaktere und Lebensweisen der beiden Hauptfiguren sind. Auf der einen Seite der geschäftsmäßig gekleidete, permanent unter Strom stehende Manager, der beständig redet, sich auf Höflichkeitsformen aber erst besinnen muss. Auf der anderen der naturnahe Eigenbrötler mit Schlapphut und weitem Mantel, der allenfalls Satzbrocken fallen lässt und eigentlich nur seine Ruhe haben will.

Dass dieser Wunsch nicht erfüllt wird, ist absehbar. Tatsächlich steht Delcourt schon bald wieder vor seiner Hütte. Der selbstsichere Geschäftsmann hat eine Panikattacke erlitten und bittet darum, bei Pierre ein paar Tage ausspannen zu dürfen. Sichtlich entnervt stellt ihm Pierre einen kleinen Schuppen weiter oben am Berg zur Verfügung. Doch mit der Aussicht, dort ganz allein zu sein, ist Delcourt überfordert, weshalb er Pierre auf Schritt und Tritt zu folgen beginnt. Der macht aus seiner Abneigung keinen Hehl, aber Delcourt bleibt hartnäckig – und nicht (nur) aus Arroganz. Denn Éric Besnard bricht bald mit der anfänglichen Annahme, die beiden so unterschiedlichen Männer seien sich nur zufällig über den Weg gelaufen.

Eine veränderte Sicht der Dinge

„Die einfachen Dinge“ ruft Erinnerungen an französische Buddy-Gespanne wie Gérard Depardieu & Pierre Richard, aber auch an die konfliktreichen Männer-Frauen-Zwangsgemeinschaften in Filmen wie „African Queen“ oder „Die schönen Wilden“ auf. Eine andere denkbare Referenz sind Werke wie „Dialog mit meinem Gärtner“, in denen sich saturierte Bürger mit „geerdeten“ Menschen anfreunden und darüber zu einer veränderten Sicht auf die Welt gelangen, insbesondere auf vermeintliche Nebensächlichkeiten.

Besnard aber verschreibt sich keiner dieser Traditionen und nimmt bewusst einen anderen Weg. Weder der überarbeitete Geschäftsmann noch der menschenscheue Zivilisationsflüchtling sind tatsächlich das, was sie zu sein scheinen; beide spielen der Welt etwas vor und sind – wenigstens teilweise – diesen Täuschungen auch selbst erlegen.

Besnards Absicht, die Figuren komplexer zu gestalten, als es das Sujet nahelegt, ist im Prinzip lobenswert. Doch in der praktischen Umsetzung wird sie zur Bürde des Films. Denn je mehr man über Vincent Delcourt und Pierre Vernant erfährt, umso unwahrscheinlicher wird das Szenario. Da stehen sich dann irgendwann ein gar nicht so menschenfeindlicher Gelehrter und ein Philanthrop mit überzogenem Glauben an seine Überredungskünste gegenüber, wählen aber weiterhin die kompliziertesten Wege, um miteinander umzugehen.

Die Erfüllung privater Träume

Das ewige Spiel von Aufdringlichkeit und Genervtheit verliert auf Dauer jedoch seinen Unterhaltungswert. Mehr und mehr zeigt sich, dass Besnard den Film nicht so recht im Griff hat. Was in seinen Ursprüngen eine überschaubare Geschichte hätte sein sollen, wird mit dramatischen Ereignissen und Enthüllungen überfrachtet, unter denen auch die unvermeidliche Liebesgeschichte nicht fehlen darf, so als würde die Inszenierung den Darstellern nicht zutrauen, „Die einfachen Dinge“ alleine zu tragen.

Tatsächlich können Lambert Wilson und Grégory Gadebois trotz allem redlichen Bemühen nicht jeden Widerspruch ihrer Charaktere glaubhaft machen. In Details sind die Schauspieler gewohnt präzise, gehen in dem, was sie zeigen dürfen, aber kaum über frühere Rollen hinaus – was insbesondere bei Gadebois frappant ist, der eine ähnlich grummelige, insgeheim gutmütige Figur bereits in Besnards weitaus gelungenerem Vorgängerfilm „À la Carte!“ als Koch unmittelbar vor der Französischen Revolution spielte und nun erneut liebevoll Gerichte drapieren darf.

So patent das Zusammenspiel der beiden Schauspieler auch ist und so sympathisch man das Plädoyer für Gelassenheit und Entspannung finden möchte, ist „Die einfachen Dinge“ am Ende doch recht ernüchternd. Denn während man zwischenzeitlich glauben konnte, dass Delcourt und Vernant unter bestimmten Umständen gemeinsam womöglich sogar zum Wohl der ganzen Menschheit beitragen würden, dient ihre wachsende Freundschaft schlussendlich doch nur zur Erfüllung privater Träume. Das ist angesichts der anfangs deutlich höheren Ambitionen ein ziemlicher Kompromiss, wenngleich unbestreitbar vor beschaulichem Hintergrund mit Wasserfällen, Wäldern, satten Wiesen und Bergseen.

 

Erschienen auf filmdienst.deDie einfachen DingeVon: Marius Nobach (29.1.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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