Szene aus Plastic Fantastic
Filmplakat von Plastic Fantastic

Plastic Fantastic

101 min | Dokumentarfilm | FSK 0
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Plastik ist heute allgegenwärtig – in Flüssen und Meeren, in unserer Luft, dem Boden und sogar unseren Körpern. Es gibt 500-mal mehr Plastikpartikel in den Ozeanen als Sterne in unserer Galaxie. Inmitten dieser rasant wachsenden Krise, setzen die Giganten der Kunststoffindustrie ihre Produktion unbeirrt fort. Und das, obwohl ein Recycling von Kunststoffen kaum funktioniert.

Filmkritik

Für manche Menschen gibt es im Urlaub nichts Schöneres, als in einer bretonischen Strandbar zu sitzen und ein paar Austern zu schlürfen. Ein frisches Naturprodukt, das unmittelbar aus dem Meer vor ihnen kommt und obendrein auch noch gesund sein soll. Doch die Forschungen des Chemikers Michael Braungart können den Gourmets den Appetit verderben. Er hat mit seinen Studenten bretonische Muscheln untersucht und darin bis zu 1500 Plastikpartikel gefunden. In jedem einzelnen Exemplar. Mikroplastik findet sich nahezu überall auf dem Planeten, auch in der Atemluft, in die beispielsweise der Abrieb von Textilien als Mikrofasern gelangt.

Eine unaufhörliche Flut

Die Dokumentarfilmerin Isa Willinger begibt sich in „Plastic Fantastic“ auf eine Reise durch die Welt der Kunststoffe, die die Welt verändert haben. Der Einsatz der Produkte der petrochemischen Industrie ist kaum zu überschauen. Trotz aller Kritik von Umweltschützern sieht alles danach aus, als würde die Produktion noch weiter ansteigen. Experten wie der Chef-Lobbyist der europäischen Plastik-Industrie, Ingemar Bühler, gehen von vier Prozent Wachstum pro Jahr aus. Zwar räumt auch Bühler Probleme mit der Entsorgung ein, beteuert aber, dass man dies in den Griff bekommen werde.

Ganz ähnlich sieht dies der US-Amerikaner Joshua Baca, der den Werkstoff über den grünen Klee preist. „Plastik ist besser als jedes andere Material“, behauptet er; und dass Kunststoffe im Kampf gegen Welthunger unabdingbar seien. Auch die Umwelt profitiere letztlich davon. Das ist eine steile These, für deren Wahrheitsgehalt derzeit nicht viel spricht. Kurz nach seinem Statement sieht man, wie von einem LKW eine riesige Ladung Plastiksäcke mit Müll in einen Fluss gekippt wird, oder man begleitet die Ozeanografin Sarah-Jeanne Royer, die in Hawaii Sand siebt und dabei unzählige Teile von Mikroplastik findet. Jede dritte Plastikverpackung lande im Ozean, erklärt sie, von wo aus der Kunststoff in die Nahrungskette gelangt. Die Folgen für die menschliche Gesundheit seien bislang kaum erforscht.

Das Recycling funktioniert nicht

In Kenia kämpft derweil der Fotojournalist James Wakibia für ein Verbot von Plastikflaschen, die dort zum großen Teil in der Natur landen. Er weiß auch, dass die vermeintliche Wunderwaffe Recycling gänzlich stumpf ist. Weltweit werden lediglich neun Prozent des Plastikmülls wiederverwertet; selbst in Deutschland sind es trotz der gelben Tonne nur knapp 25 Prozent. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Einwegflaschen. Der große Rest des Plastiks wandert in die Müllverbrennung.

Solche gigantischen Anlagen sind ein ebenso faszinierendes wie dankbares Motiv. „Plastic Fantastic“ überzeugt generell nicht nur duch seinen Informationsgehalt und eine souveräne, vielfach konstrastive Montage, sondern auch durch eine aufwändige Bildgestaltung. Immer wieder gibt es beeindruckende Kamerafahrten entlang von Müllkippen oder Supermarktregalen mit endlosen Reihen von Produkten in Kunststoffverpackungen.

Bisweilen wird die Kamera auch nur in einem rollenden Auto platziert. In einer Kleinstadt in Louisiana fährt die Aktivistin Sharon Lavigne durch die Gemeinde und weiß nahezu bei jedem Haus zu berichten, wer in jüngster Zeit dort an Krebs erkrankt ist. Die Rate liegt zwanzig Prozent über dem US-Durchschnitt. Die Ursache ist für Lavigne unstrittig: das gigantische Chemiewerk in der Nähe des Ortes, dessen Betreiber in großem Stil weiter expandieren möchten.

Der in jeder Hinsicht sehenswerte Film lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass es sich bei all dem Plastikmüll um ein riesiges Problem handelt. Diese Botschaft wird ohne Betroffenheitsattitüde durch Fakten und in Gesprächen dargelegt. Zudem wartet „Plastic Fantastic“ mit einem veritablen Spannungsmoment auf. Den ganzen Film über sieht man, wie ein Radlader in einem riesigen unterirdischen Stollen große Säcke aufeinanderstapelt. Worum es sich dabei handelt, erfährt man erst ganz am Schluss.

Erschienen auf filmdienst.dePlastic FantasticVon: Reinhard Lüke (7.11.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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