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Filmkritik
Nach „Im Schatten des Orangenbaums“ beschäftigt sich aktuell ein weiterer Film mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt und seiner Geschichte nach der israelischen Staatsgründung im Jahr 1948. Der palästinensische Filmemacher Muayad Alayan belässt es dabei weitgehend bei vagen Andeutungen. Vieles erschließt sich erst im Laufe des Films. Klar aber ist, dass sich die Vergangenheit nicht abschütteln lässt. Das Trauma der Vertreibung der Palästinenser bestimmt auch knapp 80 Jahre später immer noch die Gegenwart.
Ein flüchtiger Schatten
„Ein Haus in Jerusalem“ erzählt die Geschichte von Michael (Johnny Harris), einem britischen Juden, der nach dem Unfalltod seiner Frau zusammen mit seiner zwölfjährigen Tochter Rebecca (Miley Locke) in Jerusalem einen Neustart versucht. Hier hat er von seinem Vater eine große, lichtdurchflutete Villa geerbt, die als neues Zuhause dienen soll. Doch der Umzug von Großbritannien in ein anderes Land und eine andere Kultur gestaltet sich schwierig. Besonders Rebecca leidet unter dem Tod ihrer Mutter. Hinzu kommt, dass sich die Anzeichen mehren, dass mit dem Haus und seinen vielen Fluren und Zimmern etwas nicht stimmt. Eine Zeichnung auf der Flurwand, ausgeräumte Kleiderschränke, ein flüchtiger Schatten. Beim Wasserbrunnen im Garten entdeckt Rebecca ein blasses palästinensisches Mädchen namens Rasha (Sheherazade Makhoul Farrell). Allerdings kann nur Rebecca das Mädchen sehen; nicht einmal mit dem Smartphone gelingt eine Aufnahme von Rasha.
Dennoch findet Rebecca immer mehr Trost bei ihrer imaginären Freundin. Ärzte, Psychiater und Lehrer sind dagegen überzeugt, dass ihr auffälliges Benehmen nur mit Pillen beruhigt werden kann. Doch Rebecca kommt zunehmend Rashas Geheimnis auf die Spur und damit auch der Geschichte des Hauses. Wem hat es früher mal gehört? Antwort findet Rebecca in einem palästinensischen Flüchtlingscamp in Bethlehem.
Die Geister der Vergangenheit
„Ein Haus in Jerusalem“ ist dennoch keine richtige Geistergeschichte mit historisch-politischem Hintergrund. Dafür fehlt dem Film die Spannung eines Horrorfilms und das Tempo. Hier geht es nicht um Geister, die den Zuschauer erschrecken, sondern um die Geister der Vergangenheit, die sich gegen das Vergessenwerden wehren. Dazu gehört auch, dass Rashas Geist bei einem Willkommensumtrunk ganz real eine Weinflasche vom Tisch stößt und so für Aufmerksamkeit sorgt – ohne dass die Gäste wüssten, was geschehen ist.
Regisseur Muayad Alayan nutzt die übernatürlichen Elemente der Geschichte, um die Spurensuche voranzutreiben und ihr Relevanz zu verleihen. Erst Rashas Informationen führen Rebecca nach Bethlehem. Man muss diese Verschiebung ins Irreale akzeptieren, wenn man den Zugang zum Film nicht verlieren will. Darüber hinaus geht es hier aber noch um mehr: um Trauer und Verlust, um Erwachsenwerden und Generationskonflikte. Alayan entfaltet diese Probleme ebenso sensibel wie aufschlussreich. Das Bedauern, dass der Film nicht etwas flüssiger und lebendiger erzählt ist, wiegt darum nicht allzu schwer.
