Szene aus A Man of Integrity
Filmplakat von A Man of Integrity

A Man of Integrity

117 min | Drama | FSK 12
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Reza hat sich aus dem moralischen Sumpf der Stadt zurückgezogen und führt mit seiner Frau und seinem Kind ein beschauliches Leben als Fischzüchter in einem Dorf im Norden Irans. Doch auch auf dem Land herrschen Korruption und Gewalt. Ein Großfabrikant, der beste Beziehungen zur Regierung unterhält, zwingt die lokalen Bauern und kleinen Unternehmer mit allen Mitteln in ein Netz der Abhängigkeit. Reza ist fest entschlossen, sich dem Filz fernzuhalten - doch eines Tages sind seine Fische tot. Eindrücklich erzählt der Film, wie korrupte Kartelle aus Macht und Geld das Leben im Iran beherrschen. (Quelle: Verleih)
  • RegieMohammad Rasoulof
  • ProduktionIran
  • Dauer117 Minuten
  • GenreDrama
  • AltersfreigabeFSK 12
  • IMDb Rating7.2/10 (1123) Stimmen

Filmkritik

Für Reza gibt es keinen Ausweg aus der geschlossenen Gesellschaft, nicht mal ins innere Exil. Der ehemalige Lehrer hat sich nach einem Konflikt mit den Behörden als Fischfarmer in den Norden des Irans zurückgezogen. Doch auch dort blühen Korruption und Willkür, örtliche Oligarchen arbeiten Hand in Hand mit den Richtern und der Polizei. Mit seiner unverblümten Beschreibung der autoritären Gesellschaft im Iran sorgte Regisseur Mohammad Rasoulof beim Filmfestival in Cannes für Aufsehen.

Aus dem hektischen Teheran in die Provinz gezogen, baut sich Reza eine neue Existenz als Goldfischzüchter auf. Goldfische werden im Iran massenhaft zum Neujahrsfest verschenkt, als Zeichen der Lebensfreude. Die jedoch ist Reza bereits abhandengekommen. Statt Ruhe für sich, seine Frau Hadis und den Sohn Sahand zu finden, steht er unter Druck, weil er sich weigert, Bestechungsgelder an die Firma zu zahlen, die in der Region die Geschäfte kontrolliert. Statt Abbas, dem Statthalter der ominösen Firma, seinen Obolus zu entrichten, verlässt er sich auf Polizei und Justiz. Die jedoch machen gemeinsame Sache mit dem skrupellosen Provinzmogul und drängen den Kleinunternehmer zur Aufgabe und zum Verkauf seines Landes – zunächst mit fingierten Anklagen, dann mit der Unterbrechung der Wasserzufuhr für die Fischteiche, mit der Drohung, den Sohn von der Schule zu verweisen, und schließlich mit der Vergiftung der Fische.

Erpresser und Erpresste

„Hier wirst du entweder zum Erpresser oder zum Erpressten“, fasst Hadis’ Bruder die ausweglose Lage lakonisch zusammen und bittet seinen Schwager, nicht weiterhin starrköpfig auf seinem Recht zu beharren. Schließlich sei es am Ende einfacher und auch billiger, sich mit dem erforderlichen Schmiergeld freizukaufen. Zum Mitmachen ist es allerdings für Reza schon zu spät: mit dem Beharren auf einem rechtsstaatlichen Prozedere hat er sich den Hass der Provinzfürsten auf sich gezogen. Bleibt nur noch die gelegentliche Flucht in den Rausch des selbstgemachten Wassermelonenschnapses und die Vorbereitung eines ausgeklügelten Racheplans. Am Ende steht er unvermittelter Dinge selbst an der Spitze der korrupten Gesellschaftspyramide, aber auch das, so sehen es die ungeschriebenen Selbstreinigungsgesetze korrupter Gesellschaften vor, nicht auf ewig. Mit der Gratulation zur neuen Position ist bereits eine Drohung verbunden – in Anspielung auf den unnatürlichen Tod seines Vorgängers fragt man sich in der Bevölkerung mit mahnendem Unterton, „wer wohl der nächste“ sein wird.

„A Man of Integrity“ gewann in Cannes den Hauptpreis in der Sektion „Un certain régard“. Regisseur Rasoulof wurde 2010 gemeinsam mit Jafar Panahi – die beiden arbeiteten an diversen Filmprojekten zusammen – während der Dreharbeiten über Proteste nach den iranischen Präsidentschaftswahlen verhaftet und zunächst zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Nach dem Gang vor die zweite Instanz blieb eine einjährige Gefängnisstrafe wegen regierungsfeindlicher Propaganda übrig, die zur Zeit gegen eine Bürgschaft ausgesetzt ist, aber als Damoklesschwert über Rasoulofs Karriere hängt. Die sechs Filme, die er bisher produziert hat, liefen erfolgreich auf internationalen Filmfestivals, keiner aber im Iran selber.

Die Metapher für das totalitäre System ist eindeutig

Auch der vollkommen unabhängig gedrehte „A Man of Integrity” dürfte kaum durch die Zensur kommen. Das korrupte Kartell, das hier in Form eines protokollarischen Thrillers porträtiert wird, könnte so zwar auch in anderen Ländern existieren. Die Metapher für das totalitäre System jedoch ist eindeutig, in einer Nebenhandlung etwa wird die staatlich forcierte Ausgrenzung nicht-muslimischer Minderheiten konsequent kritisiert. Dennoch ist „The Man of Integrity“ mehr als ein Politdrama, und schon gar nicht platt: mit seiner Sturheit verrennt sich Reza im Teufelskreis zwischen Rechtschaffenheit, Rechthaberei und Rache. Dadurch wird er am Ende vom Außenseiter selbst zum Teil des Systems, aber auch dies wider Willen. Seine Herzenswärme hat er da schon verloren, genauso wie seine Familie und seine Freiheit.

Erschienen auf filmdienst.deA Man of IntegrityVon: Bernd Buder (30.1.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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