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Filmplakat von ALMAMULA

ALMAMULA

96 min | Drama, Fantasy | FSK 12
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Die Eltern von Nino ziehen mit der Familie in ein kleines ländliches Dorf, um den Jungen zu schützen, nachdem er wegen seiner Homosexualität angegriffen wurde.
  • ProduktionArgentinien, Frankreich, Italien
  • Dauer96 Minuten
  • GenreDramaFantasy
  • AltersfreigabeFSK 12
  • IMDb Rating6.5/10 (167) Stimmen

Filmkritik

Die Mutter (María Soldi) betet vor dem Abendbrot, dass Gott ihre Tochter Natalia (Martina Grimaldi) beschützen möge und auch die Arbeit des Ehemanns Ernesto (Cali Coronel), dass er dem vermissten Sohn der Nachbarin und einige weitere Personen beistehe. Nur Nino (Nicolás Díaz) geht beim Gebet leer aus. Ignoriert zu werden, ist die bisher beste Erfahrung, die Nino mit der Religion gemacht hat. Er ist schwul. In der Heimatstadt seiner Familie wird er dafür zusammengeschlagen und bespuckt. Die Mütter seiner Peiniger beschweren sich bei Ninos Mutter, dass ihr Sohn ein schlechter Einfluss sei. Nicht die Gesellschaft ist pervers, sondern der Homosexuelle. So sieht es auch Ninos Mutter, auf deren Geheiß hin die Familie aufs Land zieht, in die Nähe des Waldes, in dem der Vater arbeitet und von dem es heißt, er werde von Geistern heimgesucht. Almamula ist der Name des Geistes, der die Sünder und die Unzüchtigen holt.

Bist du da? Hörst du mich?

Für Nino ist der Wald verboten. Schwester Natalia lädt ihre Freundinnen ein, genießt den Pool, schwitzt zusammen mit den älteren Jungs, spielt im Wasser die sexuellen Kennenlern-Spielchen, die Nino versagt bleiben. Er muss seine Beziehung zu Gott bereichern, heißt es im Konfirmationsunterricht, den Nino jetzt statt der Schule besucht. Wie genau das aussehen könnte, versteht der Junge nicht. Er versucht es, fragt den am Kreuz hängenden Jesus: „Bist du da? Hörst du mich?“ Keine Antwort.

Was kann Gott diesem Jungen geben? Diejenigen, die vorgeben an Gott zu glauben, begegnen Nino nur mit Hass. Dennoch bereitet die Mutter mit allem Eifer die Konfirmationsfeier vor und bestellt eine eigene Jesusfigur, die noch etwas dunkler und exotischer sein soll. Die Mutter macht sich ihren Gott, wie sie möchte.

Das sexuelle Erwachen und die Konfirmation laufen in „Almamula“ als entgegengesetzte Kräfte aufeinander zu. Die Libido zerrt Nino in die eine Richtung, der organisierte Glaube in eine andere. Wo beide zusammenkommen, wartet das Monster, wartet Almamula auf den Jungen. Eine Aussicht, die anfangs eine Schreckensvision ist, aber zunehmend zu einer Idee der Erlösung wird. Die nächste Sünde und das Monster, das sie bestraft, sollen ihn befreien.

Auf den Schienen des Fatalismus

Wo die Kirche ihm das Begehren verbietet, begehrt er Jesus. Sein Abbild in der Hand haltend, masturbiert er im verbotenen Wald. Almamula soll ihn holen und von den Schrecken und der Schuld befreien, die ihm das freudlose Leben im Schatten der verlogenen Religionsgemeinschaft bereitet. Als Handstigmata werden sie bald auch auf dem Körper des Jungen sichtbar. Der Einzige, der sich um den Jungen kümmert, seine Wunden wäscht, ihm mit Rat zur Seite steht und seine Versuche, sich ihm sexuell zu nähern, nicht verurteilt, sondern zärtlich ablenkt, ist Malevo (Beto Frágola), einer der indigenen Arbeitskräfte seines Vaters.

Für einen Film, der Geister, Monster, kolonialgeschichtliches Erbe, homosexuelles Begehren und religiöse Schuld miteinander vermengt, bringt „Almamula“ erstaunlich wenig Dynamik auf. Der Film gleitet auf den Schienen des Fatalismus dahin, lässt die Kamera mit dem Schatten in den Wald kriechen und den Protagonisten noch mehr in der Dunkelheit versinken, die ihn schon zu Beginn des Films umgibt. Es ist ein konsequenter Weg, auf dem es zumindest in der Peripherie viel zu sehen gibt von der argentinischen Geschichte und der argentinischen Malaise. Aber es ist abver auch ein Weg, dem „Almamula“ im gleichen Trott folgt. Bis in den Abgrund.

Erschienen auf filmdienst.deALMAMULAVon: Karsten Munt (18.2.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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