Szene aus Hör auf zu lügen
Filmplakat von Hör auf zu lügen

Hör auf zu lügen

98 min | Drama, Lovestory | FSK 12
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Der erfolgreiche Romanautor Stéphane Belcourt kehrt zum ersten Mal seit seiner Jugend in seine Heimatstadt zurück. Als lokale Berühmtheit wurde er als neuer Markenbotschafter zum 200-jährigen Jubiläum einer Cognac-Marke eingeladen. Kurz nach seiner Ankunft stellt er fest, dass Unternehmensvertreter Lucas Andrieu der Sohn seiner ersten großen Liebe Thomas ist. Die Begegnung weckt in Stéphane lebhafte Erinnerungen an eine leidenschaftliche, geheime Liebe während eines flirrenden Sommers.
  • RegieOlivier Peyon
  • ProduktionFrankreich
  • Dauer98 Minuten
  • GenreDramaLovestory
  • AltersfreigabeFSK 12
  • Empfehlung der Jugendfilmjury
    15 - 99
  • IMDb Rating7.6/10 (1112) Stimmen

Filmkritik

Als der Schriftsteller Stéphane (Guillaume de Tonquédec) nachdenklich aus dem Autofenster blickt, sieht man den jungen Thomas (Julien De Saint Jean) auf seinem Motorrad. Dass zwischen diesen beiden Momenten 35 Jahre liegen, weiß man erst einige Minuten später durch eine Einblendung. Der Schnitt, der nahelegt, dass man den erwachsenen Autor und seinen früheren Mitschüler zur gleichen Zeit sehe, passt jedoch gut zur Unentrinnbarkeit der Vergangenheit, von der der Film erzählt. Die leidenschaftliche und sonnendurchflutete Jugend bleibt in der grauen Gegenwart von „Hör auf zu lügen“ stets präsent.

Stéphane kehrt nach langer Zeit in seine Heimatstadt Cognac zurück, um anlässlich des 200. Geburtstags einer lokalen Spirituosen-Marke eine Rede zu halten. Solange noch unklar bleibt, warum er in die verhasste Kleinstadt zurückgekehrt ist, funktioniert die Adaption des autobiografischen Romans von Philippe Besson als leichtfüßige Provinzkomödie. Während die dauerquasselnde Gaëlle (Guilaine Londez) den Autor von einem Pressetermin zum nächsten schleift, kommt es zu lustig-angespannten Momenten zwischen den piefigen, aber enthusiastischen Bewohnern und dem widerwilligen Gast.

Heile Welt mit starken Zwängen

Stéphane ist geistig woanders. Noch immer hängt er der innigen Liebe zu dem Bauernsohn Thomas nach, von der der Film nach und nach in Rückblenden erzählt. Statt ganz in die Beziehung einzutauchen, beschränkt sich Regisseur Olivier Peyon auf einzelne Schlaglichter: Zettel, die heimlich in der Schule ausgetauscht werden, Nacktbaden an einem verlassenen See, gelöster Sex in der sturmfreien Bude. Auf den ersten Blick ist es eine heile Welt, in der nur die beiden existieren. Indirekt machen sich jedoch äußere Zwänge bemerkbar. Thomas versucht panisch zu verhindern, dass die Beziehung bekannt wird. Zu groß ist seine Scham, schwul zu sein, zu aussichtslos eine Zukunft in Freiheit, weil er als Einzelkind an den Hof der Eltern gekettet ist.

Wie ein Doppelgänger dieser früheren Liebe taucht in der Gegenwart Lucas (Victor Belmondo) auf, der sich als Sohn des mittlerweile verstorbenen Thomas vorstellt. Für Stéphane, der gerade unter einer Schaffenskrise leidet, hat diese Begegnung eine belebende Wirkung. Die Literatur war für den Autor immer eine Art der Verarbeitung. Seine literarische Karriere basiert gewissermaßen auf seinem gebrochenen Herzen. Nun lässt Lucas die Vergangenheit wieder spürbar werden. Der sonst eher zugeknöpfte Stéphane schleicht sich plötzlich wie ein ungezogener Junge von seinen Pflichtterminen fort, um Zeit mit ihm zu verbringen. Die gemeinsamen Treffen sind dabei von einer Spannung des Unausgesprochen geprägt. So wie Stéphane die Karten zunächst nicht auf den Tisch legt, bleibt auch bei Lucas unklar, ob er wirklich nur so wenig von seinem Vater weiß, wie er vorgibt.

Kaum etwas ist erfunden

Der Filmtitel bezieht sich auf einen Ausspruch von Stéphanes Mutter, weil ihr Sohn sich ständig Geschichten ausgedacht hat. Tatsächlich zeichnet sich mit dem Fortschreiten der Handlung immer mehr ab, dass in seinen Büchern kaum etwas erfunden ist. Ebenso verweist der Titel auf Thomas’ hartnäckige Selbstverleugnung. Auch Stéphane musste als junger Mensch erfahren, dass die Provinz grausam zu jenen sein kann, die anders sind. Als der erwachsene Autor sich bei einem Treffen mit US-Touristen zu einer anzüglichen Geschichte hinreißen lässt und darauf peinlich berührte Blicke erntet, macht er es wie einst als Teenager: Er tritt umgehend die Flucht an.

„Hör auf zu lügen“ erzählt vom mühsamen Ringen mit quälenden Erfahrungen, aber auch von der lindernden Erkenntnis, mit seinem Schmerz nicht allein zu sein. Stéphane und Lucas werden bald zu Verbündeten, die verschiedene Seiten von Thomas kannten und sich auf jeweils unterschiedliche Weise von ihm verlassen fühlen. Für den entschieden emotionalen Zugang wählt die Inszenierung nur gelegentlich einen zu bequemen Weg. Die Art von sentimentaler Überwältigung, auf die der teilweise sehr expressive Soundtrack und die Naturaufnahmen in romantischer Abendsonne abzielen, hätte der Film nicht nötig gehabt. Dafür ist „Hör auf zu lügen“ zu gut interpretiert, sein Spiel mit Geheimnissen und Offenbarungen zu spannend und seine gefühlvollen Konfrontationen zu dicht inszeniert.

Erschienen auf filmdienst.deHör auf zu lügenVon: Michael Kienzl (23.2.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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