Szene aus Blue Beetle
Filmplakat von Blue Beetle

Blue Beetle

128 min | Abenteuer, Science Fiction, Action | FSK 12
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Jaime hat die Nase voll davon, sich und seine Familie mit Aushilfsjobs über Wasser zu halten. Da kommt ihm ein Vorstellungsgespräch beim Konzern Kord Industries gerade recht, das ihm seine Bekannte Jenny Kord verschafft hat. Doch anstatt ihm einen Job anzubieten, drückt ihm Jenny kurzerhand einen Burger-Karton in die Hand und schickt ihn wieder nach Hause. Dort stellen Jaime, seine Schwester Milagro, seine Eltern Alberto und Rocio sowie sein Onkel Rudy fest, dass sich in der Box ein mysteriöser blauer Skarabäus befindet. Der setzt sich nicht nur an Jaimes Wirbelsäule fest, sondern kommuniziert auch mit ihm, hüllt ihn in eine blaue Hightech-Rüstung ein und fliegt mit ihm in die Umlaufbahn.

Filmkritik

Nicht Jamie, sondern Jaime lautet der Name. Am Anfang steht nicht das englische „Jay“, sondern das spanische „Jota“. Die Frau am Empfangstresen des Wolkenkratzers interessiert das herzlich wenig. „Jamie“ hat sich hinzusetzen und zu warten. Statt eines Jobangebots, für das er in der Empfangshalle des Megakonzerns Kord Industries ausharrt, kriegt Jaime (Xolo Maridueña) von der Konzern-Erbin Jenny (Bruna Marquezine) eine alte Burger-Pappschachtel in die Hand gedrückt. Ausnahmsweise ist das keine abfällige Geste und auch kein Restmüll, den der junge College-Absolvent aus dem Gebäude schmuggelt. Denn in der Schachtel liegt ein fluoreszierender Skarabäus, in dem eine Milliarden Jahre alte Macht schlummert.

Jaime nimmt die Packung mit nach Hause. Öffnen soll und will er sie nicht. Lieber hätte er den in Aussicht gestellten Job und damit die Möglichkeit, seine Familie zu unterstützen, die ihr bescheidenes Haus bald räumen muss. Oder ein Date mit der schönen Konzern-Erbin. Es steht also zunächst nicht gleich das Schicksal der Erde, des Universums oder gar des Multiversums auf dem Spiel. „Blue Beetle“ spielt mit bescheidenem Einsatz.

Ein (Super-)Held im Schoß seiner Familie

Anders als „The Flash “präsentiert sich „Blue Beetle“ nicht von vornherein als Rädchen in der Maschinerie eines großen Multiversums, sondern als die diesem Schicksal oft vorgeschaltete „Origin Story“. Sichtlich darum bemüht, den Protagonisten zu erden, hebt der Film Jaime nicht in die für Normalsterbliche unerreichbaren Höhen des Superhelden-Olymp, sondern hält ihn im Schoß der Familie. Mit seiner Schwester (Belissa Escobedo) arbeitet er, mit dem Vater (Damián Alcázar) starrt er nachts zu den Sternen hinauf, Mama (Elpidia Carrillo) und Oma (Adriana Barraza) füllen den Rest, und der verschrobene Onkel Rudy (George Lopez) ist ohnehin immer dabei, wenn es kracht. Die Action nimmt in „Blue Beetle“ tatsächlich einen eher bescheidenen Teil ein. Der Film interessiert sich für jene Identitätsfragen, die sich Jaime und seine Familie stellen müssen, beziehungsweise noch einmal neu stellen müssen, als der Glückskäfer aus dem Karton hüpft, in Jaimes Körper eindringt und ihn in einen Gregor Samsa mit Superkräften verwandelt.

Auf diese Weise ist Blue Beetle erst einmal ein Superheld wider Willen. Der Käfer verbindet sich mit seinem Rückenmark, umschließt den Rest des Körpers mit einem kosmischen Chitinpanzer und nimmt Jaime für einen Ausflug in die Stratosphäre mit. Die allmächtige und weltenzerstörende Symbiontin, die Jaime fortan ins Ohr flüstert, bleibt dabei erstaunlich profillos. Neben der ein oder anderen Verhaltensempfehlung trägt sie nur das Waffen- und Rüstungsarsenal bei, mit dem Jaime zum Kampf antritt.

Mit der Macht des heiligen Käfers

Der Gegner des kosmischen Superhelden ist sein raubtierkapitalistisches Abziehbild, der ehemalige Elite-Soldat Carapax (Raoul Max Trujillo), den die Milliardärin und böse Stiefmutter Victoria Kord (Susan Sarandon) mit der Macht des heiligen Käfers vollgepumpt und mit dem Waffenarsenal des eigenen Rüstungskonzerns ausgestattet hat. Das ist, wie die gesamte Comic-Ästhetik des Films, erstaunlich generisch.

Als Held wider Willen ist Jaime ohnehin nicht scharf darauf, alle ihm gegebenen Kräfte spielerisch einzusetzen. Er will das Ding, das in ihm steckt, loswerden und zu dem Familienleben zurückkehren. Der Film macht es ihm nach, steckt seine Energie eben nicht in Superhelden-Extravaganzen – der erste Kampf läuft buchstäblich auf Autopilot –, sondern holt die kosmische Kraft aus der Atmosphäre zurück an den Tisch des mexikanischen Familienhaushalts. Hier gibt es erst einmal einen Crashkurs in mexikanischen Codes. Man liebt Daily Soaps, Tacos und die eigene Familie und arbeitet hart in den von den großkapitalistischen Cousins und Cousinen entworfenen Strukturen gegen die dort verbreiteten Stereotypen.

Nicht mehr als eine Pose

„Blue Beetle“ ist wohl oder übel Repräsentationskino. Denn tatsächlich spielt das Ensemble am Esstisch, im Vorgarten und allen anderen Gelegenheiten des familiären Beisammenseins gut auf. Früher oder später muss das propagierte antikapitalistische Wertesystem aber eben doch dort erprobt werden, wo mit Kräften gespielt wird, die über der Einkommensklasse der nicht-privilegierten lateinamerikanischen Familie liegen. Genau dort aber, wo sich alles ins Comic-Universum einzugliedern hat, bleiben viele der Repräsentations- und Klassenkampfgesten auf der Strecke.

Zwar bekommt die Großmutter eine Gatling-Gun in die Hand gedrückt, mit der dazu passenden Bemerkung über die Vergangenheit der Waffe in der mexikanischen Revolution, und der Sohn kanalisiert den Schmerz über das verlustreiche Dasein in Armut in seinen blau schimmernden Waffen. Doch im großen Showdown mit Carapax und der Privatarmee der bösen Stiefmutter sind die sanften Werte und das große Klassen- und Selbstbewusstsein aber eben doch mehr Pose als Anker der Geschichte. Jeder freut sich, mit den Milliardärs-Gadgets spielen zu dürfen und seinen Beitrag zu dem zu leisten, was nie wirklich Klassenkampf war.

Erschienen auf filmdienst.deBlue BeetleVon: Karsten Munt (18.1.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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