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Filmkritik
Eine berserkerhafte Autofahrt über einen Landweg, unterlegt mit dröhnender Percussion und aus der Perspektive des Fahrers gefilmt, lässt bereits zu Anfang Böses befürchten. Später zeugt ein Kreuz am Straßenrand vom tragischen Ausgang der Fahrt. Der junge Hirte Michael hat seine Mutter zu Tode gefahren und seine Freundin Caroline schwer verletzt. Zwanzig Jahre später ist Caroline (Nora-Jane Noone), die von dem Unfall Narben im Gesicht davongetragen hat, mit Michaels verfeindetem Nachbarn Gary (Paul Ready) verheiratet und hat mit ihm einen Sohn. Michael (Christopher Abbott) wohnt auf der Farm seines Vaters Ray (Colm Meaney). Dieser sitzt mittlerweile im Rollstuhl, sodass Michael sich allein um seine Schafherde in der rauen irischen Landschaft kümmern muss.
Ein Streit um Böcke heizt den Konflikt an
Ein Streit um zwei Böcke heizt in dem archaischen Drama „Bring Them Down“ den seit Jahrzehnten schwelenden Konflikt zwischen den beiden Familien wieder an. Garys Sohn Jack (Barry Keoghan) hat die Tiere offenbar von Michaels Weiden gestohlen und will sie mit seinem Vater auf dem Viehmarkt verkaufen. Als Michael protestiert, stellt sich Gary stur. Es kommt zu einem Handgemenge und einer anschließenden wilden Verfolgungsjagd auf der Landstraße, bei der allerdings – noch – keine Menschen zu Schaden kommen. Doch die Streitigkeiten zwischen den beiden Familien warten nur auf einen neuerlichen Anlass, um zu eskalieren. Auch dass der alte Ray seinen Nachbarn nicht über sein Grundstück fahren lässt – eine Brücke ist defekt –, sorgt für böses Blut.
Außerdem treiben in der Gegend Schaftöter ihr Unwesen. Das seien Banden aus Osteuropa, behaupten die Viehzüchter. Den Tieren werden die Hinterläufe abgeschnitten, sodass sie qualvoll verenden. Bald erwischt es auch etliche Schafe aus der Herde von Michael. Er will die Schuldigen finden, verdächtigt aber den Falschen.
Die Geschichte des Spielfilmdebüts von Christopher Andrews scheint wie aus der Zeit gefallen. Sie entfaltet sich in grünen, aber unwirtlichen bergigen Landschaften Irlands, weitab von Städten oder gängiger Infrastruktur. Dementsprechend elementar ist auch das Leben der Hirten. Sie wohnen in Landhäusern ohne Komfort, durch die der raue Wind zu pfeifen scheint. Vieles wird hier noch von Hand gemacht – die Arbeit ist körperlich und entbehrungsreich. Michael, der immer noch an Gewissensbissen wegen seiner Amokfahrt vor 20 Jahren leidet, scheint sich dieses Leben ausgesucht zu haben, um Buße zu tun.
Wer will hier wem Böses?
Doch so abgelegen sein Land auch sein mag – mit den Nachbarn bekommt er es wohl oder übel zu tun. Gary ist nicht nur mit Michaels Ex-Freundin zusammen, sondern scheint sich auch neu aufstellen zu wollen – mit touristischen Unterkünften, die er allerdings nicht bauen kann, wenn Ray ihn nicht über sein Land fahren lässt. Garys Sohn Jack dagegen ist ein junger Mann, der außer seiner Mutter Caroline niemanden zu lieben scheint und sich nicht in die Karten schauen lässt. Wer will hier wem Böses? Behindern sich die beiden verfeindeten Hirtenfamilien willentlich oder hat der eskalierende Konflikt womöglich andere Ursachen?
Der Film ist wie eine klassische Tragödie angelegt, in der es für die Figuren kein Entrinnen gibt. Nicht nur das Setting mit seinen kargen, steinigen Landstrichen und dunklen Wäldern ist archaisch, sondern auch das Verhalten der männlichen Protagonisten. Von beiden Seiten genährte Missgunst und Hass haben sich im Laufe der Jahre zu einer explosiven Mischung zusammengebraut, die nur auf eine Entladung wartet. Die raffinierte Erzählweise des Films aus zwei unterschiedlichen Perspektiven bringt allerdings Licht ins Dunkel der emotional aufgeheizten Situation. Da die Protagonisten in ihren starren Positionen verharren und dem jeweils anderen nur Schlechtes zutrauen, handeln sie vorauseilend und mit unnötiger Härte. Dabei sind die wahrhaft Schuldigen nicht jene, die man im Verdacht hat. Die vier Männer zweier Generationen, die den Konflikt eskalieren lassen, entpuppen sich als recht armselige, in veralteten Männlichkeitsbildern gefangene Versager, die ihre fehlende Kommunikationsbereitschaft durch Gewalt kompensieren.
Eine fatalistische Story
Die einzige Frau in der Geschichte, Caroline, die ursächlich für den Konflikt der beiden Kampfhähne ist, erscheint als die beschwichtigende und vernünftige Figur des Films. Am Ende gewinnt allerdings wieder das Archaische, ist Blut dicker als eine alte Liebesbeziehung. Man kann sich fragen, ob eine so fatalistische Story noch zeitgemäß ist. Durch die geerdete Schilderung der ländlichen Arbeit und Lebensumstände, die entfernt an das britische Drama „God’s Own Country“ erinnern, erhält der Film eine realistische Note. Der mitreißende Soundtrack, der den dramatischen Szenen zusätzliche Intensität verleiht, trägt zur Spannung bei. Christopher Abbott als Michael vermittelt glaubhaft das Trauma seiner Figur und die Ausweglosigkeit seiner Situation. Barry Keoghan dagegen legt Jack zwischen Durchtriebenheit und Gedankenlosigkeit an und verleiht ihm trotzdem eine Undurchsichtigkeit, die die überraschenden Wendungen des Films glaubhaft erscheinen lässt.
