Das Perfekte Schwarz
- RegieTom Fröhlich
- ProduktionDeutschland
- Dauer79 Minuten
- GenreDokumentarfilm
Filmkritik
Wenn die Musikerin Katja Krüger in den Sternenhimmel blickt, hört sie Klänge, die je nach Dichte des Lichts dunkel und rauschig oder auch hell klingen, ähnlich dem schwingenden Ton einer Triangel. Krüger ist Synästhetikerin; ihr Gehirn verknüpft Farben mit Tönen. Schwarz nimmt sie als ein tiefes Brummen wahr. Es ist eine Farbe, die sie erdet, wenn ihr die Umgebung zu unruhig wird.
Der Dokumentarist Tom Fröhlich fragt in seinem Film nach dem „perfekten Schwarz“. Dazu trifft er Menschen, die in ihren Berufen und Tätigkeiten mehr oder weniger direkt damit zu tun haben. Der Astrophysiker Eike Günther schaut mit einem riesigen Teleskop in den Weltraum, doch selbst in den scheinbar tiefschwarzen Räumen finde man immer „irgendwas“. Als Abwesenheit von Licht wäre das perfekte Schwarz eine „Nicht-Wahrnehmung“ und damit nicht zu finden.
Wenn die Masken fallen
Die wissenschaftliche Antwort ist im Film jedoch nur eine unter vielen. Ebenso geht es um Fragen der Wahrnehmung, um Metaphorik und Sinnsuche. Der Tattoo-Künstler Gerhard Wiesbeck etwa beschreibt Schwarz als einen Moment, in dem die Menschen ihre Masken fallen lassen. Er spricht viel von Ehrlichkeit und verwendet gerne Begriffe wie „Endpunkt“ und „Kern“. Wie schwarz die Formen tatsächlich sind, die er einem Mann auf den Rücken sticht, lässt sich nicht sagen. Denn Fröhlich hat „Das perfekte Schwarz“ in einem extrem kontrastreichen Schwarz-weiß gedreht.
„Das perfekte Schwarz“ ist ein Film ohne Farben, auch ohne Grautöne. Die Bilder sind auf Hochglanz poliert und haben einen Hang zum Design. Am Anfang sieht man eine wabernde Oberfläche, durch deren Haut sich rhythmisch spitze Formen drücken; sichtbar werden sie allein durch das changierende Licht. Texturen spielen im Film generell eine wichtige Rolle und werden regelrecht fetischisiert: Regentropfen auf einer Fensterscheibe, Farbe, die zu Krümeln zerstoßen wird, Wasserblasen in der Tiefe des Meeres, eine Wolkendecke, die Haut eines Männerrückens, der von einer Tätowiernadel bearbeitet wird.
Fröhlich hat auch ein Faible für technische Apparaturen und mechanische Prozesse: Teleskope und Druckmaschinen etwa. Es geht dabei nicht um die Nachvollziehbarkeit der Abläufe, sondern um die Schauwerte dieser Art von abstrakter Betrachtung.
Von bunten Bildern keine Spur
Die Meeresbiologin Antje Boetius erforscht Lebensformen in der Tiefsee. Je weiter das Tauchboot nach unten sinkt, desto schwärzer wird der Raum. Sie beschreibt diesen Zustand als „Zuhausegefühl“. Licht gibt es in diesem „alternativen Paradies“ in Form von Organismen: Quallen oder Tintenfische. Im Film sehen sie aus wie bizarre organische Leuchtkörper. Der Kunstdrucker Dieter Kirchner hat seinerseits unweigerlich mit der Farbe Schwarz zu tun gehabt – und mit den Schwierigkeiten, ein tiefes Schwarz zu drucken. Er hat jahrelang gesucht, bis er sein perfektes Schwarz in einem Obsidian-Stein in Pyramid Lake, Nevada, fand.
„Schwarz, schwarz, schwarz ...“, raunt es am Anfang und Ende des Films aus dem Off. In seiner Fragestellung wirkt „Das perfekte Schwarz“ stellenweise ziemlich aufdringlich; auch das visuelle Konzept ordnet alles unter, verwischt die Zwischentöne und lässt den Figuren wenig Eigenleben. Als Dorothea Stockmar ihren siebzehnjährigen Sohn bei einem Unfall verlor, begann sie zu malen und zu schreiben. Von ihren bunten Bildern aber ist nichts zu sehen.