
- RegieJack Hofsiss
- ProduktionsländerVereinigte Staaten
- Produktionsjahr1981
- Dauer124 Minuten
- GenreDramaBiographie
- Cast
- AltersfreigabeFSK 12
- IMDb Rating7/10 (209) Stimmen
Vorstellungen




Filmkritik
Seit Monaten ist "The Elephant Man" als Bühnenstück am Broadway erfolgreich, nun wurde auch der Film (der übrigens mit der Bühnenfassung nicht identisch ist) in Amerika ein großer Publikumserfolg. Was erwarten sich Millionen von Zuschauern von dieser Geschichte eines armseligen deformierten Menschen kurz vor der Jahrhundertwende? Ist es die Neugier auf die "Launen der Natur", eine moderne Art von Abnormitätenschau also? Oder hat sich herumgesprochen, daß die von Geburt an verunstaltete Kreatur hier zum Gegenstand einer ernsthaften Frage nach unserer Bereitschaft zu Toleranz und praktizierter Humanität geworden ist? Vielleicht ist es gar nicht so zufällig, daß gerade in der Hochblüte des technischen Zeitalters ein Stoff wieder als aktuell empfunden wird, der zur Zeit der "Industrial Revolution" von einem Londoner Arzt zu Papier gebracht worden ist und damals ebenfalls die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregte. "The Elephant Man and Other Reminiscences" heißen die Aufzeichnungen von Sir Frederick Treves über seinen merkwürdigen Patienten John Merrick, denen später "The Elephant Man: A Study in Human Dignity" von Ashley Montagu folgte. Damals wie heute sind die "Freaks" allenfalls Schauobjekte, aus dem normalen Leben an den Rand verbannt, jedoch mit dem schlechten Gewissen einer Gesellschaft, die in ihren Reihen keinen Platz für Außenseiter, Behinderte und Abnormale hat. Dieser Film, ungewöhnlich genug in einer Epoche der spekulativen Superproduktionen, rüttelt ebenso wie seinerzeit Treves` Buch deutlich an diesem schlechten Gewissen - und das Publikum scheint bereit zu sein, den Hinweis ernst zu nehmen.
Die Kreatur, um die es hier geht, ist ein am ganzen Körper Verunstalteter, der insbesondere mit einem monströsen, verwachsenen Kopf auf die Welt gekommen ist, der ihm denn auch den Namen "The Elephant Man" eingebracht hat. Dieser John Merrick ist 21 Jahre alt, als ihn der Arzt Frederick Treves auf einer Abnormitätenschau entdeckt und ihn in das Hospital holt, in dem er arbeitet. Zu seinem eigenen Erstaunen muß er entdecken, daß in dem total verschüchterten, sich fast tierähnlich gebärdenden Wesen ein ganz normal funktionierendes Gehirn steckt. Der Mann kann lesen und schreiben und beginnt - stockend zunächst und durch seine Deformation behindert - allmählich auch, sich zu artikulieren. Gegen alle Widerstände erhält er eine Bleibe im Krankenhaus, die ihn freilich nicht davor schützt, aufs Neue das Opfer seiner Umwelt zu werden. Die bessere Gesellschaft macht ihn zu einer Art Modell, an dem sie ihr Gewissen abreagieren kann; die Arbeiter und Tagediebe, die Huren und kleinen Geschäftemacher können nicht davon lassen, ihn für Geld anzustarren und ihr Spiel mit ihm zu treiben. Noch einmal gerät er in die Gewalt des Schaustellers, dem Treves ihn mit List und Entschlußkraft aus den Klauen gerissen hat. Der schleppt ihn nach Frankreich, und als der auf vielfache Weise erniedrigte Merrick schließlich nach London zurückgefunden hat, ist er bereits vom Tod gezeichnet. Als ihm unterwegs die Meute das Tuch herunterreißt, hinter dem er seine Verunstaltung zu verbergen sucht, bricht der Geschundene zusammen, verzweifelt stöhnend: " Ich bin ein menschliches Wesen".
Nicht nur durch seine Geschichte, sondern auch durch die Form unterscheidet sich " The Elephant Man" erheblich vom Durchschnitt der heutigen Produktion. Sein Regisseur David Lynch hat zuvor nur einen langen Spielfilm gedreht, "Eraserhead", der allerdings rasch zum Kultfilm unter jungen Leuten geworden ist. Sieht man nun "The Elephant Man", so erscheint "Eraserhead" wie eine konsequente Vorstudie zu diesem Film. Beide Filme verzichten auf die Farbe, beide haben ein verwandtes Sujet, beide beschwören eine Atmosphäre finsterer Alpträume, die den Zuschauer von der ersten Szene an gefangen nimmt. Die Geschichte des verunstalteten John Merrick läßt Lynch in kontrastreichem Schwarzweiß fotografieren, oftmals auch optisch in totale Dunkelheit versinkend, im erzählerischen Duktus dabei der angelsächsischen Literatur des ausgehenden 19. Jahrhunderts durchaus verwandt. Obwohl bedrückend und beängstigend in jeder Szene, verliert er sich keinen Augenblick an den naheliegenden Effekt des Horrors. Im Gegenteil: Die dramaturgische und optische Entwicklung der Geschichte ist von solcher Behutsamkeit und Empfindlichkeit, daß selbst die erste Präsentation des "Monsters" ohne jeden Schock abgeht. Hatte man befürchtet, dies könne eigentlich nur ein Film zum Gruseln werden, so ist es (nicht zuletzt auch durch die eminent gut geführten Darsteller) ein Film tiefen Mitgefühls geworden, einer der menschlichsten - und dabei unsentimentalsten - Filme, die in den letzten Jahren entstanden sind, ein Film, bei dem sich eher die Assoziation zu Dalton Trumbos "Johnny zieht in den Krieg" und Truffauts " Wolfsjunge" einstellt, als daß man sich an naheliegende Quasimodo-Parallelen erinnert fühlt.