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Filmkritik
„Barbaren raus“, steht in blauer Schrift auf der Eingangstür des Hauses, in dem die syrische Familie Fayad einquartiert werden soll. So hatten sich die Kriegsflüchtlinge den Empfang in der bretonischen Kleinstadt Paimpont nicht vorgestellt, wo ihnen Obdach gewährt werden soll. Dem eitlen Bürgermeister und der Lehrerin Joëlle (Julie Delpy) ist die ausländerfeindliche Parole überaus peinlich. Zumal sie dafür gesorgt haben, dass der Stadtrat als Zeichen gelebter Solidarität bereit war, eine ukrainische Flüchtlingsfamilie aufzunehmen. Sogar der Klempner Hervé (Laurent Lafitte), ein offenkundiger Parteigänger des rechtsradikalen Rassemblement National, stimmte dem Beschluss am Ende zu.
Es war einmal …
Doch dann blieben keine Ukrainer übrig, die noch verteilt hätten werden können. Dafür wurde die syrische Familie mit Vater Marwan (Ziad Bakri), Mutter Louna (Dalia Naous), den Kindern, Großvater Hassan (Fares Helou) und Tante Alma (Rita Hayek) nach Paimpont geschickt. Dort brechen sich bald tiefsitzende Vorurteile und Ressentiments Bahn, insbesondere unter den männlichen Einwohnern. Das bekommt auch ein Team des Regionalfernsehens mit, das über die Solidaritätsaktion berichten soll.
Der Film beginnt wie ein Märchen: „Es war einmal in Paimpont“, ist im Vorspann zu lesen. Doch schon der Prolog konterkariert dies mit einem satirischen Zeichen. Der Bürgermeister, der eine Schärpe in den französischen Nationalfarben trägt, plustert sich auf, um sich und sein Städtchen vor einem Kamerateam in den schönsten Farben darzustellen. Der Film, dessen Ausgangskonstellation an „Willkommen bei den Hartmanns“ (2016) erinnert, gliedert sich nach dem Prolog in fünf Kapitel, die jeweils mit historischen Schlachtengemälden und klassischer Musik von Beethoven und Mozart eingeleitet werden. Am Ende folgt ein Epilog, der ein Jahr später zeigt, was sich in Paimpont inzwischen getan hat.
Zunächst nimmt sich Regisseurin Julie Delpy, die auch am Drehbuch beteiligt war, ausgiebig Zeit, um die Einwohner zu charakterisieren. Ihre Schrullen und Macken liefern reichlich Material zum Schmunzeln, etwa wenn eine Café-Betreiberin Gallettes zubereitet, die niemandem schmecken, aber es keiner wagt, das auch zu sagen. Je weiter der Film aber voranschreitet, politische Themen aufgreift und gesellschaftskritische Töne anschlägt, umso mehr wandelt er sich zu einem engagierten Sozialdrama mit humanistischer Botschaft.
Mit Rebellinnen-Potenzial
In der dialoglastigen Inszenierung fällt die Diskrepanz zwischen den klischeehaft gezeichneten Einheimischen und den syrischen Neuankömmlingen auf, die als Menschen mit Stärken und Schwächen dargestellt werden. Ziad Bakri spielt den angeschlagenen Familienvater, einen Architekten, der nicht damit klarkommt, dass er in Frankreich nicht in seinem Beruf arbeiten darf, weil dort seine Ausbildung nicht anerkannt wird. Dagegen bleibt Laurent Lafitte als wichtigster Gegenspieler unterfordert. Seine Figur des fremdenfeindlichen Handwerkers Hervé ist ein eindimensionaler Schurke wie aus dem Bilderbuch, dessen finaler Sinneswandel unglaubwürdig wirkt.
Die Einheimischen bleiben insgesamt eher statisch, auch Julie Delpy, die die Hauptrolle der idealistischen Lehrerin verkörpert. Ihre extrovertierte, hyperaktive Joëlle ist oft überfordert und scheint aus Rückschlägen wenig zu lernen. Im Vergleich dazu wirkt die Rolle ihrer besten Freundin, der alkoholabhängigen Supermarktbetreiberin Anne (Sandrine Kiberlain) deutlich komplexer. Kiberlain spielt diese gebrochene Figur, die von ihrem Mann mit der üppigen Gattin des Metzgers betrogen wird, ebenso souverän wie charmant als tragikomische Underdog-Figur mit Rebellinnen-Potenzial.
Der Fortgang des Films ist recht absehbar. Nur selten überrascht „Die Barbaren“ mit originellen Einfällen wie etwa der kuriosen Szene, in der der geschmeidige Stadtpolizist Johnny (Marc Fraize) und der von ihm festgenommene Marwan ihre Vorliebe für französische Gesangskünstler wie Dalida und Charles Aznavour entdecken und Johnny sogar ein Lied seines Idols Johnny Halliday anstimmt.
Mit feministischer Verve
Am Ende drängt der latente feministische Einschlag der Satire immer mehr ins Zentrum. Denn während die bretonischen Männer mit Borniertheit, Ignoranz und Vorurteilen meist nur für Lacher sorgen, sind es die Frauen, die mit Cleverness und weiblicher Solidarität die Probleme lösen, den Machismo ins Leere laufen lassen und die Grundlage für ein friedliches Zusammenleben der Ethnien in Paimpont legen. Wenn das nicht märchenhafte Züge trägt.