Szene aus Die Gewerkschafterin
Filmplakat von Die Gewerkschafterin

Die Gewerkschafterin

122 min | Drama, Thriller | FSK 16
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Maureen Kearney wird gefesselt und traumatisiert in ihrer eigenen Wohnung aufgefunden. Vom Täter fehlt jede Spur und sie kann sich nur bruchstückhaft erinnern. Die Ermittler arbeiten unter Hochdruck, denn Maureen war als Gewerkschafterin dubiosen Geschäften in der Atomindustrie auf der Spur, die auch einflussreiche Entscheidungsträger belasten könnten. Da tauchen plötzlich neue Indizien auf, die den Überfall in Frage stellen. Maureen wird vom Opfer zur Verdächtigen.

Filmkritik

Die in Frankreich lebende Irin Maureen Kearney (Isabelle Huppert) vertritt als sehr engagierte Repräsentantin der Gewerkschaft CFDT in Paris seit vielen Jahren die Interessen von etwa 50.000 Beschäftigten beim französischen Atomkraftkonzern Areva. Dabei setzt sie sich – mit begrenztem Erfolg – für eine Verbesserung der Aufstiegschancen von Mitarbeiterinnen ein. Bisher hat sie mit der Geschäftsführerin Anne Lauvergeon (Marina Foïs) gut zusammengearbeitet. Als diese auf Druck der Regierung abgelöst und durch den farblosen Manager Luc Oursel (Yvan Attal) abgelöst wird, dreht sich der Wind. Obendrein macht ein Whistleblower des Stromkonzerns EDF sie auf riskante Machenschaften aufmerksam. Der machtgierige EDF-Chef Henri Proglio will Areva zerschlagen und dessen Atomgeschäft an sich ziehen, um mit einem chinesischen Konzern Billigkraftwerke zu bauen. Ein Deal, der bei Areva Zehntausende Jobs bedroht.

Maureen macht bis in die Reihen der Politik Front gegen die Pläne, stößt aber auf Vorbehalte, Schweigen und Abwiegeln. Sie macht sich viele Feinde und erhält Drohanrufe. Einen Tag vor einem Meeting mit Staatspräsident Nicolas Sarkozy wird die Gewerkschafterin im Dezember 2012 in ihrem Haus überfallen, gefesselt und vergewaltigt. Als der Kommissar Nicolas Brémont (Pierre Deladonchamps) keine Spuren eines Angreifers findet, verdächtigt er das Opfer, den Überfall erfunden zu haben. Maureen wird wegen Vortäuschung einer Straftat vor Gericht gestellt.

Nahe an amerikanischen Politthrillern

Der mit reichlich Sozialkritik gespickte Spielfilm beruht auf einem tatsächlichen Fall. Die Autorin Caroline Michel-Aguirre rekonstruierte die Geschichte der Gewerkschaftsfunktionärin Maureen Kearney in ihrem Buch „La Syndicaliste“, das die Vorlage lieferte für das Drehbuch, das Regisseur Jean-Paul Salomé mit Fadette Drouard geschrieben hat. Salomé ließ sich bei seiner Inszenierung von amerikanischen Politthrillern wie „Die Unbestechlichen“ und „Klute“ inspirieren, geht aber ansonsten einen eigenwilligen Weg, indem er Erzählmuster des Polit- und Wirtschaftskrimis mit Elementen des Psychodramas und Justizthrillers verknüpft.

Wie so oft bei Filmen nach wahren Begebenheiten führt das Streben nach Wahrhaftigkeit zu einer filmischen Überfülle an Details, die sich zu dramaturgischen Hemmnissen auswachsen können. In der ersten halben Stunde, die wie ein Wirtschaftskrimi mit paranoiden Zügen daherkommt, verzetteln sich die Autoren in allzu vielen politischen Winkelzügen rund um die Areva-Krise. Ein weiterer Schwachpunkt besteht darin, dass sie sexistische Vorurteile und die latente oder offene Frauenfeindlichkeit in Teilen der französischen Industrie, Politik und Gesellschaft so oft und plakativ hervorheben, dass es schon fast aufdringlich wirkt.

Erst mit dem heimtückischen Überfall und seinen Folgen stößt die weitgehend chronologische Filmerzählung zum emotionalen Kern vor und gewinnt als Psychodrama eines weiblichen Opfers, das von einem frauenfeindlichen Umfeld als Täterin gebrandmarkt wird, an Kraft und Gewicht. Für besondere Spannungsmomente sorgen dabei jene Sequenzen, in denen es Salomé gelingt, durch eine Vielzahl von verräterischen Indizien und scheinbar einleuchtenden Argumenten Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Protagonistin zu säen: Hat die unter enormem Druck stehende Maureen den Überfall samt sexuellem Missbrauch vielleicht doch nur simuliert?

Isabelle Huppert in Hochform

Getragen wird der Film vor allem vom französischen Kinostar Isabelle Huppert. Vor drei Jahren arbeitete der 1960 in Paris geborene Salomé schon einmal mit ihr zusammen. In seiner leichtfüßigen Kriminalkomödie „Eine Frau mit berauschenden Talenten“ verkörperte die inzwischen 70-Jährige eine Polizeidolmetscherin, die getrieben von Geldnöten in den Drogenhandel einsteigt. Gegenüber dieser schwarzhumorigen Rolle wirkt die Figur der Maureen wie ein Kontrastprogramm für Huppert, die hier zur Hochform aufläuft. Wirkungsvoll macht sie die Bemühungen Maureens anschaulich, den vielen Anfeindungen und Zumutungen zu trotzen und die Contenance zu wahren. Dabei arbeitet sie besonders augenfällig den Eigensinn Maureens heraus, die sich eben nicht wie ein typisches Opfer männlicher Gewalt verhält.

Die unermüdliche Kämpferin für Gerechtigkeit wird im Film stets von ihrem treuherzigen Mann Gilles Hugo unterstützt, die Rolle des bodenständigen Musikers gewährt Grégory Gadebois aber leider nur wenig Freiraum zur Entfaltung. Prominent besetzt sind auch die beiden wichtigsten Antagonisten: Yvan Attal gibt den ebenso cholerischen wie überforderten Areva-Chef Oursel, Pierre Deladonchamps glänzt in der Rolle des manipulativen, misogynen Kommissars. Einen emotional intensiven Kurzauftritt absolviert Alexandra Maria Lara als zweites Vergewaltigungsopfer, das Maureen bei ihrem langwierigen juristischen Kampf um Gerechtigkeit helfen kann.

Erschienen auf filmdienst.deDie GewerkschafterinVon: Reinhard Kleber (23.1.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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