Szene aus Don't Look Up
Filmplakat von Don't Look Up

Don't Look Up

145 min | Drama, Komödie, Science Fiction | FSK 12
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Die Menschheit ist in großer Gefahr! Ein riesiger Asteroid rast auf die Erde zu und wird die Bevölkerung restlos auslöschen. So lauten zumindest die Warnungen der beiden Astronomen Kate (Jennifer Lawrence) und Randall (Leonardo DiCaprio), die sich mit ihren bahnbrechenden Erkenntnissen an die Öffentlichkeit wagen und eine Katastrophe vermeiden wollen. Doch niemand interessiert sich für die Behauptungen der beiden Wissenschaftler, deren Belege und Thesen als unbestätigte Randnotiz verhallen. Um sich dennoch Gehör zu verschaffen, begeben sich Randall und Kate auf große Medientour. Selbst Präsidentin Orlean (Meryl Streep) steht auf der Liste der Wissenschaftler. Das ungewöhnliche Duo gibt sich redlich Mühe, die Erdbevölkerung auf das drohende Unheil aufmerksam zu machen. Aber sind ihre zahlreichen Berechnungen und Prognosen wirklich korrekt oder jagen sie einer Katastrophe hinterher, die sie selbst kreieren wollen?

Filmkritik

„Hyperobject Industries“ heißt die von Adam McKay gegründete Produktionsfirma. „Don’t Look Up“ ist nicht zufällig ihre erste Produktion und erzählt schon gar nicht zufällig vom Ende der Welt. "Hyberobjekt" ist der Begriff für ein Phänomen, dessen räumliche und zeitliche Dimension nicht ohne weiteres vom menschlichen Denken erfasst werden kann. Mit seiner Entstehung ist der von ihm angestoßene Wandel bereits vollzogen. Die Menschheit kann nur noch zusehen, sich anpassen, den Vorgang selbst aber nicht mehr aufhalten.

Das bedeutendsten Hyperobjekt unsere Zeit ist eben das, was „Don’t Look Up“ einkreist: die Klimakrise. Die drohende Apokalypse kommt im Film allerdings nicht schleichend, sondern rast aus dem Weltall auf die Erde zu. Ein riesiger, von den Astronomen Kate Dibiasky (Jennifer Lawrence) und Randall Mindy (Leonardo DiCaprio) entdeckter Komet übernimmt die Rolle der Erderwärmung als globales Katastrophenszenario.

Der Einschlag liegt knapp sechs Monate in der Zukunft. Die Menschheit, in diesem Fall von der US-Gesellschaft vertreten, könnte die Katastrophe potenziell abwenden, doch – und damit beginnt McKays satirische Vision des Hyperobjekts – der Komet reiht sich auf der Prioritätenliste der öffentlichen Aufmerksamkeit erst einmal hinter dem Sexskandal eines republikanischen Gouverneurs, der Trennung eines von Ariana Grande und Kid Cudi gespielten Popstar-Pärchens und dem guten Aussehen des Wissenschaftlers ein, der die Ankunft des Kometen im Fernsehen verkündet. Das Ende der Welt ist ein Hashtag, ein Popsong, ein Meme, ein Medienphänomen, aber – und das ist das entscheidende Detail – eben nur eins unter vielen.

Ein Weltuntergang, der niemanden interessiert

McKay arbeitet sich ausgiebig an dem System ab, das sich die drohende Apokalypse einverleibt, sie mit Hilfe von Algorithmen, Kapital-, Werbe- und Machtinteressen verdaut und am Ende als gänzlich unspezifisches Etwas wieder ausspuckt, das all sein Gewicht und all seine Signifikanz verloren hat. Dieser Prozess beginnt nicht in der Öffentlichkeit, sondern in einer Einzelsitzung im Oval Office beginnt. Ein paar Stunden Wartezeit und unzählige kostenlose Snacks später (die sich einer der Generäle des Sicherheitsstabs trotzdem in bar bezahlen lässt), stottert das um Dr. Oglethorpe (Rob Morgan), den Leiter des Planetary Defense Coordination Office der NASA (ja, das gibt es wirklich!), erweiterte Team seine Berechnungen vom Ende der Welt zusammen. Madame President (Meryl Streep) beeindruckt das Armageddon kaum. Von Weltuntergangsszenarien höre sie praktisch täglich und habe mit den Mid-Term-Elections, dem Skandal um einen halbnackten Parteigenossen und die Popularität ihrer Nikotinsucht wichtigere Punkte auf der Agenda.

Im klassischen Thriller- und Verschwörungskino schlägt nun die große Stunde der Medien, doch Social-Media und die reichenweitenstärkste Fernsehsendung „The Daily Rip“ – eine Morning-Show – befeuern lieber den Personenkult, der Mindy und Dibiasky ihre designierte Rolle als Wissenschaftler gar nicht erst gestattet. Sie werden als „sexy scientist“ Randall und die eklige Doomsday-Tante Kate neu erfunden. Er wird zum TV-Star, sie zur Persona non grata. Ihre gemeinsame Warnung verhallt im langen Korridor des medialen Stumpfsinns.

Mehr Feel-Bad-Movie als Satire

„Don’t Look Up“ zeichnet ein Gesellschaftsbild, in dem keine Geste mehr mit Sinn zu füllen ist. Das ist über weite Strecken eher bedrückend als lustig und reiht sich folgerichtig in McKays Regie-Karriere ein, die dem absurden Schabernack („Ricky Bobby“, „Die Stiefbrüder“) sukzessive den Rücken gekehrt und sich der mit politischer Wut aufgeladenen Satire zugewandt hat. McKays Kino hat dementsprechend viel Geltungsbedürfnis gewonnen, seine in anarchischer Absurdität liegende Kraft aber weitgehend verloren. Auch in „Don’t Look Up“ dominiert der Groll das Geschehen. Die Medien, der Social-Media-Zirkus, die Milliardäre, die da oben und die, die da mitmachen, kurz: alle sind mit schuld. Nicht am Kometen selbst, sondern daran, dass er die Chance bekommt, die Erde zu vernichten.

Die Welt geht unter, und keinen interessiert es. Das verdient Spott. McKay teilt ihn mit dem Selbstbewusstsein des Besserwissenden aus. „Don’t Look Up“ ist damit mehr Feel-Bad-Movie als Satire. Die darin liegende Eitelkeit ist erstmal das kleinste Problem seines Versuchs, die US-amerikanische Gesellschaft zusammenzupointieren. Denn um diese Losung wahr zu machen, muss die Komplexität des Problems, muss das Hyperobjekt ordentlich runtergetrimmt werden. Die Staatengemeinschaft existiert bei McKay nicht, eine stumme Mehrheit der Vernunft sowieso nicht und die Gegenbewegung um den von Timothée Chalamet gespielten Yule ist Punk-Kitsch aus den 1980er-Jahren.

Adam McKay macht es sich schlicht zu einfach. Die Ziele, die er ins Visier nimmt, sind so groß, dass sie eigentlich gar keine Überzeichnung brauchen. Meryl Streep ist als ignorante Politikerin und Zwitter aus Donald Trump und Sarah Palin ziemlich exakt auf der Linie ihrer Vorbilder. Mark Rylance mimt ähnlich präzise ein Amalgam aus Tech-Milliardären, das die entrückte Awkwardness eines Mark Zuckerberg, den Silicon-Valley-Hippie-Geist eines Steve Jobs (mitsamt der Garderobe) und die narzisstische Arroganz eines Elon Musk in sich vereint. Cate Blanchett komplettiert das Feld als die mit Botox und Zynismus glattpolierte „Daily Rip“-Ikone. Sie alle sind brave Karikaturen der spätkapitalistischen USA und damit emblematisch für die Vision, die McKay von der selbstverschuldeten Apokalypse hat: Die Menschheit ist verkommen genug, dass sich der geneigte Zuschauer moralisch über sie erheben kann - und ihr Untergang langweiliger als das Medienspektakel, das ihn umgibt.

Erschienen auf filmdienst.deDon't Look UpVon: Karsten Munt (30.1.2022)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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