Szene aus EXBERLINER presents EXBLICKS: Chasing Paper Birds
Filmplakat von EXBERLINER presents EXBLICKS: Chasing Paper Birds

EXBERLINER presents EXBLICKS: Chasing Paper Birds

123 min | Drama
ACHTUNG BERLIN - NEW BERLIN FILM AWARD

CHASING PAPER BIRDS
WB Spielfilm | D 2020 129 min | R/B Mariana Jukica D Henrike von Kuick, Lucie Aron, Vladimir Burlakov, Florian Bartholomäi K Matthias Halibrand M Julia C. Weber P f.u.c. Film, Penny Lane Film, Beleza Film, HIMHIMHER
  • Dauer123 Minuten
  • GenreDrama

Filmkritik

Die armen Berliner. Oder besser, die armen Berlinerinnen. Die Männer haben ihren Kram ja halbwegs im Griff, zumindest die Cis-Männer. Aber die Frauen. Die tun nichts anderes, als sich mit sich selbst zu beschäftigen, Tag und Nacht und bitterernst, aber trotzdem klappt es nicht in ihrem Leben. Das macht sie kreuzunglücklich, und die Zuschauer, denen dieses Scheitern über zwei Stunden und drei Minuten im Bild vorgeführt wird, gleich mit.

Das Hauptproblem in der Geschichte von Mariana Jukica ist die Liebe. Es gibt zwei weibliche Figuren, deren Männer sich schlecht benehmen, und eine männliche Figur, die den angebeteten Mann nicht mal mehr ans Telefon bekommt. Das führt zu ziemlich viel Raserei bei den vom Liebesleid Betroffenen: Keks, die erste Frau, nimmt Drogen in Pulverform, Mia, die zweite Frau, nimmt Wodka, die Nummer drei, der schwule Videoperformance-Künstler Ian, nimmt eine Pistole und kokettiert mit dem Suizid. So schaut es in den legendär wilden Berliner Nächten aus, die sich über 48 Stunden und länger hinziehen, in „Chasing Paper Birds“ allerdings eher in Gestalt einer Klagemauer denn als Party.

Es soll wirklichkeitsgetreu aussehen

Es ist schon erstaunlich, dass „das große Gefühl“, dieser Anschlag des klassischen Hollywoodkinos auf die Vernunft des zahlenden Publikums, sich inzwischen beim jungen deutschen Film derart erfolgreich eingenistet hat. Hier wird nicht mal auf Kasse spekuliert, hier wird der Glaube an die Liebe propagiert – oder an deren bittere Konsequenzen. Das heißt, dass Jukica möglichst dokumentarisch inszeniert, um den Film so wirklichkeitsgetreu aussehen zu lassen, dass man sofort die Parallelen zum eigenen Leben erkennen kann. Als gäbe es dort nichts Interessanteres zu entdecken. Und falls das tatsächlich so ist: Wäre es dann nicht viel eher eine Aufgabe des Kinos, den Menschen Alternativen zum großen Gefühl aufzuzeigen?

Das gibt es im Kino durchaus! Bloß bei „Chasing Paper Birds“ halt nicht. Da bekommt man anfangs nur zwei Informationen pro Protagonist – Keks legt in Clubs auf und hat gerade eine unerwartete Schwangerschaft entdeckt; Mia kommt aus Frankreich und macht mediokres Tanztheater; der Videoperformance-Künstler wird dreißig und hat Geld vom Daddy. Aus diesen Motiven wird aber nichts weiter gemacht, die Liebe funkt lähmend dazwischen. Wobei auch sie zu keinerlei Erkenntnissen führt, die über das Persönliche womöglich ins Allgemeine weisen würden. Dafür sind die Helden zu wortlos und zu verbohrt; und auch der Film kommt nicht über die bloße Betrachtung ihres Zustands hinaus.

Der Rhythmus der Partystadt

Lediglich eine Farbcodierung sorgt für Abwechslung, das gibt manchen Szenen eine hübsche Bildästhetik; auch die am Rand eingefangenen Blicke auf Berlin wecken ein kleines Vergnügen. Darauf läuft es schließlich hinaus: Der Rhythmus der Partystadt soll den Film strukturieren. Der steigert sich zur Mitte in eine Sex- und Drogenekstase, ebbt dann aber langsam wieder ab. Ein anschließendes zufälliges Treffen der drei Hauptfiguren in einem Spätkauf ist tatsächlich aufregend; es gibt Kommunikation, schon kommt man der Geschichte näher. Doch schon bald suchen alle wieder ihren eigenen Herzschlag statt den der großen Stadt.

Das dürfen sie gern tun. Aber muss man ihnen dabei zuschauen?

Erschienen auf filmdienst.deEXBERLINER presents EXBLICKS: Chasing Paper BirdsVon: Doris Kuhn (6.12.2021)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
Über Filmdienst.de Filmdienst.de, seit 1947 aktiv, bietet Filmkritiken, Hintergrundartikel und ein Filmlexikon zu neuen Kinofilmen aber auch Heimkino und Filmkultur. Ursprünglich eine Zeitschrift, ist es seit 2018 digital und wird von der Katholischen Filmkommission für Deutschland betrieben. filmdienst.de