Szene aus Gran Turismo
Filmplakat von Gran Turismo

Gran Turismo

135 min | Drama, Abenteuer, Action | FSK 12
Tickets
Szene %1 aus %Gran Turismo
Szene %2 aus %Gran Turismo
Szene %3 aus %Gran Turismo
Szene %4 aus %Gran Turismo
Szene %5 aus %Gran Turismo
Szene %6 aus %Gran Turismo
Szene %7 aus %Gran Turismo
Szene %8 aus %Gran Turismo
Szene %9 aus %Gran Turismo
Szene %10 aus %Gran Turismo
Der ehrgeizige Jann Mardenborough hegt den großen Traum, ein professioneller Rennfahrer zu werden. Leider mangelt es ihm an den finanziellen Ressourcen, die für eine Teilnahme in diesem exklusiven Sport erforderlich sind. Bisher hat er seine Leidenschaft durch das virtuelle Gasgeben im Videospiel Gran Turismo ausgelebt und dabei außerordentlichen Erfolg erzielt. Mit zunehmenden Siegen in Wettbewerben eröffnet sich ihm schließlich die Möglichkeit, sein Talent auf realen Rennstrecken zu beweisen. Allerdings stößt er in der etablierten Rennwelt auf Widerstand und wird nicht gerade wohlwollend aufgenommen.

Filmkritik

Wirklich ernst nehmen will Janns Hobby niemand. Zwar besteht der Gamer darauf, dass „Gran Turismo“ nicht einfach ein nur Rennspiel, sondern ein Rennsimulator ist, aber für Familie und Freunde sitzt er dabei dennoch schlicht vor der Playstation. Weder Jann (Archie Madekwe) noch seine Familie ahnen, dass es in der Marketing-Abteilung von Nissan tatsächlich jemanden gibt, der daran glaubt, dass Gran Turismo, das Spiel, dem der junge Brite seine ganze Zeit widmet, mehr ist als ein Spiel. Danny Moore (Orlando Bloom) versucht die Chefetage des Autokonzerns davon zu überzeugen, ein von Nissan gesponsortes Racing Team aufzustellen; nicht besetzt mit den üblichen Rennfahrern, sondern der Elite des digitalen Rennsports. Ein Marketing-Coup, der für Jann und ein Dutzend andere Fahrer:innen aus aller Welt die Chance ihres Lebens wird.

Nach einer wahren Geschichte

Der Aufstieg von Jann Mardenborough vom Hobbyspieler zum Profifahrer ist eine wahre Geschichte, die dramaturgisch auf die Underdog-Schablone des Sportfilms passt wie die Faust aufs Auge. Denn obschon er jede Kurve, jede Gerade, jede Ideallinie und das jeweilige Tempo und Bremsmanöver kennt, ist Jann kein respektierter Rennfahrer, sondern ein Neuling. Der Film spielt den Nissan-Marketing-Coup stellenweise als Demokratisierung eines allzu oligarchischen Rennsport-Zirkus aus, in dem ahnungslose Milliardäre sich rücksichtslose und arrogante Talente einkaufen, um ihr Hobby auszuleben.

Ganz so ist es natürlich nicht, und die Figur des ambitionierten Marketing-Chefs Danny Moore wirkt zumindest auf dem Papier ambivalent angehaucht. Die Geschichte der aufwändigen Werbekampagne bietet aber zugleich eine kleine, nicht uninteressante Verschiebung der klassischen Sportfilm-Topoi. Denn für Jann und die anderen Fahrer geht es nie um Platz 1 oder die tatsächliche Aussicht auf einen Titel. Die Rennen, die sie absolvieren, drehen sich allein um ihre Existenzberichtigung als Profis.

Janns Vater Steven (Djimon Hounsou) ist der erste, der zweifelt. Er sähe seinen Sohn lieber auf dem Bolzplatz, von wo aus er es selbst zum Profi gebracht hat. Er glaubt ebenso wenig wie der Rest der Welt daran, dass ein Videospiel Sprungbrett für eine Rennsportkarriere sein kann. Selbst als Jann seine Profilizenz gewinnt, dem Vater und der Welt beweist, dass er dazugehört, hindern die Sorgen den Vater lange Zeit, sich hinter seinen Sohn zu stellen.

Rennsport ist kein Spiel

Das Drehbuch von Jason Hall und Zach Baylin übersetzt das in einen generischen, aber effektiven Dreiakter. Viele der Momente, die allzu abgegriffen erscheinen, werden von den glänzenden Darstellern geadelt, allen voran Djimon Hounsou, der seiner eigentlich winzigen Vaterrolle eine enorme Bedeutung erspielt; aber auch Archie Madekwe als Jann und David Harbour, der den von ihm verlangten Stereotypen des Hart-aber-herzlich-Mentors mit sehr viel Leben füllt. Jack Salter heißt die von ihm verkörperte Figur. Der ehemalige Rennprofi bringt so ziemlich jedes Klischee der alten Schule mit (inklusive einer unzeitgemäßen Leidenschaft für seinen Walkman, auf dem die größten Hits von Black Sabbath laufen). Das macht ihn zum perfekten Gegengewicht für die heimtrainierten Neuling Jann, der den Rennzirkus nur als 3D-Animation kennt und auf seinem mp3-Player eher sanfte Töne von Kenny G und Enya hört.

Die Lektion, die der Reibeisen-Mentor Jann und den anderen Gran-Turismo-Spielern erteilt, ist simpel: Rennsport ist kein Spiel. Es gibt keinen Reset-Knopf. Fehler haben Konsequenzen und sind mitunter tödlich. Was die simulationsgeschulten Neulinge dagegenhalten, sind die unerreichten Trainingsstunden, die ihnen das eigene Nerdtum ermöglicht hat. Wer im Training dennoch nicht mithält, bekommt ein Nissan-Werbeartikelpaket in die Hand gedrückt und den Ausgang gezeigt.

Mit spielerischer Ignoranz

Die Ausbildung, die den ersten Teil des Films darstellt, ist als effektive Mischung aus Reality-TV und dem Mythos Motorsport inszeniert. Wirklich zu sich kommt der Film erst dort, wo das Spiel endet. Oder eben nicht. Denn tatsächlich ist das ständige Tauziehen zwischen den brutalen Konsequenzen, die hinter der Losung „Rennsport ist kein Spiel“ stehen, und der spielerischen Ignoranz, die es braucht, um auf der Rennstrecke die Nerven zu behalten, eben das, was „Gran Turismo“ auszeichnet.

Auf der Piste gelingt dem Film nicht nur die klassische Schnittfolge zwischen Gaspedal, Schaltknüppel, stampfenden Motorkolben, dem von G-Kräften gepeinigten Gesicht des Fahrers und dem vorbeirauschenden Asphalt, obwohl Regisseur Neill Blomkamp in diesen Sequenzen durchaus beweist, dass er einen Instinkt für derartige Action besitzt. Dort, wo Jann seine Stärken ausspielt, dreht der Film den Lärm, die Hitze, die Fliehkräfte und den Stress zurück. Vor dem geistigen Auge des jungen Fahrers verwandelt sich der Asphalt zurück ins Videospiel, das er in- und auswendig kennt. Eine digitale Ideallinie erscheint, die Gegner erhalten einen beständig schmelzenden Zeitvorsprung verpasst, und Jann sitzt plötzlich wieder wie vor dem Bildschirm seines Rechners. Was eigentlich tödlicher, keine Fehler verzeihender Ernst ist, ist eben nur so lange Ernst, bis es wieder zu dem Spiel wird, das „Gran Turismo“ allen Ernstes als Film verkauft.

Erschienen auf filmdienst.deGran TurismoVon: Karsten Munt (19.1.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
Über Filmdienst.de Filmdienst.de, seit 1947 aktiv, bietet Filmkritiken, Hintergrundartikel und ein Filmlexikon zu neuen Kinofilmen aber auch Heimkino und Filmkultur. Ursprünglich eine Zeitschrift, ist es seit 2018 digital und wird von der Katholischen Filmkommission für Deutschland betrieben. filmdienst.de