Szene aus Jump, Darling
Filmplakat von Jump, Darling

Jump, Darling

90 min | Drama, Komödie | FSK 12
Szene 1 aus Jump, Darling
Szene 2 aus Jump, Darling
Szene 3 aus Jump, Darling
Russel (Thomas Duplessie) tritt seit neuestem als Dragqueen Ginger Snaps auf, hat jedoch Bedenken, ob er diesen unsicheren beruflichen Weg weiter beschreiten möchte. Er flüchtet zu seiner Großmutter Margaret (Cloris Leachman), die ihrerseits trotz schlechter Gesundheit auf keinen Fall in ein Pflegeheim möchte in Jump, Darling.
  • RegiePhil Connell
  • Dauer90 Minuten
  • GenreDramaKomödie
  • AltersfreigabeFSK 12
  • IMDb Rating6.8/10 (0) Stimmen

Filmkritik

Der erfolglose Schauspieler Russell (Thomas Duplessie), der in Toronto als Drag-Queen auftritt, hat sich von seinem Freund getrennt und ist mittel- und obdachlos. Doch im Prince Edward County gibt es glücklicherweise eine Oma, die Russell zum letzten Geburtstag ihren alten Jaguar versprochen hat. Als Russell bei Margaret (Cloris Leachman) auftaucht, bedroht die alte Dame ihn zunächst mit einem Messer. Denn sie ist zuweilen etwas verwirrt und kann ihren Haushalt auch nicht mehr allein führen. Einmal hätte sie beim Wasserkochen fast ihr ganzes Haus in die Luft gejagt. Russell möchte eigentlich nur in den Jaguar steigen und losfahren, um einen Schauspielkurs zu besuchen und von ganz von vorne anzufangen. Doch da die alte Frau offensichtlich nicht mehr allein klarkommt, beschließt er, vorerst bei ihr zu bleiben.

Das Drag-Alter-Ego „Fishy Falters“

Die beiden haben einen sehr unterschiedlichen Lebensstil und -rhythmus. Margaret schläft generell nicht viel, während Russell erst am frühen Nachmittag aus den Federn kommt. Er hat im Ort eine queer-freundliche Bar entdeckt und verbringt seine Nächte dort. Einmal tritt er dort als sein Drag-Alter-Ego Fishy Falters auf und dreht dabei mächtig auf. Der Auftritt hat sein Selbstbewusstsein gestärkt, und er feilt an seinem Outfit – an diversen Perücken und Kleidern.

Außerdem hat er ein Auge auf den Barkeeper Zach geworfen, der auf seine Avancen zuerst zögerlich, letztlich aber doch reagiert. Zu Hause schmeißt Russell den Haushalt der Großmutter und führt mit ihr vertrauliche Gespräche, auch über die Familie, auf der ein Fluch zu lasten scheint. So erfährt Russell endlich Näheres über den Selbstmord seines Großvaters, der in Manhattan aus einem Hochhaus sprang, und wird selbst von dieser Vision heimgesucht.

Mitten in Russells neue Provinz-Existenz platzt dann Margarets Tochter Ene (Linda Kash), Russells Mutter. Sie nervt ihren Sohn mit ihrer Überfürsorglichkeit und will Margaret überdies in ein Altenheim stecken. Enkel und Oma melden Widerstand an, und Ene verschwindet wieder. Dennoch wird klar, dass das traute Zusammenleben zwischen Russell und Margaret nicht ewig währen kann.

Kontraste bestimmen den Film

Kontraste markieren das Debüt des kanadischen Regisseurs Phil Connell. Stadt und Land, alt und jung, Erfolg und Scheitern, bürgerliches Leben und Künstlerleben sind Themen, mit denen der verlorene Held umgehen muss. Denn so richtig kommt Russell in seinem Leben nicht klar. Er braucht einen Job, mit dem er seinen Unterhalt bestreiten kann. Vor allem aber ist er auf der Suche nach etwas, das seinem Leben Sinn gibt. Womöglich würde die Arbeit als Drag-Queen beides kombinieren. Zwar ist das eine harte Existenz, doch bei seinen Auftritten als Fishy Falters kann er seinen ganzen Frust vergessen, aus sich herausgehen, als Kunstfigur auftreten und dennoch eine Menge von sich selbst preisgeben.

Wenn Russell nachts nach Ladenschluss im Provinzclub seine Auftritte probt, erwacht ein schillerndes, extravagantes Etwas in ihm, und es ist sehr mitreißend, dem begabten Schauspieler Thomas Duplessie bei dieser Metamorphose zuzusehen. Seine Tanznummern legt Russell zu den Klängen von alter und neuer Discomusik an. Besonders viel Spaß machen seine Darbietungen zu „High School Confidential“ des kanadischen 1980er-Jahre-Duos Rough Trade und zu „Indestructible“ von der schwedischen Sängerin Robyn. Zuweilen übertreibt Regisseur Connell allerdings den Einsatz der Musik, die einerseits Gefühlslagen der Figuren wiedergibt, andererseits in ihrer Willkürlichkeit aber den Eindruck vermittelt, dass der Regisseur den Bildern nicht vertraut.

Wenn die Chemie funktioniert

Es fällt der Inszenierung generell schwer, zwischen der sympathischen Beiläufigkeit des Anfangs und der dramatischen Zuspitzung die Balance zu finden. Nach einer überzeugenden ersten halben Stunde, die auch atmosphärisch gelungen ist, verheddert sich „Jump, Darling“ zwischen Gegenwart und schicksalhafter Vergangenheit und reißt nur noch während der Revuenummern mit. Russell ist zwar die Hauptfigur, doch der Film will auch der Großmutter gerecht werden. So berührend es ist, der legendären 93-jährigen Schauspielerin Cloris Leachman in ihrer letzten Rolle zuzusehen, so abgedroschen wirken die Effekte, die die Requisiten aus ihrer Jugend auslösen sollen.

Vor allem die Parallelmontage gegen Ende des Films, die die divergierenden Lebenswege von Enkel und Großmutter bebildert, wirkt in ihrer Kontrastierung aufgesetzt und vorhersehbar. Allerdings gelingen „Jump, Darling“ immer wieder schöne Momente, etwa wenn Enkel und Oma mit dem alten Jaguar übers Land fahren, ihre Freiheit genießen und Outfits für Russells Drag-Queen-Persona einkaufen. Zudem stimmt die Chemie zwischen Thomas Duplassie und Cloris Leachman, die die emotionale Verbundenheit der beiden ungleichen Figuren durch Blicke, Gesten und einige Bonmots wunderbar transportiert.

Erschienen auf filmdienst.deJump, DarlingVon: Kira Taszman (20.1.2023)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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