Szene aus Linoleum - Das All und all das
Filmplakat von Linoleum - Das All und all das

Linoleum - Das All und all das

101 min | Drama, Komödie, Science Fiction | FSK 12
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Der leidenschaftliche, aber erfolglose Wissenschaftler Cameron stürzt in eine böse Midlife-Crisis. Ein neuer Nachbar, der wie die bessere Version von ihm selbst erscheint, bringt sein ruhiges Vorstadtleben durcheinander. Seine Karriere implodiert, seine Ehe steht vor dem Scheitern. Als eines Morgens die Überreste einer abgestürzten Raumkapsel in Camerons Garten liegen, macht er das, was er am besten kann: Er baut in der Garage eine Mondrakete und lässt seinen Kindheitstraum von der Astronautenkarriere wieder aufleben. Das ist der Beginn einer skurrilen und emotionalen Reise.

Filmkritik

Cameron (Jim Gaffigan) erklärt den Kosmos. „Above and Beyond“ heißt seine Fernsehsendung, die Schwerkraft, Auftrieb, das Sonnensystem und überhaupt alles erklärt, was zur Physik gehört. Der Charme des Selbstgebastelten und die Fahrigkeit des Moderators machen „Above and Beyond“ zur perfekten Kindersendung. Allerdings liegt ihre Sendezeit um Mitternacht. Das ist eine von vielen scheinbaren Niederlagen, mit denen sich der mittlerweile kurz vor dem Rentenalter stehende Astronom Cameron arrangieren muss. Ab und an verspricht sein Chef einen neuen Sendeplatz, ab und an schickt Cameron immer noch eine Bewerbung an die NASA, aber eigentlich bleibt alles beim Alten.

Dinge, die vom Himmel fallen

Doch so wenig Dynamik es in Camerons Leben auch geben mag: Etwas stimmt nicht mehr. Seine Teenager-Tochter Nora (Katelyn Nacon) spricht ihn nicht mehr mit „Dad“ an, der Arzt, der Camerons dementen Vater behandelt, hält allzu eindringliche Vorträge über das Universum in unserem Bewusstsein, und die Ehe mit Erin (Rhea Seehorn) hat die gemeinsame Passion für die Wissenschaft, für Entdeckungen und füreinander längst an eine pragmatische Koexistenz verloren. Und dann sind da noch die Dinge, die vom Himmel fallen.

In dem Moment, in dem Cameron den Brief mit seiner Bewerbung bei der NASA einwirft, schlägt ein Auto neben ihm auf der Straße ein. Der Fahrer des Sportwagens ist unverletzt und sieht Cameron erstaunlich ähnlich. Der rätselhafte Zwilling heißt Kent (ebenfalls von Jim Gaffigan gespielt) und wird Camerons neuer Nachbar. Sein Haar ist voller, sein Bart noch nicht grau, er fährt Sportwagen statt Fahrrad und ist Astronaut, nicht Astronom. Kent ist nicht zufällig in der Stadt „gelandet“, so wie in diesem Film überhaupt nichts ein Zufall ist. Der freudlose Gewinner-Doppelgänger übernimmt „Above and Beyond“ und bekommt den Sendeplatz, von dem Cameron nur geträumt hat. Wenig überraschend ist Kents Sendung so trocken und witzlos wie der Doppelgänger selbst.

Bevor die Beziehung zum erfolgreicheren Alter Ego allzu viel Platz einnehmen kann, schlägt der nächste Himmelskörper in Fairview Heights ein. Diesmal ist es ein alter sowjetischer Satellit, der direkt in Camerons Garten stürzt. Damit wird nicht nur der Alltag gänzlich aus den Angeln gehoben, auch der Film verlässt mit dem zweiten „Zufall“ die bekannten Gefilde des Lebensabenddramas. Denn Cameron versucht fortan nicht etwa, sich beruflich neu zu erfinden oder Schadensbegrenzung zu betreiben. Er macht sich vielmehr die seltsamen Umstände zunutze und baut sich eine eigene Raumkapsel. Damit erschafft er die „erwachsene“ Version des nostalgischen Traums, den verschiedenste Generationen US-amerikanischer Kinder mit der ersten Pappmaché-Rakete verbinden.

Teil einer großen Enthüllung

„Linoleum“ ist wie die Sendung des Protagonisten ganz um den magischen Realismus des Selbstgebastelten herum gestaltet. Was das gesellschaftliche Außen als Stagnation und verpasste Karrierechance deklarieren möchte, ist das eigentliche Leben. Regisseur und Autor Colin West bringt die verschiedenen Ebenen dieses Lebens elegant zusammen, stellt die kunstvolle Bastelei aber wieder und wieder aus. Jede rätselhafte Bemerkung, jeder nicht ganz in die Konversation passende Satz, jede Verwechslung und jede scheinbar wahllos auftauchende Person ist Teil der großen Enthüllung, die der Film für Camerons Leben bereithält.

Am Ende spult der Film selbst noch einmal zurück und weist den kleinen Irritationen ihren Platz als Nahtstellen im Gesamtnarrativ zu. „Linoleum“ ist so sehr auf den „Wow“-Effekt seines Endes zugeschnitten, das die einzelnen Teile, die dorthin führen, allzu wenig für sich stehen. Wenn „Linoleum“ also nicht wirklich mehr ist als die Summe seiner Teile, liegt das vor allem daran, dass die Teile für sich genommen kaum tragen. Das Ehedrama ist nicht der Rede wert, die Coming-of-Age-Liebelei zwischen seiner Tochter und dem Sohn des Doppelgängers (Gabriel Rush) allzu zahm, der Vaterkonflikt allzu generisch, das Familienleben reine Behauptung und das Altwerden eher larmoyant als berührend. Auch das bodenständigste Leben verliert seinen Charme, wenn es allzu exakt erklärt und allzu zusammenmontiert wirkt.

Erschienen auf filmdienst.deLinoleum - Das All und all dasVon: Karsten Munt (18.8.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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