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Filmplakat von Ein Dorf zieht blank

Ein Dorf zieht blank

110 min | Drama, Komödie | FSK 6
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Ganz Frankreich leidet unter der Wirtschaftskrise und auch die Normandie bleibt davon nicht verschont. Nach dem jähen Preisverfall für Fleisch und Gemüse stehen viele Bauern in der kleinen Ortschaft Mêle sur Sarthe kurz vor dem Aus. Doch Georges Balbuzard, der Bürgermeister des kleinen Ortes, will nicht so einfach klein beigeben und heckt einen Plan aus, wie er die Öffentlichkeit auf die Nöte aufmerksam machen will: Ein kollektives Nacktbild der Bauern, fotografiert von einem amerikanischen Star-Fotografen soll ein international sichtbares Zeichen des Protests setzen. (Quelle: Verleih)

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Filmkritik

Keine Ausnahmen für Amerikaner! Die normannischen Bauern blockieren die Autobahnstrecke schließlich nicht zum Spaß, vielmehr ist die Aktion ein Protest gegen die sinkenden Preise für Fleisch und Milch, ein Hilferuf in existenzieller Not. Amerikanische Besucher der Normandie verpassen durch die Blockade vielleicht ihr Flugzeug – so what? Zumal doch auch Schleichwege nach Paris führen. So kurven die Amerikaner durch die Landschaft, bis sie noch ein weiteres Mal nach dem Weg fragen müssen. Während der umständlichen Erklärung lässt der Mann auf dem Rücksitz den Blick ein wenig umherschweifen und hat mit einem Mal gefunden, weswegen er nach Frankreich gekommen ist. Das Feld liegt so einsam wie günstig für den Sonneneinfall und ist damit der ideale Ort für eine neue Ablichtung durch ihn, den weltberühmten Fotografen Blake Newman. Das Motiv ist dabei stets das gleiche: Muster aus nackten Menschen, die Newman unter den Ortsansässigen zusammensuchen will. Für Balbuzard, den Bürgermeister des Dorfes Le Mêle-sur-Sarthe, klingt diese Idee allerdings eher wie blanker Hohn. Halb hat er die Eindringlinge schon vom Hof gejagt, als ihm ein Vorteil des Unternehmens in den Sinn kommt: Ein ganzes Dorf, das sich auszieht, könnte endlich die erhoffte mediale Aufmerksamkeit für die Anliegen der Bauern erzeugen. Nun gilt es noch die Dorfbewohner zu überzeugen, mit deren sturem normannischen Geist der Bürgermeister allerdings schon manchen Strauß ausgefochten hat: Statt an einem Strang zu ziehen, denkt jeder nur an sich; bei Neuerungen und langfristigen Planungen ist Widerstand vorprogrammiert. So findet Balbuzard zwar viele, die sich mit der Foto-Idee zum Wohle des Dorfes grundsätzlich anfreunden können. Sich selbst zu entblößen kommt aber für die wenigsten in Frage. Einen einmaligen nackten Auftritt ganz normaler Menschen als Ausdruck sozialen (Selbst-)Bewusstseins in Szene zu setzen, verbindet man bei Filmen vor allem mit dem britischen Kino, mit Komödien wie „Ganz oder gar nicht“ (fd 32 818) und „Kalender Girls“ (fd 36 307). Neben der Tradition von Sozialkritik und Sympathie für die Arbeiterschaft spielt dabei auch die angenommene Prüderie der Briten eine Rolle, wodurch der Protestcharakter der Selbstentblößung besonders betont wird. Daran knüpft der französische Regisseur Philippe Le Guay an, wenn es in „Ein Dorf zieht blank“ heißt, die Normannen würden noch bei vierzig Grad im Schatten Pullover und lange Hosen anlassen. Dementsprechend schwer hat es Balbuzard mit seiner Überzeugungsarbeit, umso mehr als sich diverse ideologische Gräben durch die Dorfgesellschaft ziehen. Schwören die einen noch immer auf alte Traditionen, haben sich andere aufs Biobauerntum umgestellt, hinzu kommen Stadtflüchtlinge, die auf dem Land die unberührte Natur gesucht haben. Wobei noch gar nichts über uralte Streitigkeiten gesagt ist, wie sie etwa ausgerechnet um das für das Foto ausgewählte Feld geführt werden: Seit Generationen machen sich zwei Familien den Besitz streitig. Der Humor speist sich zunächst vor allem aus der Beharrlichkeit, mit der Balbuzard alle Einwände gegen die Nacktaktion wegzuwischen versucht, was François Cluzet mit einer einnehmenden Mischung aus hemdsärmeligem Tatendrang und kleinen Augenblicken der resignativen Zweifel spielt. Mehr als für die Vorbereitung des Fotos, die den Bürgermeister und den Fotografen mit voreiligen Zusagen, unerwarteten Schamgrenzen und teilweise rabiater Ablehnung der Dorfbewohner konfrontiert, interessiert sich Philippe Le Guay allerdings für die ländliche Gesellschaft im Allgemeinen. „Ein Dorf zieht blank“ verzichtet auf billige Anzüglichkeiten und anders als frühere Werke des Regisseurs wie „Molière auf dem Fahrrad“ (fd 42 289) auch komplett auf Klamauk, stattdessen bemüht sich Le Guay um Authentizität und dramatische Momente. Tatsächlich kristallisieren sich inmitten der tragikomischen Grundstimmung durchaus tieflotende Charakterbilder heraus: Im Schicksal des jungen Vincent etwa, der es als Radrennfahrer zu einigem Erfolg brachte, damit aber nur den Traum seines Vaters lebte und nach dessen Tod am liebsten alle Bindungen zu dem Dorf abbrechen möchte. Oder über den gärenden Zorn des Metzgers Roger, der hilflos zu verhindern sucht, dass seine Frau an dem Foto-Striptease teilnimmt, was durch das feinfühlige Spiel von Grégory Gadebois zu anrührenden Sequenzen führt. Im Vergleich tut sich der Film sogar schwerer damit, herausragende komische Szenen zu erfinden. In recht gemächlichem Tempo inszeniert, bietet „Ein Dorf zieht blank“ viel Gelegenheit zum Schmunzeln und unterhält mit den überwiegend gut getroffenen Dorfcharakteren, wirkt im Humor aber auch etwas gehemmt, als hätte Le Guay befürchtet, mit aggressiverem Witz der sozialen Aussage des Films zu schaden. Eine Zurückhaltung, die glücklicherweise nicht für seinen Kameramann Jean-Claude Larrieu gilt: In einem so attraktiven und stimmungsvollen Licht war die Normandie wohl noch nie im Kino zu sehen.

Erschienen auf filmdienst.deEin Dorf zieht blankVon: Marius Nobach (25.11.2023)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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