



- Veröffentlichung26.06.2025
- RegieKevin MacDonald
- ProduktionVereinigtes Königreich (2024)
- Dauer104 Minuten
- GenreDokumentarfilmMusik
- Cast
- AltersfreigabeFSK 12
- IMDb Rating7.3/10 (344) Stimmen
Vorstellungen










Filmkritik
Im Jahr 1969, kurz nach ihrer Hochzeit, verbrachten der Ex-Beatle John Lennon und die Künstlerin Yoko Ono eine Woche im Bett ihres Hotelzimmers in Amsterdam. Die viel Aufmerksamkeit erregende Performance sollte ein Plädoyer für den Weltfrieden sein.
Die Gesichter des Protests
Auch in Kevin Macdonalds überwiegend aus Archivmaterial bestehendem Dokumentarfilm „One to One: John & Yoko“ kreist die Kamera immer wieder um ein Bett, das sich in einem kleinen, mit allerlei Ramsch gefülltem Apartment befindet. Es handelt sich dabei um eine Nachbildung jener Wohnung im New Yorker Künstlerviertel Greenwich Village, in der das Paar von 1971 bis 1973 lebte. Im Film steht es symbolisch für eine Phase, in der Lennon und Ono die vielleicht prominentesten Gesichter einer Protestbewegung gegen das konservative US-Establishment unter der Regierung von Richard Nixon waren.
Besonderes Augenmerk in besagtem Zimmer legt „One to One“ auf den Fernseher, der sich auf dem Bett befindet. Aus dem Off berichtet das Paar von seinem exzessiven Fernsehkonsum, da in ihren Augen das Fernsehen der Spiegel der US-amerikanischen Seele sei. Macdonald konzipiert den Film so, als würde man ständig durch das Programm der damaligen Zeit zappen. Nachrichtenbilder vom Vietnamkrieg, von politischen Reden oder Demonstrationen wechseln mit poppig bunten Werbeclips, die eine falsche Idylle vorgaukeln. Dazwischen immer wieder Fernsehauftritte und Tonbandaufnahmen von Lennon und Ono, die dem Kampf gegen das Unrecht ein lässig-undogmatisches Antlitz verleihen.
In der ständigen Bilderflut spinnt der Film mehrere rote Fäden. Einer von ihnen ist das „One-to-One“-Konzert, aus dem regelmäßig Songs zu sehen sind, die das gerade behandelte Thema oft kommentieren. Einen anderen, in seiner Absurdität mehr auf Komik abzielenden Strang bilden wiederkehrende Telefongespräche von Onos Assistenten, die vergeblich versuchen, für den Film „Fly“ geeignete Fliegen als Hauptdarsteller zu finden.
Der Wille zur Veränderung
Das Zentrum des Films aber sind Konzerte, Diskussionen und Aktionen, die vom Willen zur Veränderung geprägt sind. Für den wegen zweier Joints jahrelang inhaftierten John Sinclair setzt sich das Musikerpaar ebenso ein wie für behinderte Kinder, die unter desaströsen Umständen in einem Heim zusammengepfercht werden. Oder für 39 Häftlinge, die nach einem Gefängnisaufstand von der Polizei getötet wurden. Neben Lennon und Ono tauchen regelmäßig dieselben Figuren auf: Verbündete wie der Dichter Allen Ginsberg, der Aktivist Jerry Rubin und der politisch engagierte Musiker David Peel, aber als Bösewicht auch immer wieder Richard Nixon.
„One to One“ zieht wie im Flug vorbei und besticht durch seine erlesene Auswahl an ausdrucksstarkem, teilweise gänzlich unbekanntem Filmmaterial. Das Konzept des Zappens erlaubt es, Kultur, Politik und Gesellschaft eng miteinander zu verzahnen und das Geschehen zudem präzise einzuordnen. Ein Nachteil der rasanten Szenenfolgen ist allerdings, dass Personen und Situationen meist nur kurz angeschnitten werden. Wer mit dem Thema nicht schon vertraut ist, muss nach dem Film wohl recherchieren, um die Hintergründe und Verbindungen zu durchschauen.
Bemerkenswert an den beiden Protagonisten ist, dass man fast keine intimen oder persönlichen Momente sieht. Lennon und Ono waren nicht nur bestens vernetzt, sondern als selbstbewusste Redner auch durch und durch professionell. Mit Kritik hält sich der Film zwar zurück, ist insgesamt aber eher beobachtend denn romantisch-verklärend. Bei den bekanntesten Lennon-Songs „Imagine“ und „Give Peace a Chance“ zeichnet sich beispielsweise ab, dass sich der Aktivismus der Musiker nicht selten in utopischen Träumereien erschöpft, statt konstruktiv konkrete Missstände anzugehen. Besonders Lennon scheint seinen Einfluss als Star der Gegenkultur überschätzt zu haben.
Gerechtigkeit für Yoko Ono
Die Inszenierung gibt sich viel Mühe, der in der Vergangenheit häufig zur Zielscheibe von Spott und Hass gewordenen Yoko Ono Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, auch wenn der Schwerpunkt des Films mehr auf Lennon liegt. Er erzählt nicht nur von den Anfeindungen, sondern unterstreicht Onos Engagement für die Frauenbewegung und gibt ihrer naiv-widerborstigen Musik Raum, bei der die Sängerin ihre vibrierende Stimme wie bei einer Jazz-Improvisation einsetzt.
Als Einstieg ins Thema sowie als Momentaufnahme einer zutiefst gespaltenen Gesellschaft lohnt sich „One to One“ angesichts seiner historischen Aufnahmen allemal. Zwar haben sich die Zeiten geändert, doch viele der Probleme wie Polizeigewalt, Rassismus, Homophobie und die Ungleichheit der Geschlechter sind noch immer virulent. Dass im Abspann mehrere nachfolgende Ereignisse genannt werden, jedoch ausgerechnet der Mord an Lennon unerwähnt bleibt, ist deshalb wahrscheinlich durchaus bezeichnend: So als wolle der Film „One to One: John & Yoko“ signalisieren, dass dieses Kapitel unabgeschlossen bleibt, weil viele der Kämpfe noch immer nicht fertig ausgefochten sind.